Pressemitteilung | Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten e.V. (VATM) - Hauptgeschäftsstelle

Fraktionen der großen Koalition einigen sich auf EU-rechtswidrige Lex Telekom / VATM: Neue Formulierung in TKG-Novelle trägt Handschrift des Ex-Monopolisten

(Berlin) - Die Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und SPD haben sich gestern darauf verständigt, die bisherige Regelung des Kabinettsentwurfes zum umstrittenen Paragraphen 9a der TKG-Novelle noch weiter zu Gunsten der Deutschen Telekom zu verschärfen. So soll nun auf Wunsch des ehemaligen Staatsunternehmens in Paragraph drei eine Definition des Begriffs „neuer Märkte“ in den Gesetzentwurf aufgenommen werden, die dem Bedarfsmarktkonzept widerspricht und die Bundesnetzagentur unzulässig in ihrer Entscheidungsfreiheit einschränkt. Zudem soll die Marktanalyse zum Vorliegen eines neuen Marktes entgegen dem europäischen Rechtsrahmen ohne Konsultation der EU-Kommission durchgeführt werden können.

„Die TKG-Novelle darf nicht zum vorweihnachtlichen Wunschzettel des Ex-Monopolisten umfunktioniert werden“, kommentiert VATM-Geschäftsführer Jürgen Grützner. „Ganz augenscheinlich lässt sich der deutsche Staat hier jedoch mehr von seinen Aktionärsinteressen leiten als von den Interessen der großen Mehrzahl seiner Bürger und holt deshalb das wenig wettbewerbstaugliche Konzept der Industriepolitik aus der Mottenkiste.“

Die Errichtung von Schutzzäunen für vermeintliche nationale Champions stelle die Glaubwürdigkeit einer deutschen Ratspräsident zu Beginn des nächsten Jahres nachhaltig in Frage und konterkariere das gemeinsame europäische Ziel, einen verlässlichen Ordnungsrahmen für den EU- Binnenmarkt zu schaffen. „Durch einen solchen Alleingang wird zudem die EU-Kommission in ihrem Ziel, Regulierungskompetenzen nach Brüssel zu verlagern, bestärkt. Damit wird der Handlungsspielraum für deutsche Politik aufs Spiel gesetzt“, befürchtet der VATM-Geschäftsführer.

Inakzeptabel ist die neuerliche Verschärfung des Gesetzentwurfs nach Ansicht des Verbands aber auch, weil er in der derzeit diskutierten Fassung an verschiedenen Stellen gegen den bindenden europäischen Rechtsrahmen verstößt. „Bei der Analyse neuer Märkte soll die EU-Kommission künftig komplett außen vor bleiben“, erläutert Grützner. „Mit der im Gesetzentwurf neu aufgenommenen Definition neuer Märkte wird das bewährte Bedarfsmarktkonzept gezielt den Wünschen eines Unternehmens angepasst. Statt neue Märkte ausschließlich aus Sicht der Verbraucher zu definieren, sollen künftig Kriterien wie Reichweite und Verfügbarkeit ausschlaggebend sein, die allein aus Anbietersicht relevant sind.“

Zudem würden auch die im EU-Rechtsrahmen festgeschriebenen Ermessensspielräume des Regulierers in unzulässiger Weise beschnitten. „Die Bundesnetzagentur darf dann nicht mehr in der Gesamtschau auf einen Markt blicken“, so der VATM-Geschäftsführer weiter. „Bereits bei Vorliegen eines einzigen Kriteriums für einen neuen Markt müsste sie zu Gunsten der Telekom entscheiden.“

Auch den massiven Bedenken des Bundesrats wurde nicht Rechnung getragen. Dieser hatte eine erhebliche Gesetzeslücke bei der Missbrauchskontrolle erkannt, das Wirtschaftsministerium entsprechende Formulierungsvorschläge erarbeitet. „Es ist völlig unverständlich, warum der Ex-Monopolist nun sogar geschützt werden soll, wenn er seine Marktmacht missbraucht“, kritisiert Grützner.

Ganz augenscheinlich habe man mit der überraschenden nochmaligen Verschärfung des Kabinettsentwurfes zu Gunsten des Bonner Konzerns nun tatsächlich - trotz massiver Kritik aus Wissenschaft, Bundeskartellamt, Monopolkommission und EU-Kommission - eine Lex Telekom schaffen wollen. „Wettbewerbsunternehmen und deren Beschäftigten ist völlig unklar, warum Milliarden-Investitionen und Arbeitsplätze der Wettbewerber weniger schützenswert sein sollen als die der Telekom“, so der VATM-Geschäftsführer abschließend.

Quelle und Kontaktadresse:
Verband der Anbieter von Telekommunikations- und Mehrwertdiensten e.V. (VATM) Geschäftsstelle Wolfgang Heer, Pressesprecher Oberländer Ufer 180-182, 50968 Köln Telefon: (0221) 3767723, Telefax: (0221) 3767726

(sk)

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