Pressemitteilung | Bayerischer Lehrer- und Lehrerinnenverband e.V. im VBE (BLLV)

In zwei Jahren fehlen rund 20.000 Lehrkräfte / BLLV-Präsident rechnet vor, wie groß an den Schulen die Lücken klaffen / "Ein `weiter so´ darf es in der Schulpolitik nicht geben"

(München) - Der Präsident des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands, (BLLV), Klaus Wenzel, hat den Lehrermangel als das beherrschende Thema an den Schulen bezeichnet. "Nach unseren Berechnungen addiert sich der Lehrermangel an allen Schularten für die Deckung des Ersatzbedarfs, die Vermeidung von Unterrichtsausfall und dringend erforderlichen Reformen bis zum Jahr 2010 auf rund 20.000 Lehrkräfte." Wenzel forderte die Staatsregierung auf, dem Problem höchste Priorität einzuräumen. "Die Situation an den Schulen muss schleunigst verbessert werden. Ein `weiter so´ darf es in der Schulpolitik nicht geben." Wer mit guter Bildungspolitik punkten will, muss ordentlich Geld in die Hand nehmen.

Der einzige Weg aus dem Dilemma: Der Lehrerberuf muss attraktiver werden.

Lehrermangel an sich ist nichts Neues. Neu dagegen ist die Dimension, die er in kurzer Zeit annehmen wird: In zwei Jahren fehlen an den bayerischen Gymnasien über 5.000 Lehrerinnen und Lehrer. Nach einer Erhebung des Kultusministeriums aus dem vorigen Schuljahr wurden bereits 3 Prozent des Unterrichts ersatzlos gestrichen, 7,5 Prozent nicht regulär erteilt. Bei steigenden Übertritten können pensionierte Lehrkräfte nicht im gleichen Umfang ersetzt, große Klassen nicht verkleinert werden. Wenzel: "Ohne ausreichend Personal lässt sich die angespannte Situation nicht verbessern. Es ist zu befürchten, dass Intensivierungsstunden weiter abgebaut und Ganztagsgymnasien nicht realisiert werden." Die Situation könnte sich erst ab 2011 verbessern, wenn das neunjährige Gymnasium ausläuft - aber nur, wenn die dadurch frei werdenden Lehrerstellen nicht gestrichen oder umgewidmet werden.

Hart trifft es auch die Realschulen: Dort beziffert sich der Lehrermangel bis zum Jahr 2010 auf rund 3.500 Lehrkräfte. Auch hier wird sich die Unterrichtssituation nicht verbessern, d.h. weiterhin werden 8 Prozent des Unterrichts nicht regulär erteilt. Die Klassen bleiben zu groß, die individuelle Förderung der Schüler wird in noch weitere Ferne rücken.

Nicht besser sieht es an den Hauptschulen aus: Hier ist mit einem Mangel von rund 3.300 Lehrkräften zu rechnen. Der Ersatzbedarf an Lehrern kann nicht gedeckt und die für den Ausbau gebundener Ganztagesklassen notwendigen Stellen nicht geschaffen werden. Wenzel erinnerte daran, dass der Schulversuch "Ganztagsklassen an Hauptschulen" mit 19 zusätzlichen Lehrerstunden begann, trotz heftiger Proteste aber auf 12 zurückgefahren wurde. "Wir halten an den 19 Wochenstunden fest, woraus sich ein Mehrbedarf an 1.470 zusätzlichen Lehrern ergibt."

Entwarnung gibt es auch nicht für die Grundschulen: der Mangel an Lehrerinnen und Lehrern beläuft sich dort bis in zwei Jahren auf 2.240.

Anders als bei den Gymnasial-, Real- und Hauptschullehrern, gibt es aber ausreichend Personal: In diesem Jahr bewarben sich 1.735 junge Lehrerinnen und Lehrer an Grundschulen, nur 765 wurden im September eingestellt. Weitere 150 folgten nun im November. Wenzel: "Die Situation an den bayerischen Grundschulen hat sich nicht verbessert. Der Ausbau der Ganztagsgrundschulen wurde gestoppt, früher gestrichene Unterrichtsstunden nicht zurückgegeben." Die Einführung jahrgangskombinierter Klassen bezeichnete Wenzel als "Kosmetik", die den Lehrermangel an Grundschulen kaschieren soll.

An den Förderschulen fehlen in zwei Jahren rund 700 Lehrerinnen und Lehrer. "Eine vergleichsweise geringe Zahl. Bedenkt man aber, dass Bayern im Ländervergleich der Klassenstärken mit 11,2 Schülern je Klasse auf dem letzten Platz rangiert, zeigt das, wie dringend gerade bayerische Förderschulen personell verstärkt werden müssen - und welche katastrophalen Folgen dort ein weiterer Lehrermangel hat."

Darüber hinaus kann auch der Ersatzbedarf an Berufsschulen, Wirtschaftsschulen, Berufsfachschulen sowie an Fachoberschulen und Berufsoberschulen, die zu beruflichen Oberschulen ausgebaut werden sollen, nicht gedeckt, geschweige denn pädagogische Verbesserungen an diesen Schulen erreicht werden.

Der BLLV-Präsident forderte die Staatsregierung auf, die Unterrichtsversorgung nicht länger vom Improvisationsgeschick einzelner Schulleiter und dem idealistischen Einsatz unzähliger Lehrerinnen und Lehrer abhängig zu machen. Wie sich gezeigt hat, lösen Seiteneinsteiger das Problem Lehrermangel nicht. Auch für Bewerber aus der Wirtschaft ist der Lehrerberuf meist uninteressant. So schlugen Umschulungsangebote fehl, der Versuch, Lehrer mit Hilfe von Zeitarbeitsfirmen zu rekrutieren, ist fragwürdig und hat nicht funktioniert. "Qualität von Schule lässt sich auf diese Weise nicht sicherstellen. Es kann nicht sein, dass der Unterricht von Aushilfen wie Pensionisten, Hausfrauen oder Abiturienten bestritten werden muss." Es gibt nur einen Weg aus dem Dilemma: Der Lehrerberuf muss attraktiver werden. In Zukunft sollten Lehrer in der Sekundarstufe alle Schüler der Jahrgangsstufen 5 bis 10 unterrichten können und flexibel einsetzbar sein. Um die Arbeitsbedingungen aller Lehrerinnen und Lehrer zu verbessern, müssen die Klassen kleiner und mehr unterstützendes Fachpersonal wie Schulsozialarbeiter, Schulpsychologen und Förderlehrer bereitgestellt werden. Schulabgänger, die sich für ein Lehramtsstudium entscheiden, brauchen neben einer gerechten Bezahlung auch ein gewisses Maß an Planungssicherheit und Aufstiegsmöglichkeiten. Wenzel: "Nur so kann langfristig dafür gesorgt werden, dass sich fähige junge Menschen für den Lehrerberuf entscheiden."

Quelle und Kontaktadresse:
Bayerischer Lehrer- und Lehrerinnenverband e.V. im VBE (BLLV) Andrea Schwarz, Pressereferentin Bavariaring 37, 80336 München Telefon: (089) 72100129, Telefax: (089) 72100155

(el)

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