Gewerbesteuer reißt strauchelnde Unternehmen in den Abgrund - selbst Kleinbetriebe sind davon betroffen
(München) - Mit der Unternehmenssteuerreform des Vorjahres ging eine Reform der weltweit einmaligen Gewerbesteuer einher. Ziel der Großen Koalition war eine weitgehend konjunkturunabhängige Stabilisierung der Gewerbesteuereinnahmen. Für die Unternehmen bedeutet dies, dass sie im schlimmsten Fall auch auf Verluste Gewerbesteuer zahlen müssen. "In der Krise droht die Gewerbesteuer strauchelnde Unternehmen in den Abgrund zu reißen. 61 Prozent aller kleinen und mittleren Unternehmen in Bayern sehen in ihr eine echte Gefahr", stellt BDS Präsident Professor Fritz Wickenhäuser anlässlich einer Mitgliederumfrage fest, an der sich über 1.000 Unternehmen und Selbständige aus allen Regionen und Branchen des Freistaates beteiligt haben.
Mehr Unternehmen sollen nach dem Wunsch der Städte und Gemeinden regelmäßig Gewerbesteuer zahlen. Daher hat die Bundesregierung im letzten Jahr den Betriebsausgabenabzug der Gewerbesteuerschuld auf anderweitig zu versteuerndes Einkommen abgeschafft, Fremdkapitalfinanzierungskosten mit einem jährlichen Freibetrag von 100.000 Euro in die steuerliche Bemessungsgrundlage aufgenommen und den bis dahin gültigen Staffeltarif des Gewerbesteuermessbetragssatzes durch einen Einheitssatz von 3,5 Prozent ersetzt. Unverändert bleibt der Gewerbesteuerfreibetrag von jährlich 24.500 Euro. Auf das 3,8-fache erhöht wurde die Anrechnung des Gewerbesteuermessbetrags auf die Einkommensteuer von Einzel- und Personengesellschaften. Wickenhäuser: "Die Summe dieser Maßnahmen kann sich selbst bei einem unveränderten Gewerbesteuerhebesatz negativ auswirken - auch wenn das viele Kommunalpolitiker nicht wahrhaben wollen. Die Zahl der Gewerbesteuerzahler steigt absolut ebenso an, wie die von diesen zu zahlende Gewerbesteuer."
Die Umfrage zeigt: die Gewerbesteuer ist zu einem Thema für alle Unternehmensformen, -größen und Branchen geworden. 55 Prozent aller Einzelfirmen, 67 Prozent aller Personen- und 71 Prozent aller Kapitalgesellschaften fürchten den mit der Gewerbesteuer verbundenen Liquiditäts- und Kapitalentzug. Bei der Unternehmensgröße zeichnet sich ein ähnlicher Trend ab. Bereits 53 Prozent aller Kleinbetriebe mit weniger als zehn Mitarbeitern sehen in der Gewerbesteuer ein Problem. Diese Sorge steigt mit der Unternehmensgröße stetig an, auf fast 82 Prozent bei mittelständischen Betrieben mit mehr als 50 Mitarbeitern. Die Branche, die nach eigenem Bekunden am meisten unter der Gewerbesteuer zu leiden hat ist der Tourismus / die Gastronomie mit 75 Prozent, gefolgt vom Handwerk / Bau (72 Prozent), dem Handel (63 Prozent) und der Industrie (61 Prozent). Die geringste Angst vor der Gewerbesteuer hat man im Dienstleistungssektor (47 Prozent).
Wickenhäuser: "Die Sorgen der Tourismusbranche sind absolut verständlich, denn hinter dem Begriff der Fremdkapitalfinanzierungskosten verbergen sich unter anderem die selbst gezahlten Mieten, Pachten und Franchisegebühren. Auf diese unvermeidbaren Kosten müssen die Hotels oder Restaurants nun Gewerbesteuer zahlen. Der Freibetrag wird besonders größeren Tourismusbetrieben in attraktiven Lagen nicht ausreichen, mit der Folge, dass sie Gewerbesteuer zahlen müssen. Selbst bei Verlusten."
