Pressemitteilung |

Helfen, wo Hilfebedarf sichtbar wird / Hilfe näher an die Menschen bringen / Fehlverhalten mit Berufsgesetz begegnen

(Essen) - "Lea-Sophie könnte noch leben, wenn ihre Eltern unsere Hilfe erreicht hätte", so Gabriele Stark-Angermeier, 2. Vorsitzende des Deutschen Berufsverband für Soziale Arbeit (DBSH) in einer ersten Reaktion auf das Urteil des Schweriner Landgerichts gegen die Eltern der nur fünf Jahre alt gewordenen Lea-Sophie. Der DBSH vertritt als Berufsverband die Fachlichkeit und die Interessen der Sozialarbeiter und Sozialpädagogen in Deutschland.

"Deshalb muss die gegenwärtige Praxis in den Ämtern und Diensten ebenso überprüft werden, wie die sozialpolitischen Vorstellungen über die Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe", so Stark-Angermeier. Das Kinder- und Jugendhilfegesetz ist im Licht frühzeitiger Förderung und eines umfassenden Verständnisses von Kindeswohl geschaffen worden, offene Angebote und so genannte freiwillige Dienste aber sind flächendeckend weggespart worden.

Trotz Hinweisen seien vom Schweriner Jugendamt an Lea-Sophies Familie keine erkennbaren Hilfen herangetragen worden. Eine Hilfeplanung, wie sie das bundesweit seit bald 18 Jahren geltende Kinder- und Jugendhilfegesetz vorsehe, habe nicht stattgefunden. "Die offiziellen Verfahren in Schwerin schrieben gründliche Planungen erst bei einer formellen Einstufung als Kindeswohlgefährdung vor", sagt Stark-Angermeier mit Blick auf den Untersuchungsbericht zum Fall Lea-Sophie, der bereits im Frühjahr vorgelegt wurde.

"Bundesweit wird immer weniger auf niedrigschwellige Hilfen geachtet, die allen Schichten offen stehen und so Hemmschwellen abbauen", meint Michael Böwer, Beauftragter für Kinderrechte beim DBSH. Böwer: "Es zeigt sich, dass es mit der Umorientierung in der Kinder- und Jugendhilfe auf den Einsatz von Krisendiensten allein nicht getan ist". Denn hier läge der Fokus auf einem Raster von Risikofaktoren, durch das Lea-Sophies Familie schlicht hindurch gefallen sei.

"Eine sozialpädagogische Diagnostik aber hätte, abseits der gängigen unmittelbar sichtbaren Raster für eine Kindeswohlgefährdung, die diffuse Situation des gesamten Familiensystems, zu dem auch die Adoptiveltern der Kindesmutter, die soziale Lage der Eltern und deren offenbar weitgehende soziale Isolation zählen, in den Blick genommen", so der DBSH.

Der Berufsverband verweist auch auf das Ergebnis des Schweriner Untersuchungsausschuss, der noch im März 2008 folgendes Ergebnis notierte: "Trotz der unbestrittenen Hauptschuld der Eltern am Tod von Lea-Sophie muss festgestellt werden, dass in diesem Fall erhebliche, zum Teil eklatante Mängel in der Bearbeitung durch das Jugendamt vorlagen. Es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass bei sachgerechterer Arbeit des Jugendamtes das tragische Ende des kleinen Mädchens hätte verhindert werden können."

Der Ausschuss habe eine unzureichende fachliche Begleitung durch die Dienstvorgesetzen, defizitäre Verfahren und fehlerhafte Einschätzungen kritisiert und eklatante Kommunikationsdefizite im Amt zu Tage geliefert. Nach dem mit den Eltern die Schuldigen nun ausgemacht seien, bleibe so die Rolle des Amtes und der Verantwortlichen genauso offen wie notwendige fachliche Konsequenzen. So wäre es auch Aufgabe des Gerichtsverfahrens zu klären gewesen, ob es nicht frühzeitiger Hilfeangebote für die Mutter bedurft hätte.

Der DBSH erneuerte vor diesem Hintergrund seine Forderung nach einem Berufsgesetz, dass klare fachliche Standards für alle Fachkräfte setze. "Der Beruf des Sozialarbeiters ist, wie nicht nur diese dramatischen Fälle zeigen, ebenso verantwortungsvoll, wie der eines Arztes oder Juristen, so Stark-Angermeier. Daher erfordere dieser Beruf zwingende Mindeststandards: Eine Fortbildungsverpflichtung ebenso wie eine Verpflichtung zur fachlichen Reflexion und Supervision der Fallarbeit. Europäische Nachbarstaaten wie Österreich, die Niederlande und Großbritannien hätten dies erkannt und setzten ein Berufsregistergesetz als gezieltes Mittel der strategischen Prävention und für mehr Professionalität ein, so Stark-Angermeier.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Berufsverband für Soziale Arbeit e.V. (DBSH) Wilfried Nodes, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Friedrich-Ebert-Str. 30, 45127 Essen Telefon: (0201) 82078-0, Telefax: (0201) 82078-40

(tr)

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