Pressemitteilung | Bundesverband Medizintechnologie e.V. (BVMed)

Homecare-Konferenz von MedInform: Einigkeit bei Bedeutung von Homecare, aber offene Fragen bei Finanzierung und Lotsenfunktion

(Berlin) - Homecare wird weiter an Bedeutung gewinnen: durch die demografische Entwicklung oder die verkürzten Liegezeiten im Krankenhaus. Die Bedeutung von Homecare als Dachbegriff für Krankenbehandlung und Pflege im häuslichen Umfeld liegt dabei im Schnittstellenmanagement zwischen stationärem und ambulantem Bereich bzw. im Patientenmanagement aus einer Hand. Das machten die Referenten der MedInform-Veranstaltung „Zukunft Homecare! Die Player von morgen“ am 20. Oktober 2005 in Berlin vor mehr als 100 Teilnehmern deutlich. MedInform ist der Informations- und Seminarservice Medizintechnologie des BVMed.

Alle vier beteiligten Kassenvertreter machten in der Diskussion deutlich: „Wir benötigen Homecare“. „Zukünftig wird die Homecare-Versorgung eine stärkere Rolle einnehmen, um insbesondere chronisch kranke und pflegebedürftige Patienten adäquat und qualitätsgesichert zu versorgen“, so beispielsweise Peter Aporta, Hilfsmittelexperte der AOK-Berlin. Trotz der Einigkeit über die wachsende Bedeutung von Homecare gibt es aber zahlreiche offene Fragen. Dazu gehören die unklaren politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen, die ungeklärte Finanzierung oder die Frage, wer der geeignete „Lotse“ des Patienten im häuslichen Umfeld ist. Die Homecare-Unternehmen sprachen sich für verbesserte Rahmenbedingungen aus, die Handlungssicherheit bieten. Die Unternehmen sind dabei ebenso wie die Krankenkassen an einheitlichen Qualitätsstandards interessiert.

Zur Frage der Finanzierung der Homecare-Dienstleistungen waren sich die Kassenvertreter einig, dass die Dienstleistungen weiterhin aus dem Produktpreis heraus bezahlt werden sollen. Es werde keine zusätzlichen Mittel im System geben. BVMed-Geschäftsführer Joachim M. Schmitt plädierte als Moderator der Konferenz für ein einheitliches Vorgehen aller Beteiligten, um weitere Schritte gegenüber der Politik zur stärkeren Anerkennung von Homecare zu unternehmen.

Oda Hagemeier, Referatsleiterin Homecare beim Bundesverband Medizintechnologie (BVMed) bezeichnete Homecare als „Dachbegriff für Krankenbehandlung und Pflege im häuslichen Umfeld“. Homecare umfasst dabei immer eine ärztliche ambulante Therapie, mit vergleichbarer Qualität wie in der Klinik. Therapiebeispiele sind künstliche Ernährung, Stoma- und Inkontinenzversorgung, Moderne Wundversorgung, Infusions- und Schmerztherapie oder die respiratorische Heimtherapie. Die Homecare-Dienstleistung besteht aus einem umfassenden Patientenmanagement von der Entlassung aus dem Krankenhaus über die Koordinierung der Leistungserbringer bis hin zur Versorgung des Patienten mit der Einweisung in die Produkte und die Therapiekontrolle. Die Vergütung erfolgt derzeit jedoch nur über den Produktpreis. Die Dienstleistung wird nicht vergütet. Daher ist es wichtig, dass die Vertragspreise und Festbeträge diesen Aspekt berücksichtigen, so Hagemeier. Ihr Fazit: „Dem wachsenden Bedarf an Homecare und der Neustrukturierung der ambulanten und stationären Versorgung muss durch eine Gesamtkostenbetrachtung bei der Therapie Rechnung getragen werden.“

