In jedem dritten Betrieb mit Zeitkonten verfallen Überstunden / Unbezahlte Arbeit in deutschen Unternehmen nimmt zu
(Düsseldorf) - Arbeitnehmer in deutschen Betrieben leisten zunehmend unbezahlte Arbeit. Das ergibt sich aus Daten der aktuellen Betriebsräte-Umfrage 2004/2005 des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung. Unbezahlte Arbeitszeit macht mittlerweile einen beachtlichen Anteil des gesamtwirtschaftlichen Arbeitsvolumens aus, resümiert Dr. Hartmut Seifert, Leiter des WSI, und dieser Wert steigt.
Dass Beschäftigte ohne Lohn arbeiten, geschieht auf verschiedene Weise. Bekannt ist, dass jeder Arbeitnehmer pro Jahr auf durchschnittlich 2,2 Urlaubstage verzichtet. Die WSI-Forscher haben nun weitere repräsentative Daten darüber gesammelt, wie in den Betrieben zusätzlich unbezahlt gearbeitet wird:
- 21 Prozent der mehr als 3000 befragten Betriebs- und Personalräte geben an, dass in ihrem Betrieb unbezahlte Mehrarbeit vorkommt.
- Drei Viertel aller Betriebe haben Arbeitszeitkonten eingerichtet, meist kürzer laufende Gleitzeit- und Überstundenkonten. Sie bringen den Unternehmen und den Beschäftigten mehr Flexibilität bei den Arbeitszeiten. In gut einem Drittel dieser Firmen besteht aber nach Aussage der Betriebsräte ein Problem: Teile der angesparten Zeitguthaben verfallen. Ein wichtiger Grund: Arbeitnehmer kommen nicht dazu, innerhalb der vorgesehenen Ausgleichszeiträume ihre Überstunden abzubauen; sie erhalten aber auch keinen finanziellen Ausgleich. Der Anteil der Firmen, in denen Beschäftigte Verluste erleiden, wächst: Vor fünf Jahren berichteten nur 21 Prozent der befragten Betriebsräte davon.
Um den massenhaften Verfall von nicht bezahlten Arbeitszeiten zu stoppen, favorisiert Seifert betriebliche Langzeitkonten mit Ausgleichzeiträumen von mehreren Jahren, auf denen automatisch nicht genommene Urlaubstage, Guthaben von Kurzzeitkonten oder nicht bezahlte Überstunden gutgeschrieben würden. In einigen neueren Tarifverträgen seien Langzeitkonten vereinbart worden, so der WSI-Forscher.
Schutz vor Insolvenz noch unzureichend
Allerdings sind solche Konten in vielen Fällen noch unzureichend vor einer Insolvenz des Unternehmens geschützt. Ohne Absicherung können Beschäftigte schnell Zeitguthaben im Gegenwert von vielen tausend Euro verlieren. Für spezielle Altersteilzeitkonten und für Langzeitkonten ist zwar ein Insolvenzschutz mittlerweile gesetzlich vorgeschrieben. Diese Pflicht wird laut WSI-Umfrage aber vielfach noch missachtet: Bei den Betrieben mit Altersteilzeitkonten haben lediglich 50 Prozent einen Insolvenzschutz oder wollen diesen bald einführen. Gleitzeit-, Jahres- oder Langzeitkonten sind sogar nur in gut einem Drittel der Fälle abgesichert.
Quelle und Kontaktadresse:
Hans-Böckler-Stiftung
Hans-Böckler-Str. 39, 40476 Düsseldorf
Telefon: 0211/77780, Telefax: 0211/7778120
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