Gesundheitspolitische Veranstaltung von MedInform in Berlin: Staatssekretär Schröder erwartet Konsens mit der Union nach den Landtagswahlen / Gesundheitsreform-Eckpunkte bis Ende Januar
(Berlin) - Der Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, Dr. Klaus Theo Schröder, erwartet nach den Landtagswahlen am 2. Februar 2003 bessere Chancen für einen Konsens mit der Union beim zustimmungspflichtigen Teil des Beitragssicherungsgesetzes. Bei der Deckelung der Verwaltungsausgaben der Krankenkassen und der Verlängerung der Teilnahmefrist für Kliniken am DRG-Optionsjahr 2003 sieht er gemeinsame Positionen mit der Opposition in den dann anstehenden Verhandlungen im Vermittlungsausschuss. Das sagte Schröder auf der MedInform-Konferenz Gesundheitspolitik nach der Bundestagswahl in Berlin.
Die Eckpunkte der Gesundheitsreform sollen bis Ende Januar 2003 stehen. Der Referentenentwurf soll bis Ostern vorgelegt werden, damit das Gesetz Anfang 2004 in Kraft treten kann, so Schröder. Im Mittelpunkt der Reform stehe, Effizienzreserven zu heben und die Qualität im Gesundheitssystem zu steigern. Erst dann solle über die Einnahmenseite geredet werden. Prof. Dr. Jürgen Wasem, Gesundheitsökonom von der Universität Greifswald, forderte die Politik auf, mutiger zu ein. Das gelte auch für die Ministerin, die mit dem von ihm mitinitiierten Papier der Friedrich-Ebert-Stiftung erst zur Jagd getragen werden musste. Wasem plädierte für eine solidarische Wettbewerbsordnung, also mehr Wettbewerb um Qualität und Wirtschaftlichkeit, sowie für eine Aufhebung der sektoralen Grenzen im Gesundheitssystem.
BVMed-Geschäftsführer Joachim M. Schmitt forderte in seiner Einführungsrede eine stärkere Beteiligung der Medizinprodukteindustrie an den Entscheidungsprozessen, insbesondere an den Verfahren der Bundesausschüsse. Staatssekretär Schröder teilte die Kritik an der Intransparenz der Verfahren. Die Bundesausschüsse hätten hier in der Vergangenheit taktische Fehler gemacht. Beim Koordinierungsausschuss könne die Performance erheblich besser sein, so Schröder. Für das neue Deutsche Zentrum für Qualität in der Medizin kündigte er eine sehr transparente Arbeitsweise an. Alle Beteiligten sollten eingebunden, Zwischengutachten veröffentlicht und die Abschlusssitzung öffentlich abgehalten werden.
BVMed-Geschäftsführer Joachim M. Schmitt stellte die Herausforderungen an das Gesundheitssystem durch medizintechnischen Fortschritt, höhere Lebenserwartung, immer mehr hochbetagte Menschen und erweiterten Gesundheitsbegriff dar. Die enormen Leistungs- und Mengensteigerungen im Bereich der Medizinprodukte sollten nicht als Bedrohung angesehen werden, sondern unter dem Aspekt: gesünder, besser und länger leben!. Der Wunsch der Industrie sei, dass die Wertigkeit von Medizintechnologien und ihre Besonderheiten stärker anerkannt werden. Die Medizinprodukteindustrie sei eine hochinnovative Branche. Die Frage sei aber, wie man den medizintechnischen Fortschritt künftig bezahlen solle. In einem solidarischen System könne man jedenfalls bei begrenzten Mitteln nicht mehr unbegrenzte Leistungen versprechen. Deshalb sollten optionale Finanzierungsmodelle eingeführt werden.
Staatssekretär Dr. Klaus Theo Schröder würdigte zu Beginn seiner Rede die Leistungen und Innovationskraft der Medizinprodukteindustrie. Klar sei aber auch, dass die Innovationen jeweils den Patienten nützen müssten. Als Grundsatz für die Gesundheitsreform bezeichnete er es, dass erst dann über die Einnahmenseite geredet werde, wenn auf der Leistungs- bzw. Ausgabenseite die Effizienzreserven gehoben seien. Das Vorschaltgesetz solle zunächst kurzfristig die Finanzgrundlagen der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sichern. Nächstes Jahr komme die strukturelle Reform mit den Schwerpunkten Qualität und Effizienz. In einem dritten Schritt gehe es in der Rürup-Kommission um die Weiterentwicklung der Sozialversicherungssysteme. Klar sei, dass die Bundesregierung an der solidarischen Finanzierung festhalten werde. Man halte am Anspruch auf die medizinisch notwendigen Leistungen fest, wolle aber mehr Flexibilität und Wettbewerb bei der Vertragsgestaltung. Eine Modernisierung der Rahmenbedingungen sei auf allen Ebenen erforderlich, so Schröder. Die vertraglichen Freiräume in der ambulanten Versorgung müssten vergrößert, Gesundheitszentren und integrierte Versorgungsansätze verstärkt eingeführt werden. Außerdem wolle man mehr Transparenz und die Stärkung der Patientenrechte.