Andreas Rudolph, BVMed-Vorstandsmitglied und Geschäftsführer der HTMa - Home Therapie Management GmbH, schilderte die gewandelte Rolle eines Homecare-Unternehmens. Hintergründe für den Wandel seien der Grundsatz „ambulant vor stationär“ oder die kürzeren Liegezeiten in der Klinik. Dadurch sei eine enge Verzahnung der stationären und ambulanten Sektoren notwendig. In der Klinik werde der Patient von der Stationskrankenschwester nach der ärztlichen Therapieanleitung gemanagt. „Dieses sinnvolle System der Lotsenfunktion ist im ambulanten Bereich nicht wiederzufinden“, so Rudolph. Hier liege die wichtige Aufgabe der Homecare-Unternehmen. Sie seien durch ihr Patienten- und Schnittstellenmanagement die geeigneten Lotsen im Gesundheitswesen. Das Ziel von Homecare-Unternehmen ist es, eine vernetzte Patientenbetreuung unter Einbeziehung aller Marktteilnehmer zu erreichen. Dadurch könne ein „roter Faden der Qualitätskontrolle der Patientenversorgung“ sichergestellt werden. Dabei sei das Anforderungsprofil an den „Lotsen“ gestiegen, da er nicht nur Pflegefachkraft sein müsse, sondern auch Managementfunktionen übernehmen müsse.

Die Position der Pflege im Homecare-Markt beleuchtete Bernd Tews, Geschäftsführer des Bundesverbandes privater Anbieter sozialer Dienste (bpa). Homecare in Deutschland beinhaltet die ambulante Pflege nach dem SGB XI und die häusliche Krankenpflege und Versorgung nach dem SGB V. Die ambulante Pflege konzentriert sich dabei in Deutschland aufgrund der leistungsrechtlichen Rahmenbedingungen auf die Langzeitpflege, weniger auf die Intensiv- oder Schwerstpflege, so Tews. Case-Management-Funktionen in der Akutversorgung fehlen und werden in Deutschland in der Langzeitpflege nicht vergütet. Für den Zukunftsmarkt ambulante Pflege und Homecare spreche das Personalwachstum der vergangenen Jahre, aber auch der ökonomische Druck auf den Krankenhaussektor mit der Verkürzung der Verweildauer und dem Bettenabbau als Folge. Außerdem ermögliche der medizinisch-technische Fortschritt „Hospital at Home“ und Hightech-Homecare. Als Fazit forderte Tews bessere Rahmenbedingungen mit gesicherten Finanzierungsgrundlagen für ambulante Krankenbehandlung sowie die stärkere Vernetzung aller Beteiligten. Außerdem müssten die Qualifikationsmaßnahmen für Pflegefachkräfte ausgebaut werden.

Dr. Melanie Arndt, Rechtsanwältin in der Societät Ehlers, Ehlers & Partner, ging auf Homecare in der stationären Pflege ein. Bei der Erstattung von Hilfsmitteln in Pflegeeinrichtungen gebe es dabei Abgrenzungsschwierigkeiten, ob die Krankenkassen oder die Pflegekasse zuständig seien. Grundsätzlich sind Krankenkassen für die Versorgung mit Hilfsmitteln zuständig (§ 33 SGB V). Dies gilt unabhängig davon, ob der Versicherte in seinem eigenen Haushalt oder in einer stationären Pflegeeinrichtung lebt. Diese rechtliche Verpflichtung der Krankenkassen endet jedoch mit dem Vorliegen eines heimvertraglichen Anspruches des Pflegebedürftigen auf Versorgung mit Hilfsmitteln nach § 43 SGB XI in einer stationären Pflegeeinrichtung („medizinische Behandlungspflege“). Die verschiedenen Urteile des Bundessozialgerichts zur Abgrenzungsproblematik fasste Frau Dr. Arndt wie folgt zusammen: „Hilfsmittel, die überwiegend der Rehabilitation oder dem Behinderungsausgleich dienen, gehören zur Leistungspflicht der GKV. Hilfsmittel, die zur Erleichterung der Pflege oder allein zur Prophylaxe eingesetzt werden, gehören zur Vorhaltepflicht der Pflegeeinrichtung.“ Die seit Anfang 2004 vorgesehene Leistungs- und Qualitätsvereinbarung (LQV) für teil- und vollstationäre Pflegeeinrichtungen wird künftig maßgeblich entscheidend dafür sein, wer welche Hilfsmittel finanzieren muss, so Dr. Arndt.

