Halbzeit der Großen Koalition: Viele Klimaversprechen, Versäumnisse vor allem in der Verkehrs- und Agrarpolitik
(Berlin) - Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat der Bundesregierung Versäumnisse in der Verkehrs- und Agrarpolitik vorgeworfen. In der ersten Hälfte ihrer Amtszeit habe die schwarz-rote Regierungskoalition zwar einige Fortschritte beim Klima- und Artenschutz erreicht. Auch sei es ihr gelungen, bei internationalen Gipfeltreffen einen Stillstand in den Klimaschutzverhandlungen abzuwenden. Zugleich unterstütze die Bundesregierung jedoch Pläne, 25 neue Kohlekraftwerke in Deutschland zu bauen. Kontraproduktiv sei auch der Versuch, die europäischen Autohersteller vor Umweltauflagen zu bewahren. Völlig unverständlich sei, dass die Bundesregierung den Flugverkehr beim Klimaschutz verschonen wolle und sich gegen ein Tempolimit auf Autobahnen sperre. Rückschritte im Umwelt- und Verbraucherschutz drohten außerdem durch eine verstärkte Förderung der Massentierhaltung und den Einsatz der Gentechnik in der Landwirtschaft. Heftig kritisierte der Umweltverband auch den Abbau von Beteiligungsrechten für Bürger und Verbände.
Die BUND-Vorsitzende Angelika Zahrnt warnte vor einem Stillstand in der zweiten Regierungshälfte: Es darf auf keinen Fall passieren, dass der beginnende Vorwahlkampf auf Kosten des Umwelt- und Klimaschutzes geht. Die Bundesregierung hat unerledigte Hausaufgaben in vielen Bereichen, ein Stillstand wäre buchstäblich tödlich für die Natur und würde das Klima weiter aus dem Gleichgewicht bringen. Die Energiesparbeschlüsse von Meseberg sind nur zum Teil umgesetzt, der Artenverlust ist noch lange nicht gestoppt und die gentechnikfreie Lebensmittelproduktion nicht gesichert. Der Verkehrssektor beteiligt sich überhaupt nicht am Klimaschutz und immer noch fehlt die schadstoffabhängige Kfz-Steuer.
Der BUND bescheinigte Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesumweltminister Sigmar Gabriel, bei internationalen Konferenzen wie dem G8-Gipfel von Heiligendamm ein Nachfolgeabkommen für das Kyoto-Klimaschutzprotokoll vorangebracht zu haben. Entsprechend hoch seien die Erwartungen an den Weltklimakipfel, der Anfang Dezember in Bali stattfinde. Gabriel wurde außerdem dafür gelobt, dass er sich klar gegen längere Laufzeiten für Atomkraftwerke ausgesprochen habe. Im Gegensatz dazu plädiere Merkel für Laufzeitverlängerungen der Atommeiler. Schlechte Noten erhielt Bundesagrarminister Horst Seehofer. Nachdem er sich mit Angriffen gegen den Ökolandbau hervorgetan habe, versuche er nun, mit einem geänderten Gentechnikgesetz eine riskante Technologie in der Landwirtschaft durchzusetzen. Seehofer gefährde damit nicht nur die Wahlfreiheit der Verbraucherinnen und Verbraucher sondern auch rund 150 000 Arbeitsplätze im Agrarbereich. Seehofer und Merkel hätten außerdem nicht verhindert, dass die Mittel für eine umweltverträgliche Landwirtschaft im EU-Etat gekürzt wurden.
Keinerlei Anstöße für mehr Umwelt- und Klimaschutz kämen bisher von Finanzminister Peer Steinbrück und Verkehrsminister Wolfgang Tiefensee. So wurde zwar die den Flächenverbrauch fördernde Eigenheimzulage abgeschafft und die zum Autopendeln animierende Entfernungspauschale gekürzt. Das klimaschädliche Dienstwagenprivileg und die Steuerbefreiung des Flugbenzins blieben jedoch unangetastet. Tiefensee setze die Fehler der Stolpe-Ära fort, pumpe Milliarden in fragwürdige Vorzeigeprojekte und vernachlässige eine Neuausrichtung der Verkehrs- und Ausgabenpolitik. Auch in der Auseinandersetzung mit der Autoindustrie müsse Tiefensee endlich deutliche Beiträge des Verkehrs zum Klimaschutz einfordern. Würden effizientere Autos gebaut, könnten bei den Pkw bis 2020 rund 40 Prozent der CO2-Emissionen eingespart werden.
Zahrnt: "Bundeskanzlerin Angela Merkel hat beim Thema Klimaschutz Erwartungen geweckt, die sie in den kommenden zwei Jahren noch zu erfüllen hat. Nach ihren Reden auf der internationalen Bühne muss sie nun die entsprechende Politik am Kabinettstisch durchsetzen. Erforderlich ist ein nationales Klimaschutzgesetz, das die jährliche Verringerung der Treibhausgase um drei Prozent festschreibt. Dabei muss jedes einzelne Ministerium den größtmöglichen Beitrag leisten. Nur so wird Deutschland auf dem Weg zu mehr Nachhaltigkeit entscheidend vorankommen."
Quelle und Kontaktadresse:
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND)
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