Pressemitteilung | Zentralverband des Deutschen Handwerks e.V. (ZDH)

Europäische Energiepolitik darf deutsches Handwerk nicht behindern

(Brüssel/Berlin) - Deutsche Handwerksbetriebe dürfen nicht dafür bestraft werden, dass sie besser qualifiziert sind und umfassender ausbilden als dies in anderen EU-Staaten der Fall ist. Generalsekretär Hanns-Eberhard Schleyer vom Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) wendet sich daher gegen einen Zwang zur Zertifizierung für Installateure von Anlagen für Erneuerbare Energien, wie sie die EU-Kommission vorsieht: „Ein Parallelsystem ist unnötig und überflüssig. Die Inhalte der Zertifizierung gehören in Deutschland zum Standard der Ausbildung.“

Die Pflicht zur Zertifizierung und regelmäßigen Erneuerung dieser Zertifikate ist im Richtlinienvorschlag zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen der EU-Kommission enthalten. Das neue EU-Zertifikat soll dokumentieren, dass der Installateur den Einbau kleiner Öfen und Kessel für Biomasse, Fotovoltaik- und Solarwärmeanlagen sowie Wärmepumpen sachgerecht vornehmen kann. Das Zertifikat soll am Ende einer Qualifizierungsmaßnahme stehen, in dem die entsprechenden Kenntnisse vermittelt werden. Nach Vorschlag der EU-Kommission berechtigt eine abgeschlossene Berufsausbildung lediglich zum Zugang zu den Zertifizierungskursen, ersetzt diese aber nicht.

Schleyer zum Vorschlag: "Die Europäische Kommission verkennt, dass einige EU-Mitgliedstaaten bereits über ein umfassendes Qualifizierungs- und Zertifizierungssystem verfügen. Die duale Berufsausbildung sowie die Meisterausbildungen in Deutschland vermitteln Kenntnisse, die die von der EU-Kommission angestrebten inhaltlichen Standards bereits jetzt erfüllen. Die Zertifizierung würde einen nicht zu rechtfertigenden Mehraufwand bei den Betrieben auslösen und damit die Zielsetzung zur Förderung des Einsatzes Erneuerbarer Energien im Ergebnis sogar behindern."

Für den Generalsekretär sind die vorgesehenen Re-Zertifizierungspflichten „nicht zielführend“: „Die hohe Qualität der Ausbildung in den einschlägigen Handwerksberufen bildet die geforderten Kenntnisse und Fertigkeiten bereits ab. Soweit darüber hinaus Qualifikationen und deren Auffrischungen gefordert werden, können diese im Rahmen freiwilliger Fortbildungen am Markt beschafft werden, so wie dies heute in Deutschland bereits tausendfach jährlich praktiziert wird.“

Zertifikate sollen nach dem Kommissionsvorschlag von Personen erlangt werden können, die bereits eine Ausbildung zu einem einschlägigen Beruf abgeschlossen haben. In Deutschland dauert eine solche umfassende Berufsausbildung normalerweise drei bis dreieinhalb Jahre, während ähnlich lautende Abschlüsse in anderen EU-Mitgliedstaaten schon mit weitaus weniger Aufwand erworben werden können und entsprechend geringere Qualifikationen beinhalten. Ungeachtet dieser Tatsache sollen die EU-Mitgliedstaaten dazu verpflichtet werden, ihre Zertifikate gegenseitig anzuerkennen.

Besonders kritisch sieht es das Handwerk, dass die Regelungen des Richtlinienentwurfs Vorrang haben sollen vor der Berufsanerkennungsrichtlinie, die umfassend das System der Anerkennung von Berufsqualifikationen regelt. Die Berufsanerkennungsrichtlinie bestimmt unter anderem, unter welchen Voraussetzungen Dienstleister Zugang zu im Zielstaat reglementierten Berufen im Rahmen der grenzüberschreitenden Dienstleistungserbringung haben. Im Ergebnis würde eine Aufweichung bedeuten, dass gering qualifizierte Personen aus dem Ausland lediglich aufgrund des erworbenen Zertifikates zu „Erneuerbare Energien“ im gesamten Berufsbild z.B. der elektrotechnischen Handwerke oder des Installateur- und Heizungsbauerhandwerks tätig werden könnten. Schleyer: "Die geplante Aushebelung der Berufsanerkennungsrichtlinie muss unbedingt vermieden werden. Es kann und darf nicht sein, dass Personen nur aufgrund eines Zertifikates aus einem anderen Mitgliedstaat auch Arbeiten in gefahrengeneigten und daher reglementierten Berufen verrichten dürfen, für die sie nicht qualifiziert sind."

Schleyer fürchtet, dass die EU-Kommission über ihre Vorschläge im Energiebereich hinaus Bildungspolitik machen will. Zu den laut EU-Vertrag der EU zugewiesenen Kompetenzen zählt die Bildungspolitik aber nicht. Sie fällt in den Zuständigkeitsbereich der nationalen Regierungen. Die existierenden Initiativen der EU-Kommission im Bildungsbereich beruhen alle auf dem Prinzip der Freiwilligkeit. Dies ist beim vorgeschlagenen Zertifizierungssystem nicht der Fall. Schleyer: "Die Energiepolitik darf nicht zum Büttel der Bildung werden. Die Kompetenzen sind klar aufgeteilt und auch im Sinne des Subsidiaritätsprinzips sollte man dies respektieren. Zumal wir in Europa eine derart vielfältige Bildungslandschaft haben, dass starre Harmonisierungsvorgaben nicht zielführend sind."

Der Berichterstatter des Europäischen Parlaments schließt sich dem Kommissionsvorschlag an. Noch vor der Sommerpause will der zuständige Industrieausschuss über das Thema abstimmen.

Quelle und Kontaktadresse:
Zentralverband des Deutschen Handwerks e.V. (ZDH) Alexander Legowski, Leiter, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Mohrenstr. 20/21, 10117 Berlin Telefon: (030) 20619-0, Telefax: (030) 20619-460

(el)

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