Europäisches Gemeinschaftspatent: Überraschende Kehrtwendung der Bundesregierung zum Nachteil von Mittelstand und Anwaltschaft
(Berlin) - Die Bundesregierung hat in einer überraschenden Kehrtwendung ihr Einverständnis zu einer Zentralisierung der Gerichtsbarkeit hinsichtlich des Europäischen Gemeinschaftspatents gegeben, und zwar schon für die 1. Instanz. Damit opfert die Bundesregierung einen Leistungsvorsprung der Deutschen Patentgerichtsbarkeit, dank dessen mehr als 70 Prozent aller Streitsachen über Europäische Patente (Vorläufer zum Gemeinschaftspatent) von den Patentinhabern in Deutschland anhängig gemacht werden. Deutschland hätte diese Leistungsposition in das Gemeinschaftspatent einbringen müssen, stellt der Deutsche Anwaltverein (DAV) klar.
Einen von allen anderen EU-Staaten akzeptierten Vermittlungsvorschlag der griechischen Präsidentschaft, der regionale Eingangsgerichte vorsah und so den deutschen Gerichtsstandort gestärkt hätte, hat die Bundesregierung unverständlicherweise nicht zum Ausgangspunkt weiterer Verhandlungen gemacht.
So sei die Freude über einen Durchbruch des Gemeinschaftspatents getrübt. Der Durchbruch ist auf Kosten Deutschlands erfolgt. Die völlige Zentralisierung läuft außerdem den Interessen der mittelständischen Wirtschaft in Europa diametral zuwider, so Rechtsanwalt Prof. Dr. Winfried Tilmann, Vorsitzender des Ausschusses Geistiges Eigentum des DAV. Dies habe sogar die Bundesregierung in der Vergangenheit stets nachdrücklich betont. Verwunderlich sei, dass dies nun offensichtlich nicht mehr gelte. Man müsse sich fragen, ob die Bundesregierung ein Gemeinschaftspatent nur für die großen Multis in Europa, den USA und Japan akzeptieren wolle.
Die Anwaltschaft fordert die Bundesregierung auf, die verbleibende Zeit bis zur endgültigen Entscheidung zu nutzen, um sicherzustellen, dass nach der Übergangszeit (bis 2010), in der die nationalen Gerichte zuständig bleiben, eine erneute Bewertung und eine neue Entscheidung möglich bleibt. Nach Ansicht des DAV könne es nicht sein, dass Europa schon am Beginn einer Europäischen Patentgerichtsbarkeit über das Vorbild der USA hinausschieße, die regionale Eingangsgerichte und nur eine zentrale Berufungsinstanz als sachgerechte Lösung verwirklicht haben.
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