Warum sich Kleinbetriebe von der Gewerbesteuer bedroht sehen, begründet sich trotz des unveränderten Gewerbesteuerfreibetrags und den verbesserten Anrechnungsmöglichkeiten auf die Einkommenssteuer zum einen durch den Wegfall des Betriebsausgabenabzugs, der u.a. die Einkommenssteuerschuld nach oben treibt und zum anderen durch den nun einheitlichen Gewerbesteuermessbetragssatz, mit dem die Summe aus Gewinn und Fremdkapitalfinanzierungskosten multipliziert wird. "Vom bisherigen Staffeltarif profitierten kleine Betriebe. Dieser Steuervorteil ist nun dahin", erläutert Wickenhäuser.
Zwar profitieren die größeren Mittelständler vom einheitlichen Gewerbesteuermessbetragssatz, doch zu den Gewinnern der Reform zählen sie dennoch nicht - besonders wenn sie Körperschaftssteuer zu zahlen haben. So können Kapitalgesellschaften weder den Gewerbesteuerfreibetrag für sich in Anspruch nehmen, noch haben sie die Möglichkeit ihre Gewerbesteuerschuld mit ihrer Körperschaftssteuer zu verrechnen. Rechnet man noch die bei größeren Mittelständlern oftmals höheren Fremdkapitalfinanzierungskosten hinzu, dann ergibt sich auch für sie eine schwierige Situation.
Die Geschäftserwartungen des bayerischen Mittelstands haben sich in diesem Winter spürbar verschlechtert. Der Geschäftserwartungsindex des BDS Bayern ist so schlecht wie noch nie seit dessen Einführung im Sommer 2005. Mit negativen Folgen für den Arbeits- und Ausbildungsmarkt. Die Gewerbesteuer wird so zu einem heißen Eisen der politischen Diskussion.
Wickenhäuser: "Der Bund und die Kommunen entscheiden über die tatsächliche Höhe der Gewerbesteuer. Beide müssen nun schnell handeln." Der BDS Bayern fordert daher von den Kommunen, für konjunkturgerechte Gewerbesteuerhebesätze zu sorgen. Sowohl die Größe als auch die Branchenstruktur des örtlichen Gewerbes und damit dessen Kosten- und Ertragslage sind entscheidende Elemente einer verantwortungsbewussten Gewerbesteuerpolitik. Daneben ist es am Bundesgesetzgeber, die substanzbesteuernden Elemente der Gewerbesteuer zu entschärfen. Wickenhäuser abschließend: "Das ursprüngliche Wesen der Gewerbesteuer als eine Ertragssteuer nach dem Äquivalenzprinzip muss wieder in den Mittelpunkt gestellt werden. Kosten oder gar Verluste dürfen unter keinen Umständen besteuert werden, denn sonst droht das Band zwischen der mittelständischen Wirtschaft und den Kommunen zu reißen, das seit Jahrzehnten der stabilisierende Faktor kommunaler Wirtschaftsentwicklung war. Jeder Kommunalpolitiker, der in der jetzigen Situation über einen höheren Gewerbesteuerhebesatz nachdenkt, muss wissen, dass er mit dem Feuer spielt."
Zur Umfrage:
Von Mitte Dezember 2008 bis Mitte Januar 2009 haben sich über 1.000 Mitgliedsunternehmen des BDS Bayern an der Umfrage beteiligt. Die teilnehmenden Betriebe beschäftigten durchschnittlich 15 Mitarbeiter. Rund 80 Prozent sind Einzel- und Personengesellschaften, 20 Prozent Kapitalgesellschaften. 38 Prozent kommen aus dem Dienstleistungssektor, 34 Prozent aus dem Handwerk bzw. der Bauwirtschaft, 18 Prozent aus dem Handel und je fünf Prozent aus der Industrie bzw. dem Tourismus. Die wissenschaftliche Leitung der Umfrage hat Professor Karlheinz Zwerenz von der Hochschule München.
Zur Berechnung der Gewerbesteuer:
Gewinn (gem. Einkommens- oder Körperschaftssteuergesetz)
+/- Fremdkapitalfinanzierungskosten (Freibetrag 100.000 Euro) / Kürzungen
- Gewerbesteuerfreibetrag (24.500 Euro, nicht für Kapitalgesellschaften)
* Gewerbesteuermessbetragssatz (3,5 Prozent)
= Gewerbesteuermessbetrag
* Gewerbesteuerhebesatz (aktuell bis 490 Prozent in München)
= zu zahlende Gewerbesteuer.
Quelle und Kontaktadresse:
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