Gorleben ist überall! / LandFrauen fordern bessere Ressourcenbewirtschaftung / Bioenergie als Teil eines Energie-Mixes
(Berlin) - Gorleben ist überall! stellte die Präsidentin des Deutschen LandFrauenverbandes (dlv) Brigitte Scherb nach der Klausurtagung des dlv-Bundesvorstandes zum Thema Wie verändert die Energieproduktion ländliche Räume? Das Beispiel Gorleben/Wendland am 31. August 2007 in Lüneburg fest. Gorleben sei zwar durchaus ein Beispiel dafür, dass eine Region durch eine bestimmte Tatsache, hier der geplante Standort für ein Brennelemente-Lager und damit auch Zentrum des Anti-Atomkraft-Protestes in Deutschland, bekannt werde. Aber die Gesellschaft darf eine Region mit einem solchen Problem nicht alleine lassen und schon gar nicht stigmatisieren.
Eine anerkannte gesellschaftliche Gruppierung wie die LandFrauen kann im Rahmen ihrer Möglichkeiten Einfluss nehmen auf eine derart einseitige Darstellung einer Region durch die Medien. Der Bundesvorstand des dlv hatte sich in Lüneburg erstmals in seiner Klausurtagung mit einem Thema beschäftigt, das sich aus der Region ergeben hat. Gorleben ist kein Einzelfall: Wenn ein besonderes Merkmal der Region das mediale Interesse erweckt, dann läuft die gesamte Region Gefahr, daran gemessen zu werden.
Der Deutsche LandFrauenverband hatte Vertreter aller vor Ort Beteiligten eingeladen, ein kurzes Statement aus ihrer Sicht zu halten und am Nachmittag in einer Podiumsdiskussion mittel- und langfristige Strategien unter der Moderation von Rosa Legatis, NDR, zu erörtern:
Vor der Klausurtagung hatte der Ministerpräsident von Niedersachsen Christian Wulff vor den LandFrauen bereits die Forderung aufgestellt, dass die Bundesregierung endlich wieder die Genehmigung erteilt, die Erkundung in Gorleben, ob sich der dortige Salzstock als Endlager für stark radioaktiv verseuchte Stoffe eignet, fortzusetzen. Diese war im Jahr 2000 ausgesetzt worden. Erst wenn diese Erkundung ein Ergebnis gebracht hat, ob geeignet oder nicht geeignet, können auch andere Regionen in der Welt aufgefordert werden, eine solche Erkundung, die sich über viele Jahre erstreckt, zu beginnen.
Darin wurde er von Jürgen Auer, dem Pressesprecher der Gesellschaft für Nuklearservice mbH bestätigt. Wenn die Erkundungen endlich weiterlaufen würden, könnte allerdings frühestens im Jahr 2025 mit einer Genehmigung und damit mit einer abschließenden Positionierung der Kastor-Behälter begonnen werden. Auer machte noch einmal deutlich, dass im Jahr 1979 die Beschlüsse zur Erkundung von Gorleben und für das Zwischenlager im Kreistag mit großer Mehrheit gefasst worden waren.
Marianne Fritzen, die Vorsitzende der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg, erinnerte dagegen an Proteste der Bevölkerung, die bereits im März 1977 begonnen hatten. Sie betonte in ihrem Vortrag die Vorreiterrolle, die die Bürgerinitiative für eine Hinwendung des Landkreises zu einer ökologischen Umstrukturierung gehabt habe. Der Anteil ökologisch bewirtschafteter Höfe sei überdurchschnittlich hoch, einkommenswirksame Kombinationen wie Landtourismus oder Direktvermarktung sehr häufig anzutreffen. Auch die ´kulturelle Landpartie´, eine weitere Initiative in diesem Bereich, sei nach wie vor ein touristischer Magnet.
