Pressemitteilung | Deutscher AnwaltVerein e.V. (DAV)

„Freiheit bewahren“ – auch bei der Inneren Sicherheit

(Berlin) - Anlässlich des Deutschen Anwaltstags 2025 warnt der Deutsche Anwaltverein (DAV) davor, die Freiheit und Privatsphäre unbescholtener Bürgerinnen und Bürger durch flächendeckende Überwachungsinstrumente und Datensammlungen dauerhaft zu beschneiden. Ob Speicherung von IP-Adressen oder Chatkontrolle: „Mehr“ heißt nicht „sicherer“. Dafür sind die Grundrechtseingriffe durch solche Instrumente umso massiver. Der DAV lehnt erneute Vorstöße – im Koalitionsvertrag und in der EU – für die massenhafte Speicherung und Überwachung von Daten ab.

Der Deutsche Anwaltstag steht in diesem Jahr unter dem Motto „Rechtsstaatlichkeit stärken – Freiheit bewahren“. Vor allem der zweite Teil gerät bei Vorhaben der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung schnell aus dem Blick: „Bei allem Verständnis für den Schutz der Inneren Sicherheit und die Verfolgung schwerer Straftaten: Zwischen Sicherheit und Freiheit muss eine Balance bestehen. Insbesondere müssen die eingesetzten Mittel auch tatsächlich effektiv sein – und nicht zulasten der Freiheitsrechte aller einen Mehrwert nur symbolpolitisch suggerieren“, betont DAV Präsident Stefan von Raumer. Absolute Sicherheit könne es nie geben. Massenhafte, anlasslose Eingriffe in die Grundrechte der Gesamtbevölkerung müssen daher vermieden werden.

DAV lehnt IP-Adressenspeicherung ab

Der DAV hatte die Pläne der letzten Bundesregierung für eine anlassbezogene Quick-Freeze-Lösung als hinnehmbaren Kompromiss bewertet. Die im aktuellen Koalitionsvertrag geforderte 3-monatige IP-Adressdatenspeicherung samt Portnummer ist hingegen abzulehnen. „Eine anlasslose IP-Adressenspeicherung betrifft die Rechte aller Bürgerinnen und Bürger – während kriminelle Nutzer vielfältige Möglichkeiten haben, ihre Identität zu verschleiern“, warnt von Raumer.

Auch auf EU-Ebene ist ein neuer Anlauf für eine Vorratsdatenspeicherung geplant – ungeachtet zahlreicher Tadel des EuGH. Die EU-Kommission führt gerade aktuell eine Sondierung für mögliche neue Maßnahmen durch.

Wo bleibt die Überwachungsgesamtrechnung?

In den nächsten vier Jahren ist mit einer erheblichen Ausweitung an Überwachungs- und Ermittlungsbefugnissen zu rechnen. Neben der IP-Adressenspeicherung stehen Staatstrojaner und biometrischer Abgleich von Bildern auf der Agenda der Koalition. Umso besorgniserregender ist, dass die Überwachungsgesamtrechnung nicht mehr geplant ist. Angesichts der anstehenden Grundrechtseingriffe wäre deren Fortsetzung und Überführung in den Gesetzgebungsprozess als Korrektiv dringend erforderlich.

Bundesregierung muss bei Chatkontrolle hart bleiben

Seit drei Jahren existiert ein Entwurf der EU-Kommission für eine permanente Chatkontrolle-Verordnung. „Aktuell gibt es noch eine Sperrminorität im Rat, sodass das Projekt derzeit auf Eis liegt. Wir hoffen sehr, dass die neue Bundesregierung hier standhaft bleibt“, erläutert der DAV-Präsident.

Der DAV lehnt die Verordnung in weiten Teilen ab. Ob E-Mails, Messenger-Dienste oder Chats: Das verdachtsunabhängige, automatisierte Durchleuchten der gesamten Online-Kommunikation innerhalb der EU ist ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Freiheitsrechte von Millionen Bürgerinnen und Bürgern. „Es besteht nicht nur eine immense Fehlerquote. Verschlüsselungstechnologien sollen auch systematisch geschwächt oder umgangen werden, was erhebliche Sicherheits- und Missbrauchsrisiken mit sich bringt. Hinzu kommt die große Gefahr für das anwaltliche Berufsgeheimnis. Die Vertraulichkeit der Kommunikation und der Schutz des Mandatsgeheimnisses sind im Rechtsstaat unabdingbar“, betont der Rechtsanwalt.

Anwaltschaft als Garantin für Freiheitsrechte

Gerade in der zunehmend digitalen Welt sind Privatsphäre und Anonymität ein hohes Gut. Auch wenn Stichworte wie Terrorabwehr oder Kinderpornografie fallen, dürfen die Gefahren durch Ermittlungstechnologie für die große Mehrheit der Bevölkerung nicht verschleiert werden – sei es durch Falsch-Positiv-Treffer, sei es durch den Zugriff Krimineller auf Ermittlungszwecken dienende technische Lücken.

„Als Anwaltschaft verstehen wir uns als Garantin für die Verteidigung und Durchsetzung von Freiheitsrechten. Wir werden solche Vorhaben daher sowohl auf nationaler als auch europäischer Ebene weiterhin kritisch begleiten“, verspricht von Raumer. „Und mit Blick auf viele besorgniserregende politische Entwicklungen in der Welt muss man leider auch im Hinterkopf haben: Richte nur solche Instrumente ein, die du auch einer autoritären Regierung anvertrauen würdest.“

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher AnwaltVerein e.V. (DAV), Littenstr. 11, 10179 Berlin, Telefon: 030 7261520

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