Der Gesundheitsökonom und Politikberater Prof. Dr. Jürgen Wasem stellte sein Konzept der solidarischen Wettbewerbsordnung vor. Um mehr Vertragswettbewerb im System einzuführen, müssten Krankenkassen im Wettbewerb um preis- und qualitätsbewusste Versicherte stehen und über hinreichende Gestaltungsspielräume im Einkauf von Gesundheitsleistungen verfügen. Leistungserbringer müssten im Wettbewerb um Verträge mit den Krankenkassen stehen. Der Vertragswettbewerb könne aber nur zu mehr Qualität und Wirtschaftlichkeit führen, wenn die Vertragspartner die sektoralen Grenzen überwinden können. Das beinhalte Veränderungen bei den sektoralen Budgets, den Bundesausschüssen sowie der sektoralen Bedarfsplanung und Zulassung. Die sektoralen Budgets müssen zurückgeführt werden, forderte Wasem.
Dr. Rolf Hoberg, stellvertretender Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes, bezeichnete das Beitragssicherungsgesetz als einen richtigen Schritt, um den Druck auf die Beitragssätze zu mindern. Eine strukturelle Reform müsse nun die Versorgungsqualität und die Wirtschaftlichkeit des Gesundheitssystems erhöhen. Deshalb müsse der Vertragswettbewerb konsequent eingeführt werden. Der Gesetzgeber sollte die Verpflichtung zum gemeinsamen, einheitlichen Vorgehen der Kassen dort aufheben, wo der Wettbewerb eine Qualitätssteigerung und eine verbesserte Wirtschaftlichkeit verspricht. Die Möglichkeit von Einzelverträgen wird deshalb begrüßt, so Hoberg. Wichtig sei auch, Fehlanreize zu beseitigen, die zum bisherigen Scheitern der integrierten Versorgung beigetragen haben. Behandlungsabläufe müssten besser koordiniert werden. Wünschenswert sei ein Konsens unter den großen Volksparteien bei der Gesundheitsreform.
Dr. Rainer Hess, Geschäftsführer der Kassenärztlichen Bundesvereingung (KBV), bezeichnete die Nullrunde als einen großen Fehler der Politik. Seit 1993 befinde man sich unter einer Budgetierung. Jetzt sind wir in der vierten Verlängerung einer Übergangsmaßnahme. Lösungen im Dialog sind damit verhindert. Der angedrohte Dienst nach Vorschrift der Ärzte bedeute: Wenn das Geld begrenzt wird, muss auch die Leistung begrenzt werden. Große Probleme sieht Hess vor allem bei der Fachärzteschaft. Das Handlungskonzept der KBV sieht u. a. eine Verbreitung der Finanzgrundlage, die Abgrenzung von Solidar- und Individualleistungen, eine Vergütung zu festen Preisen und die Vereinheitlichung der ambulanten und stationären Vergütungsstrukturen vor.
Der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Jörg Robbers, machte deutlich, dass die DRG-Einführung nicht nur die Krankenhauslandschaft, sondern das gesamte Versorgungs- und Patientenverständnis verändere. Bis 1. November 2002 hätten sich 530 Kliniken zum DRG-Optionsjahr 2003 angemeldet. Bei einer Nachfrist rechnet er mit weiteren 1.000 Krankenhäusern. Die Frage sei, wer die Millioneninvestition in die Vorbereitungen auf das DRG-System bezahle. Eine Steigerungsrate von 0,81 Prozent sei da weit weniger als ein Tropfen auf dem heißen Stein, so Robbers. Als Folgen des DRG-Systems nannte er: Konzentration von Krankenhäusern, Schwerpunktbildung, Kooperationen, Bildung von Zentren, Bindung von Fachärzten an das Krankenhaus im Zuge der Spezialisierung der Häuser. Robbers: Das ganze Gesetz ist auf Spezialisierung getrimmt! Außerdem leite das DRG-System den Fall der Mauer zwischen stationärem und ambulantem Sektor ein.
In seinem Schlusswort zur MedInform-Konferenz sagte Alwin Ziel, Landtagsabgeordneter und ehemaliger brandenburgischer Gesundheitsminister, die Politik müsse bei der Gesundheitspolitik in der Lage sein, aufeinander zuzugehen. Denn bestimmte Probleme seien nur im Konsens zu lösen. Insofern sei das restriktive Vorgehen der Bundesregierung zu Beginn einer Legislaturperiode in keiner Weise geeignet gewesen, Vertrauen zu schaffen und den Dialog zu fördern. Die Vorschaltgesetze würden die strukturellen Probleme im Gesundheitswesen nicht lösen. Die Einsetzung von Kommissionen und Runden Tischen könne die Aufgaben, die die Politik zu leisten habe, nicht ersetzen. Im Mittelpunkt der Reformdiskussionen müssten immer wieder die Dienstleistungen am Patienten stehen. Die Probleme sind bekannt, jetzt muss gehandelt werden, so Ziel abschließend.
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