Heimbewohner zum Sozialamt? / Stewens Reformpläne der Pflegeversicherung bedeuten 51 Prozent weniger Leistungen in Stufe I
(Berlin) - Was für eine Bescherung so kurz vor dem Fest: Unter dem Deckmantel des frommen Wunsches, qualitativ hochwertige und bezahlbare Pflege für alle Bedürftigen sicherzustellen, hat Bayerns Sozialministerin Christa Stewens heute in München ihre radikalen Sparpläne zur Pflegeversicherungsreform präsentiert. Danach sollen die Sachleistungsbeträge für die stationäre Pflege in der Pflegestufe I um 51 Prozent und in der Stufe II um 22 Prozent drastisch gekürzt, die Beträge in der Stufe III um 5 Prozent geringfügig angehoben werden (vgl. umseitig, Tabelle 1). Dass diese Pläne verheerende Folgen vor allem für ca. 80 Prozent aller 600.000 in Heimen lebenden Menschen haben (die in die Pflegestufen I und II eingestuft sind), hält diese Mogelpackung geschickt im Verborgenen, kritisiert Bernd Meurer, Präsident des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste e.V. (bpa), der bundesweit mehr als 4.000 private Pflegeeinrichtungen vertritt.
Wer die Leistungen um mehr als die Hälfte kürzen will, macht etliche Heimbewohner zu Sozialhilfeempfängern und gibt faktisch den Vorrang der Pflegeversicherung vor der Sozialhilfe auf, betonte Meurer am 08. Dezember in Berlin und warnte: Würden die bayerischen Vorschläge Realität, könnte sich die große Mehrheit der Pflegebedürftigen, die über eine durchschnittliche Rente von rund 1.200 Euro im Monat verfügt, den eigenen Heimplatz bei weitem nicht mehr leisten! Dies bestätigt die Rechnung des bpa (siehe umseitig, Tabelle 2), wenn man von einem durchschnittlichen Heimentgelt von 2.000 Euro/Monat in Pflegestufe I ausgeht: In diesem Fall beträgt der Zuschuss der Pflegekasse momentan 1.023 Euro. Der jetzige Eigenbetrag liegt bei 977 Euro. Der Eigenbetrag nach dem Vorschlag Stewens läge bei 1.500 Euro. Das wären 300 Euro mehr (!) als einem pflegebedürftigen Rentner der Stufe I überhaupt zur Verfügung stehen. Insgesamt betrachtet, sind derzeit knapp 39 Prozent aller Pflegebedürftigen in Pflegestufe I eingestuft, rund 41 Prozent in Stufe II und knapp 20 Prozent in Stufe III.
Entsprechend des gesetzlich fixierten Grundsatzes Ambulant vor Stationär tritt der bpa vehement für eine Stärkung der häuslichen Pflege ein. Dies jedoch nicht, indem er sich der viel zu kurz gedachten Forderung nach einer nur geringfügigen Anhebung der Sachleistungsbeträge anschließt. Meurer: Stattdessen fordern wir eine konsequente Anpassung der ambulanten Sachleistungsbeträge auf das jetzige stationäre Niveau. Ähnliches gelte für die dringend notwendige Beseitigung der Benachteiligungen von geistig behinderten, psychisch kranken wie auch dementen Menschen. Meurer: Die jetzt auch durch Ministerin Stewens versprochenen Verbesserungen im Dementenbereich bleiben so lange eine Mogelpackung, wie sie auf Kosten anderer Bereiche in der Pflege durch so genannte Umschichtungen finanziert werden sollen. Stattdessen sei der besondere Betreuungsbedarf demenzkranker Menschen bei der Zuerkennung der Pflegestufe wie auch bei der Gewährung spezieller Leistungskomplexe zu berücksichtigen.
Quelle und Kontaktadresse:
Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e.V., Bundesgeschäftsstelle (bpa)
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