Immer mehr Ex-Vorstände kontrollieren ihre Nachfolger
(Düsseldorf) - Immer mehr ehemalige Vorstandsmitglieder kontrollieren in den Aufsichtsräten ihre Nachfolger. So ist der Anteil ehemaliger Vorstandsmitglieder in den Aufsichtsräten deutscher Unternehmen in den vergangenen vier Jahren um etwa die Hälfte gestiegen. Das zeigt eine aktuelle Studie im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung. In diesem Jahr wurden 35,9 Prozent aller Aufsichtsratsposten von Ex-Vorstandsmitgliedern der jeweiligen Unternehmen besetzt. Im Jahre 2001 waren es lediglich 23,1 Prozent.
„Offenbar werden immer häufiger Personen in das Kotrollgremium geholt, die wegen ihrer früheren Tätigkeit im Unternehmen in einem Interessenkonflikt stehen“, kommentiert Dr. Roland Köstler, Experte für Wirtschaftsrecht bei der Hans-Böckler-Stiftung.
Die aktuelle Untersuchung von 142 mitbestimmten, börsennotierten Aktiengesellschaften in Deutschland zeigt weiterhin: Mit der Übernahme ehemaliger Vorstandsmitglieder in den Aufsichtsrat hat auch die Tendenz zugenommen, Ex-Vorstandschefs zu Aufsichtsrats-Vorsitzenden zu machen. Hatten im Jahre 2001 noch 8,2 Prozent der obersten Kontrolleure vorher selbst das Unternehmen geleitet, waren es 2004 bereits 19,7 Prozent, die die Aufsicht über ihre Nachfolger ausübten. „Eine solche Erbfolge-Regelung verhindert geradezu eine kritische Überprüfung der Unternehmens-Aktivitäten. Welcher Aufsichtsrats-Vorsitzende lässt sich gern bescheinigen, dass sich seine einstigen Entscheidungen wenige Jahre später als Fehler herausstellen?“, so Köstler.
Besonders kritisch stellt sich die Situation demnach bei Unternehmen dar, in denen mehr als ein ehemaliges Vorstandsmitglied im Aufsichtsrat sitzt. Die Zahl der Aktiengesellschaften mit einer solchen Konstellation im Kontrollgremium ist in den vergangenen vier Jahren von 3,0 auf 8,5 Prozent überproportional stark angestiegen. „Diese Entwicklung ist ausgesprochen alarmierend“, so Köstler weiter. Damit werde der eigentliche Auftrag des Aufsichtsrats, die Entscheidungen jetziger und früherer Unternehmensführer wirksam zu kontrollieren, nahezu unmöglich gemacht. Er appellierte an die Aktiengesellschaften, „für mehr Unabhängigkeit in den Aufsichtsräten zu sorgen“.
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