Pressemitteilung | Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) - Bundesvorstand

Herbstgutachten nicht hilfreich für Wirtschaftspolitik

(Berlin) - "Die konjunkturelle Einschätzung und die wirtschaftspolitischen Empfehlungen der Mehrheit der Forschungsinstitute ist für die Wirtschaftspolitik in Europa und in Deutschland nur eingeschränkt von Nutzen", sagte DGB-Vorstandsmitglied Heinz Putzhammer anlässlich der Vorstellung des Herbstgutachtens am Dienstag in Berlin. Die Mehrheit der Institute setze in ihrer Prognose erneut auf Impulse der Weltwirtschaft. Die europäische Wirtschaft könne sich aber nicht ewig auf die Weltwirtschaft als Konjunkturlokomotive verlassen. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) teilt die immer noch optimistische Prognose der Mehrheit nicht, sondern sieht die Konjunkturperspektiven für das Jahr 2003 ähnlich wie das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW).

Als geradezu abenteuerlich bezeichnete Putzhammer die Einschätzung der Mehrheit, die Geldpolitik in Europa wirke trotz der deutlich ungünstigeren Konjunkturentwicklung immer noch expansiv und daher sei keine Zinssenkung erforderlich. "Die Mehrheit der Institute hinkt hier dem internationalen Trend hinterher", kritisierte Putzhammer. Während internationale Organisationen und viele Großbanken längst die Europäische Zentralbank aufforderten, mit einer deutlichen Zinssenkung der Konjunktur Impulse zu geben, ergingen sich die Institute in geldpolitischer Schönfärberei.

Auch im Bereich der Finanzpolitik seien die Vorschläge der Institute wenig nützlich. Die Steuerbeschlüsse im Koalitionsvertrag hätten weniger "Einnahmeverbesserungen" zum Ziel, sondern damit würden vielmehr notwendige Korrekturen von strukturellen Fehlentwicklungen im Steuersystem vorgenommen. Zwar gehe davon eine dämpfende Wirkung auf die Konjunktur aus, diese könnte und müsste aber durch entsprechende Zuwächse im Bereich der öffentlichen Investitionen ausgeglichen werden. "Bei dem derzeitigen niedrigen Niveau der öffentlichen Investitionen und den ungünstigen Konjunkturperspektiven ist gerade bei den investiven Ausgaben eine deutliche Aufstockung erforderlich", so Putzhammer. Die Bundesregierung solle daher auch im Nachtragshaushalt 2002 eine höhere Neuverschuldung einstellen. Dies gelte vor allem auch für das Jahr 2003 und die öffentlichen Haushalte insgesamt.

Als positiv bezeichnete Putzhammer dagegen die Diskussion über die Zukunft des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes, da dieser in seiner jetzigen Konstruktion sowohl ökonomisch als auch politisch fragwürdig sei. Die Unterscheidung in strukturelle und konjunkturelle Defizite reiche aber nicht aus. "Statt über die Höhe der Defizitgrenze wird dann nur darüber diskutiert, was strukturell und was konjunkturell ist", sagte Putzhammer. Zudem wirke in einer konjunkturellen Schwächephase auch der Abbau von strukturellen Defiziten prozyklisch. Vielmehr sei eine grundlegende Umgestaltung des Paktes notwendig. Der DGB habe diesbezüglich schon seit längerem Vorschläge unterbreitet, die sich mit der Minderheitsmeinung zum Stabilitäts- und Wachstumspaktes von DIW und IWH weitgehend decken.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Gewerkschaftsbund (DGB) Henriette-Herz-Platz 2 10178 Berlin Telefon: 030/24060-0 Telefax: 030/24060-324

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