Der Landrat des Kreises Lüchow-Dannenberg Jochen Schulz ging in seinen Ausführungen auf die spürbaren gesellschaftlichen Auswirkungen ein. Die Entscheidung, Gorleben als Standort für ein Brennelemente-Lager zu erkunden, habe nach anfänglicher Zustimmung den kommunalen Grundkonsens in der Region zerstört. Es gäbe kein gutes demokratisches Miteinander mehr in der Kommunalpolitik.
Auch die wirtschaftlichen Auswirkungen sind einschneidend, wie der Landrat betonte. Die ökologisch ausgerichtete Landwirtschaft sei bereits in den 80er Jahren auf einen Anteil von ca. 10 Prozent im Landkreis Lüchow-Dannenberg angestiegen, während dieser Anteil in Deutschland damals bei 1-2 Prozent lag. Die Direktvermarktung von landwirtschaftlichen Erzeugnissen und die Erzeugung von Bioenergie seien ebenfalls deutlich höher als in anderen Regionen des Landes.
Die Vorsitzende des KreislandFrauenverbandes Lüchow-Dannenberg Karin Meyer-Kirstein schilderte in eindrucksvoller Weise, wie sich die LandFrauen, als die Entscheidung 1979 anstand, um eine sehr intensive und objektive Information bemüht haben, sich mit dem damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Albrecht persönlich getroffen und die zuständige Wirtschaftsministerin Birgit Breuel zu sich eingeladen haben. Auch der NLV-Landesvorstand hat zur Gorleben-Problematik im Landkreis selbst getagt. Nachdem jedoch die Entscheidung feststand, haben die LandFrauen sich an keiner offenen Aktion pro oder contra mehr als Verband beteiligt. Im Gegenteil, sie waren bemüht, ihre gesellschaftlichen Aufgaben bewusst auf allen Feldern weiter wahrzunehmen und sich nicht einseitig an einer Stigmatisierung der Region zu beteiligen.
Der Vorsitzende des Landvolkes Niedersachsen Werner Hilse sieht den Standort Gorleben aus Sicht der Landwirtschaft kritisch, weil im Falle eines Unfalls die landwirtschaftlichen Produkte aus der Region nie mehr zu vermarkten wären. Andererseits ist für ihn noch keine absolute Alternative zur Kernenergie vorhanden. Selbst wenn die gesamte landwirtschaftliche Nutzfläche für die Erzeugung von Bioenergie genutzt würde, könnte damit nur 7 Prozent des Energiebedarfes gedeckt werden.
Nach einer lebhaften Podiumsdiskussion stand für die Mitglieder des Bundesvorstandes fest, dass die Gorleben-Problematik eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe darstellt. Die Verantwortung für das, was in Gorleben geschieht und künftig geschehen muss, müssen alle übernehmen. Das Problem an sich muss mit Fachverstand und ohne ideologischen Eifer angegangen werden. Vordringlich ist dafür, dass die Erkundung wieder aufgenommen und abgeschlossen wird. Dann müssen sachliche Entscheidungen getroffen werden, die von einer zuverlässigen Politik auch eingehalten werden müssen.
Abschließend fasste die erste dlv-Vizepräsidentin Hannelore Wörz die Ergebnisse der Klausurtagung zusammen: Der Bundesvorstand ist sich darüber einig, dass die Energiepolitik ein grundsätzliches Thema der Politik in Deutschland werden muss. Die Bioenergie allein kann keine Alternative zur Kernenergie sein. Langfristig gesehen kann erst ein Energiemix, zu dem unter anderem auch in der Landwirtschaft erzeugte Bioenergie gehört, die Erzeugung von Kernenergie in Deutschland überflüssig machen. Dazu muss es grundsätzlich zu einer besseren Ressourcenbewirtschaftung kommen. Sie kündigte an, dass der Deutsche LandFrauenverband das Thema fortführen wird in den Ausschusssitzungen im Herbst 2007 und Februar 2008, sowie beim Bäuerinnenforum anlässlich der Internationalen Grünen Woche 2008 in Berlin. Dann wird das Thema sein Mit Erneuerbaren Energien den Klimawandel stoppen? Die Rolle der Landwirtschaft für die Energieversorgung in der Zukunft.
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