Harald Flex, Geschäftsführer der gematik GmbH, schilderte den aktuellen Stand der Einführung der elektronischen Gesundheitskarte (eGK). Bei dem Projekt geht es dabei um mehr als die Karte und den elektronischen Heilberufausweis. „Es geht um die Telematikanwendungen der Gesundheitskarte“, so Flex. Die gematik sei mit derzeit rund 40 Mitarbeitern „eine Art Polizist im Telematik-Gesamtsystem“. Ein IT-Projekt in dieser Dimension benötige Zeit zum Aufbau der Infrastruktur. Das Problem sei die Integration bestehender Organisationen, die aber unterschiedliche technische Vorstellungen haben. Kompliziert sei auch die Vergabe der neuen Krankenversichertennummern in Anlehnung an die Rentenversicherungsnummern sowie die Umrüstung der bestehenden Kartenleser.

Erste Anwendung der eGK sei das elektronische Rezept mit dem Versicherten-Stammdatendienst. In einem nächsten Schritt werden Notfalldaten, Allergien, Medikamente etc. sowie weitere freiwilligen Daten ergänzt. Die Lösungsarchitektur wird fortgeschrieben, sodass alle Beteiligten eingebunden werden können – dann auch die Hilfsmittel-Leistungserbringer. Zum Zeitplan sagte Flex, dass im Laufe des Jahres 2006 die Tests in den Regionen laufen werden, bevor 2007 der Massen-Rollout beginne. Die kürzliche Ersatzvornahme des Ministeriums sei für die gematik „kein Schreckgespenst, sondern eine Entlastung“. Sie nehme der gematik den politischen Druck, die Testregionen auszuwählen.

In der abschließenden Podiumsdiskussion nahmen Hilfsmittelexperten der Krankenkassen Stellung zur Zukunft von Homecare. Peter Aporta, Heil- und Hilfsmittelleiter der AOK Berlin, betonte die Bedeutung qualitätsbezogener Vereinbarungen der Hilfsmittel-Leistungserbringer mit der Krankenkasse. Man wolle einen Qualitätswettbewerb unter den Partnern. Der Nutzen von Homecare liege in erster Linie in der Zusammenarbeit aller Beteiligten und in der „Nutzbarmachung von Wirtschaftlichkeitsreserven über die Bündelung von Leistungen und nicht zu vergessen die Partizipation und den Transfer von Wissen und Know-how“. Klaus Mehring, Sachgebietsleiter Hilfsmittel bei der Barmer Ersatzkasse, plädierte für pragmatische Lösungen vor Ort: Die vorhandenen Strukturen sollten miteinander vernetzt und alle Beteiligten an einen Tisch gemacht werden – „jeweils in den örtlichen Strukturen, wo die vertragliche Vereinbarung getroffen wird“. Die Lotsenfunktion könne dann je nach Region der Arzt, der Pflegedienst oder das Homecare-Unternehmen übernehmen.

Holger Schlicht, Leiter Hilfsmittelmanagement bei der Deutschen Angestellten Krankenkasse, reklamierte die Lotsenfunktion für seine Krankenkasse. „Mit dem DAK-Gesundheitsnetzwerk wollen wir die Lotsenfunktion selbst übernehmen“. Für das Netzwerk benötige man die Zusammenarbeit mit allen Leistungserbringern sowie den Herstellern. Diese Partnerschaften benötigten aber eine „neue Qualität“, die vertraglich sehr detailliert festgeschrieben werde. Aus Sicht der Pflegeversicherung sprach sich Gerd Kukla vom IKK-Bundesverband dafür aus, keine neue Leistungserbringerstruktur für Homecare zu schaffen. Er sieht die Lösung in einer stärkeren Kooperation mit den vorhandenen Leistungserbringern. Wichtig sei ein gemeinsamer Konsens über die Versorgungspfade in der Homecare-Versorgung. Dann könne je nach Therapiebereich die Frage geklärt werden, wo der Schwerpunkt bei dem jeweiligen Versorgungspfad liege: bei der Pflege oder der Hilfsmittel-Leistungserbringung.

Quelle und Kontaktadresse:
Bundesverband Medizintechnologie e.V. (BVMed) Manfred Beeres, Referent, Presse- u. Öffentlichkeitsarbeit Reinhardtstr. 29b, 10117 Berlin Telefon: (030) 246255-0, Telefax: (030) 246255-99

(sk)

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