Pressemitteilung | VDE - Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V.

Europas Energienetz – Sicherheit und Stabilität im Blick

(Frankfurt am Main) - Das europäische Verbundnetz erstreckt sich von Portugal bis in die Türkei – rund 6.000 Großkraftwerke und Hunderttausende Wind- und Photovoltaik-Anlagen speisen Strom ein. Deutschland liegt im Zentrum dieses Systems und ist eng mit den Netzen seiner Nachbarn verbunden. Redundanzen sichern die Versorgung, die auch bei Ausfällen einzelner Leitungen oder Kraftwerke weiter funktioniert. Aber die Zuverlässigkeit dieses Stromnetzes basiert auf einem sensiblen Gleichgewicht: Die eingespeiste elektrische Leistung muss der entnommenen exakt entsprechen. Doch je mehr Anlagen Strom aus Wind und Sonne liefern und je weniger konventionelle Kraftwerke mit rotierenden Massen am Netz bleiben, desto anfälliger wird das ganze Gefüge.

„Der Umbau des Energiesystems stellt die Netzstabilität vor grundlegende Herausforderungen“, sagt Dr.-Ing. Ralf Petri, Geschäftsführer der Energietechnischen Gesellschaft im VDE (VDE ETG). Frequenzschwankungen, die früher durch die Trägheit der konventionellen Kraftwerke gedämpft wurden, wirken nun direkter – und gefährden die Synchronität des Verbundnetzes. „Das komplexe Zusammenspiel aus Leistungselektronik, langen Übertragungswegen und dezentraler Einspeisung verlangt neue technische Antworten“, fordert Petri. Das Forum Netztechnik/Netzbetrieb des VDE (VDE FNN) und die VDE Normungsorganisation DKE ist gemeinsam mit der VDE ETG, staatlichen Akteuren, Netzbetreibern, Verbänden, Wissenschaft und Industrie an der Roadmap Systemstabilität des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie beteiligt. Diese Ende 2023 gestartete Initiative soll bis Ende 2035 alle notwendigen Maßnahmen einleiten und umsetzen, damit sich ein Netz mit 100 Prozent erneuerbaren Energien sicher betreiben lässt.

Schwankungen und Instabilitäten

Je größer das Netz, desto länger dauert es, bis Schwankungen sich ausgleichen – das begünstigt Leistungspendelungen zwischen Regionen. Besonders ausgeprägt sind diese zwischen Nord- und Südeuropa oder zwischen Polen und der iberischen Halbinsel. Wird die Pendelbewegung zu stark, drohen Überlastungen und im Extremfall automatische Abschaltungen. Diese komplexen Wechselwirkungen gewinnen an Bedeutung, je mehr Umrichter und weniger rotierende Massen im Netz sind.

Windräder, Photovoltaikanlagen, Batteriespeicher und Hochspannungsgleichstromübertragungen (HGÜ) speisen elektrischen Strom nicht direkt ins Netz ein, sondern über sogenannte Umrichter. Diese elektronischen Umrichter arbeiten mit hohen Schaltfrequenzen, um die Transformation von benötigter Leistung vorzunehmen. Dabei entstehen neben der normalen Netzfrequenz von 50 Hertz zusätzliche Schwingungen. Überlagern sich im Netz viele dieser sogenannten Oberschwingungen, können Grenzwerte der Netzspannungsqualität verletzt werden. Solche Effekte wurden unter anderem etwa beim Betrieb von Windparks beobachtet. Sie können Leitungen und andere Betriebsmittel überlasten oder sogar beschädigen – im kritischen Fall führt das zu einer automatischen Abschaltung. Ob die Störungen entstehen oder abgefangen werden, hängt maßgeblich davon ab, wie die eingesetzte Regelungstechnik in den Umrichtern arbeitet. Für diesen neuen Typ von Instabilität fehlen bislang erprobte Gegenmaßnahmen.

Digitalisierung als Schlüssel

Die Beherrschung dieser komplexen technischen Herausforderungen erfordert einen entscheidenden Entwicklungssprung in der Netzüberwachung und -steuerung. Um dezentrale Einspeisequellen und neue Verbraucher wie Wärmepumpen, Elektrofahrzeuge oder Elektrolyseure zuverlässig zu koordinieren, sind resiliente digitalisierte Netzleitstellen erforderlich. Sowohl eine robuste Cybersicherheit als auch eine Kommunikation, die bei einem Ausfall der zentralen Energieversorgung einspringt (schwarzfallfest), bilden zentrale Voraussetzungen für einen resilienten Gesamtnetzbetrieb. „Schwarzfallfest“ bedeutet dabei, dass die Kommunikationssysteme selbst bei vollständigem Stromausfall weiter funktionieren – gesichert durch Pufferbatterien oder Netzersatzanlagen, die den Betrieb auch ohne externe Stromversorgung gewährleisten. Dr.-Ing. Damian Dudek von der Informationstechnischen Gesellschaft im VDE (VDE ITG) ergänzt: „Ohne robuste Informations- und Steuertechnik lassen sich weder Echtzeitdaten im elektrischen Energienetz verarbeiten noch wirkungsvolle geeignete Maßnahmen im Störfall umsetzen.“

Fest steht: Die Herausforderungen der Energiewende erfordern ein koordiniertes Vorgehen von energietechnischer und informationstechnischer Seite. Die technische Weiterentwicklung von Umrichtern, eine verstärkte europäische Zusammenarbeit bei der Netzplanung und Investitionen in die digitale Infrastruktur bilden den Dreiklang für stabile Energiesysteme der Zukunft.

Das Hintergrundpapier Netzstabilität steht online zur Verfügung.

Neuer Leitfaden zur spartenübergreifenden Planung kommunaler Energiesysteme
Darüber hinaus hat die VDE ETG den neuen Leitfaden „Spartenübergreifende Planung kommunaler Energiesysteme“ veröffentlicht. Der praxisorientierte Leitfaden unterstützt Städte, Gemeinden und Energieakteure dabei, die Energiewende vor Ort aktiv mitzugestalten und nachhaltige Energieversorgung auf kommunaler Ebene umzusetzen.

Quelle und Kontaktadresse:
VDE - Verband der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V., Merianstr. 28, 63069 Offenbach am Main, Telefon: 069 63080

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