Pressemitteilung | (bvse) Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung e.V.

Forum Schrott 2025 – Herausforderungen und Chancen in einer ambivalenten Zeit

(Bonn) - Das 19. Forum Schrott des bvse-Fachverbands Schrott, E-Schrott und Kfz-Recycling am 4. Juni 2025 in Potsdam lieferte einen facettenreichen Überblick über aktuelle Marktentwicklungen, regulatorische Rahmenbedingungen und technologische Transformationen der Recyclingwirtschaft.

Das Jahr 2025 beginnt, wie das vergangene endete – mit Ambivalenz. So lässt sich die Grundstimmung treffend beschreiben, die über dem 19. Forum Schrott lag. Die Veranstaltung startete mit einem pointierten Lagebild von bvse-Vorstandsmitglied Sebastian Will. Im Fokus standen die geopolitischen Spannungen rund um neu angekündigte US-Zölle, die nicht nur für Unsicherheit auf dem Weltmarkt sorgen, sondern auch das europäische Sommergeschäft belasten. Besonders kritisch: Forderungen der Stahl- und Metallherstellerindustrie nach Handelsbeschränkungen oder gar Exportverboten für Schrotte.

Recyclingwirtschaft stellt sich Exportverboten entgegen

Gegen diese protektionistischen Tendenzen stemmt sich die Recyclingbranche mit wachsender Entschlossenheit. So kam es auf europäischer Ebene zu einem bedeutsamen Dialog: Die EU-Kommission lud Vertreter der Recyclingwirtschaft sowie der Stahl- und Metallhersteller zu einem Austausch über den sogenannten Steel and Metals Action Plan. Dabei überzeugte die Recyclingwirtschaft mit Daten und Fakten, während die Befürworter von Handelsbarrieren oft im Vagen blieben. Sebastian Will erinnerte eindringlich daran, dass der freie Handel eine tragende Säule der Kreislaufwirtschaft sei und dass die Branche wachsam bleiben müsse, um nicht zwischen industriepolitischen Interessen zerrieben zu werden.

Rohstoffsicherung durch faktenbasierte Politik

Eine zentrale Rolle im Diskurs um nachhaltige Rohstoffversorgung spielt die Deutsche Rohstoffagentur (DERA). Deren Vertreterin, Dr. Britta Bookhagen, betonte die Bedeutung objektiver Daten für politische und wirtschaftliche Entscheidungen: „Wir sind eine unabhängige Behörde und stellen Fakten dar.“ Angesichts massiver Preisunterschiede bei kritischen Rohstoffen zwischen Europa und China sei es essenziell, europaweit einheitlich an Lösungen zu arbeiten. Besonders bei seltenen Rohstoffen liegen die Recyclingquoten aktuell unter einem Prozent. „Recycling ist eine tragende Säule für eine resiliente Rohstoffversorgung“, so Bookhagen. Die große Herausforderung bleibe jedoch, Nachfrageanreize zu schaffen, um die Wirtschaftlichkeit des Recyclings zu stärken.

Schrottverfügbarkeit: Kein Engpass, aber strukturelle Herausforderungen

Prof. Frank Pothen von der Ernst-Abbe-Hochschule Jena analysierte in seinem Vortrag die langfristige Verfügbarkeit von Schrotten. Seine Szenarien zeigen: Bis 2050 wird das Schrottaufkommen in Europa jährlich um etwa 1,6 Prozent steigen, vor allem im Bereich der Altschrotte. Dagegen stagniert die Verfügbarkeit hochwertiger Neuschrotte. Eine akute Nachfrageknappheit sieht Pothen jedoch nicht.

Scharfe Warnungen äußerte er hinsichtlich möglicher Handelsbeschränkungen: „Bei vollständigen Exportverboten bricht die Inlandsnachfrage ein, Preise fallen – und das tut richtig weh.“ Bereits ein Anstieg der Handelskosten um nur ein Prozent könne den Handel mit Stahlschrotten um fast sieben Prozent reduzieren. Neben ökonomischen Schäden drohen laut Pothen auch negative klimapolitische Effekte.

Legierungen bewahren statt zu Störstoffen degradieren

Mit Blick auf Produktdesign und Materialverantwortung warf Rutger Gyllenram von Kobolde & Partners einen strategischen Blick in die Zukunft: Die neue Ökodesign-Richtlinie und der Innovationsdrang der Industrie seien ein Rückenwind für die Recyclingfähigkeit von Produkten. Der Lebenszyklusansatz verschiebt sich zunehmend vom cradle-to-gate zum cradle-to-cradle-Denken. Ziel müsse es sein, den Wert von Legierungen über mehrere Nutzungsphasen hinweg zu erhalten, anstatt sie durch mangelnde Trennung als Störstoffe zu verlieren. Voraussetzung dafür sei eine enge Kooperation entlang der gesamten Wertschöpfungskette – vom Produkthersteller bis zur Stahlproduktion.

Grüner Stahl: Zwischen Transformation und Kostendruck

Ein zentrales Thema war die Dekarbonisierung der Stahlindustrie. Die Transformation hin zu CO₂-neutralem Stahl zwingt Hersteller dazu, traditionelle Hochöfen durch moderne Direktreduktionsanlagen zu ersetzen. Die steigenden Kosten für CO₂-Zertifikate setzen zusätzliche Anreize. Drei technologische Pfade stehen im Fokus: Elektrifizierung, Carbon Direct Avoidance (z. B. mit Wasserstoff) und Carbon Capture, Usage and Storage (CCUS).

Im Vergleich: Die herkömmliche Hochofenroute verursacht 1.765 kg CO₂ pro Tonne Rohstahl. Durch Direktreduktion mit Erdgas sinkt der Ausstoß auf 940 kg/t, mit Wasserstoff sogar auf 437 kg/t – bei einem Mischverhältnis von 80 Prozent hot DRI zu 20 Prozent Schrott. Europa übernimmt bei der Umstellung eine führende Rolle.

Fazit: Dialog, Daten, Dynamik

Das 19. Forum Schrott bot einen intensiven Überblick über den Stand der Rohstoffversorgung, die Risiken möglicher Handelshemmnisse und die Perspektiven einer nachhaltigen Transformation der Industrie. Die wiederkehrende Forderung nach soliden Datengrundlagen zieht sich wie ein roter Faden durch alle Vorträge – als Voraussetzung für faktenbasierte Entscheidungen, ohne zusätzliche Berichtspflichten.

Die zentrale Erkenntnis: Die Verfügbarkeit von Schrotten nimmt stetig zu, die Sorge vor einem generellen Mangel ist unbegründet. Engpässe sind nur bei einzelnen hochwertigen Sorten zu erwarten. Entscheidend bleibt ein funktionierender Markt, denn: Der freie Handel ist und bleibt das Herzstück der Kreislaufwirtschaft.

Quelle und Kontaktadresse:
(bvse) Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung e.V., Jörg Lacher, Leiter(in) Politik und Kommunikation, Fränkische Str. 2, 53229 Bonn, Telefon: 0228 988490

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