Pressemitteilung | Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG)

Hinterfragt: „Mindestlohn-Falle“? - Weit gefehlt! / Laut einer aktuellen IWH- und Ifo-Studie würde ein Mindestlohn von 7,50 Euro pro Stunde 621.000 Jobs gefährden. Dass die Studie auf fragwürdigen Annahmen beruht, zeigt die Argumentation unter der Lupe

(Hamburg) - Rationalisierung, Preiserhöhung und mehr Schwarzarbeit: Kommt der Mindestlohn von 7,50 Euro pro Stunde seien laut einer aktuellen IWH- und Ifo-Studie im Auftrag von WELT ONLINE 621.000 Jobs in Gefahr. Laut der Studie würde ein Mindestlohn durch Rationalisierung, erhöhte Schwarzarbeit und eine durch Preiserhöhungen sinkende Nachfrage zu Arbeitsplatzverlusten führen. Dass die Studie auf fragwürdigen Annahmen beruht, zeigt die Argumentation unter der Lupe.

Rationalisierung im Niedriglohn-Bereich kaum möglich

Im Niedriglohn-Bereich sind mehr als zwei Drittel aller Jobs im Dienstleistungs-Sektor, wie zum Beispiel in der Gastronomie oder im Friseurhandwerk, zu verorten. Jobs, bei denen eine maschinelle Rationalisierung wie in der Industrie nicht ohne weiteres möglich ist. Denn das Waschen, Schneiden und Legen der Haare wird auch in Zukunft von Menschenhand geschehen. Der errechnete Verlust von 621.000 Arbeitsplätzen basiert auf der These, dass sich bei einer einprozentigen Lohnerhöhung die Beschäftigung um 0,75 Prozent reduziere, eine pauschale Annahme, die diesen Umstand völlig ignoriert.

Mindestlohn bekämpft Schwarzarbeit

Ein Mindestlohn, so behauptet die Studie, verlagert immer mehr Jobs in die Schwarzarbeit. In der Realität ist es jedoch bereits heute so, dass viele Beschäftigte aufgrund ihrer geringen Einkommen längst in der Schattenwirtschaft tätig sind, weil sie von ihrem Lohn nicht leben können. Ein Mindestlohn sorgt im Umkehrschluss vielmehr dafür, dass Geringverdiener mit einem höheren Einkommen nicht mehr auf eine zusätzliche Einkommensquelle in der Schwarzarbeit angewiesen sind.

Nachfrageschub trotz Preiserhöhung

Leichte Preissteigerungen werden nicht dazu führen, dass die Nachfrage nach Dienstleistungen abrupt einbricht. Das belegt die Erhöhung der Mehrwertsteuer zu Beginn des Jahres 2007 auf beeindruckende Weise, die ohne einen nennenswerten Konsumeinbruch von statten ging. Auch wenn ein Haarschnitt - aufgrund höherer Lohnkosten - leicht teurer wird, werden die Menschen auch weiterhin zum Friseur gehen. Darüber hinaus werden zahlreiche Niedriglohn-Empfänger dank des Mindestlohns als Verbraucher mehr Geld in der Tasche haben. Die IWH-/Ifo-Studie schätzt dieses Einkommensplus auf allenfalls 1,8 Milliarden Euro, indem sie die zuvor angenommenen Arbeitsplatzverluste von der Einkommenssteigerung, die ein Mindestlohn mit sich brächte, kurzerhand abziehen.

Andere Berechnungen, wie die des Instituts für Arbeit und Technik (IAT) - kommen dagegen auf einen Wert von bis zu zwölf Milliarden Euro. Der Nachfrageschub dieser Kaufkrafterhöhung führt vielmehr eine weitere Konsolidierung am Arbeitsmarkt herbei. Die Annahme, dass die Arbeitsplätze noch vor einer Kaufkrafterhöhung wegfallen, ist jedoch realitätsfern, vor allem wenn man sich die Effekte der Einführung von Mindestlöhnen in anderen Ländern ansieht.

Jobaufbau mit Mindestlohn

In Großbritannien wurden höhere Lohnkosten nach Einführung des Mindestlohns im Jahr 1999 nicht nur durch steigende Preise, sondern insbesondere auch durch einen leichten Rückgang der Unternehmensgewinne kompensiert; ohne dass dies der britischen Konjunkturentwicklung Abbruch getan hätte. Und die Jobbilanz seitdem ist positiv: So sank die Arbeitslosenquote dank eines starken Wirtschaftswachstums und eines Mindestlohns von derzeit acht Euro pro Stunde von 6,2 Prozent im Jahr 1998 auf gegenwärtig 4,7 Prozent. Ein Effekt, der in den Betrachtungen der Studie völlig ausgeblendet wurde.

Quelle und Kontaktadresse:
Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), Hauptverwaltung Pressestelle Haubachstr. 76, 22765 Hamburg Telefon: (040) 38013-0, Telefax: (040) 3892637

(el)

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