Gutachten: Staat muss Kosten der Telefonüberwachung tragen / Aktuelle Anhörung im Bundestag zum Telekommunikationsgesetz / Überzogene Vorschriften entmündigen Telefonkunden / Branche fürchtet Mehrbelastungen von über 350 Millionen Euro
(Berlin) - Der Staat muss Telekommunikationsunternehmen alle Kosten ersetzen, die bei der gesetzlich vorgeschriebenen Hilfe für die Telefonüberwachung anfallen. Zu diesem Ergebnis kommt ein Rechtsgutachten von Prof. Dr. Matthias Schmidt-Preuß, das im Auftrag des BITKOM erstellt wurde. "Damit ist verfassungsrechtlich belegt, was ohnehin eine Selbstverständlichkeit sein sollte: dass der Staat die Kosten für die Strafverfolgung trägt", sagt Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. BITKOM stellt die Expertise im Rahmen einer Anhörung im Deutschen Bundestag am 12. Mai vor. Rohleder: "Die ITK-Branche unterstützt die Behörden gerne bei der Aufklärung von Straftaten, aber nicht auf eigene Kosten."
Laut Gesetz müssen die TK-Unternehmen den Ermittlern ermöglichen, beim Verdacht auf bestimmte Straftaten Telefonate mitzuhören und E-Mails mitzulesen. Zudem sind sie unter Umständen verpflichtet, die Polizei über Anschlussinhaber, Gespräche und Internetverbindungen zu informieren. Dafür fallen in der Branche Investitions- und Betriebskosten im hohen dreistelligen Millionenbereich an. Laut Gutachten greift der Staat dabei unzulässig in die verfassungsrechtlich geschützte Eigentums- und Berufsfreiheit der Unternehmen ein - sofern er den Unternehmen nicht die Kosten voll ersetzt. Denn Straftaten aufzuklären, ist eine originär staatliche Aufgabe.
Die Regierungsfraktionen haben dieses Problem erkannt und einen Änderungsantrag eingebracht, wonach die Unternehmen für die Telekommunikationsüberwachung immerhin teilweise entschädigt werden sollen. "Die Entschädigungsregelung ist ein überfälliger Schritt in die richtige Richtung. Das Konzept ist im Grundsatz gelungen und praktikabel", lobt Rohleder. "Jedoch sind die vorgesehenen Entschädigungssätze deutlich zu niedrig - dies zeigt das Gutachten."
Zusätzlich zu diesem Änderungsantrag berät der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit am 12. Mai über einen Gesetzentwurf, mit dem die Bundesregierung den Schutz von Telefonkunden erhöhen will. Zu den von der Regierung vorgesehenen Vorschriften äußert sich BITKOM kritisch. "Viele der vorgeschlagenen Maßnahmen sind nicht praktikabel, bevormunden die Telefonkunden und führen zu einer unnötigen Preiserhöhung im Telekommunikationsmarkt", kritisiert Rohleder. Sollte der Entwurf umgesetzt werden, erwartet BITKOM Kosten für die Branche in Höhe von 350 Millionen Euro allein im ersten Jahr.
Der Regierungsentwurf sieht etwa vor, dass Preise für ein Telefonat nicht nur deutlich in der Werbung angegeben, sondern direkt nach dem Wählen nochmals angesagt werden müssen. Das betrifft unter anderem alle Call-by-Call-Verbindungen, obwohl diese heute teilweise weniger als einen Cent pro Minute kosten. Auch der Bezug so genannter Premium-SMS, die zum Beispiel Börsennachrichten oder Stauinformationen aufs Handy liefern, wird komplizierter: Kosten sie einen Euro oder mehr, muss der Kunde erst eine Zwischen-SMS mit nochmaliger Preisangabe abwarten und diese bestätigen. Eine zusätzliche Warn-SMS soll fällig werden, wenn der Rechnungsbetrag bei Abonnements 20 Euro im Monat überschreitet. Damit werde der Kunde zu oft mit der Frage "Wollen Sie das wirklich?" belästigt, so Rohleder. "Hier schießt der paternalistische Staat weit über das Ziel hinaus."
Quelle und Kontaktadresse:
Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (BITKOM)
Marc Thylmann
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