Pressemitteilung | Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW)

GEW zum Positionspapier des Wissenschaftsrats zu Personalstrukturen

(Frankfurt am Main) - Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) hat das heute veröffentlichte Positionspapier des Wissenschaftsrats „Personalstrukturen für das Wissenschaftssystem“ begrüßt und Bund und Länder, Hochschulen und Forschungseinrichtungen aufgefordert, die überfällige Reform konsequent in Angriff zu nehmen, um Dauerstellen für Daueraufgaben, verlässliche Karrierewege und gleiche Chancen für alle in der Wissenschaft durchzusetzen.

„Jetzt gibt es keine Ausreden mehr, der Bund muss das Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) auf den Prüfstand stellen, die Länder müssen ihre Hochschulgesetze reformieren, Hochschulen und Forschungseinrichtungen müssen Dauerstellenkonzepte ausarbeiten und umsetzen“, sagte Andreas Keller, GEW-Vorstandsmitglied für Hochschule und Forschung.

„Eine im internationalen Vergleich extrem hohe Befristungsquote, damit verbunden eine besonders große Unsicherheit der Beschäftigten, mangelnde Vereinbarkeit von Beruf und Familie, eine einseitige Ausrichtung akademischer Karrierewege auf die Professur – der Wissenschaftsrat hat schonungslos die Schwächen des deutschen Wissenschaftssystems offengelegt,“ erklärte Keller. Damit werde die jahrelange Kritik der GEW vom offiziellen Bund-Länder-Beratungsgremium aufgegriffen und bestätigt – „Rückenwind für unsere Kampagne für Dauerstellen in der Wissenschaft“, so der Hochschulexperte der Bildungsgewerkschaft.

Der Wissenschaftsrat habe „im Ansatz richtige“ Schlussfolgerungen für eine Reform der Personalstruktur in der Wissenschaft formuliert, stellte Keller fest. Der Rat plädiere für eine klare Unterscheidung von Daueraufgaben und Qualifizierungsaufgaben und spreche sich für Dauerstellen für Daueraufgaben aus, so Keller weiter. Auch neben der Professur müsse es ausreichend unbefristete, attraktive Positionen geben. Dem überkommenen Lehrstuhlprinzip erteilt der Rat eine klare Absage und empfiehlt die Einführung von Departments, in denen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit und ohne Professur auf Augenhöhe zusammenarbeiten. Die konsequente Förderung der Gleichstellung der Geschlechter sowie die Berücksichtigung von Diversitätsdimensionen benennt er als zentrale Voraussetzungen einer Personalstrukturreform. Sogar für drittmittelfinanzierte Stellen fordert der Wissenschaftsrat deutlich mehr unbefristete Beschäftigungsverhältnisse. „Der Rat bestätigt in vielen Punkten unsere Reformvorschläge. Das ist Wasser auf die Mühlen der GEW-Reformprogramme“, erklärte das GEW-Vorstandsmitglied.

Mehr Mut hätte sich Keller bei der Formulierung der Empfehlungen für die Neuordnung der Postdoc-Phase gewünscht. Zwar kritisiere der Wissenschaftsrat die „ausufernde Verwendung“ der Qualifizierungsbefristung und die „Verlängerung“ der Postdoc-Phase und spreche sich für eine in der Regel unbefristete Beschäftigung nach zwei bis maximal drei Jahren aus. „Das ist ein Fortschritt gegenüber der Debatte um die gescheiterte WissZeitVG-Reform in der letzten Wahlperiode, in der entsprechende Vorschläge aus der SPD von der damaligen FDP-Forschungsministerin abgeblockt worden waren“, erkannte Keller an. Aus Sicht der GEW dürfe es aber für promovierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler überhaupt keine Qualifizierungsbefristung geben. „Wir brauchen Dauerstellen für Postdocs!“ forderte Keller. Das folge zwingend aus dem Europäischen Qualifikationsrahmen, dessen höchste Kompetenzstufe dir Promotion sei, worauf der Wissenschaftsrat selbst hinweise.

Enttäuscht zeigte sich der GEW-Hochschulexperte mit den Überlegungen des Wissenschaftsrats zur Umsetzung der Personalstrukturreform. Der Rat setze vor allem auf die Hochschulen und Forschungseinrichtungen, Bund und Ländern schreibe er nur eine „initiierende“ und „moderierende“ Rolle zu. „Auch wenn sich viele Wissenschaftseinrichtungen nicht zuletzt unter dem Druck von Beschäftigtenbewegungen vor Ort und auf Initiative von Personalvertretungen bewegen – viele Leitungen von Hochschulen und Forschungsinstitute sitzen die Appelle aus Politik und Wissenschaftsorganisationen, Initiativen und Gewerkschaften seit Jahrzehnten aus. Bund und Länder müssen daher über das Arbeits- und Hochschulrecht verbindliche Vorgaben machen und diese mit einem Ausbau der Grundfinanzierung von Hochschulen und Forschungseinrichtungen flankieren“, mahnte Keller. Die GEW sei bereit, sich auch ihrer Verantwortung als Tarifpartnerin in zu stellen, Voraussetzung dafür sei aber die „Wiederherstellung der Tarifautonomie in der Wissenschaft“, die derzeit durch die Tarifsperre im WissZeitVG massiv eingeschränkt sei. „Geben Sie endlich Tariffreiheit, Frau Ministerin Bär,“ forderte Keller abschließend von der Bundesforschungsministerin mit Blick auf die für 2026 angekündigte Gesetzesnovellierung.

Quelle und Kontaktadresse:
Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Ulf Roedde, Pressesprecher(in), Reifenberger Str. 21, 60489 Frankfurt am Main, Telefon: 069 78973-0

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