Pressemitteilung | Bayerischer Lehrer- und Lehrerinnenverband e.V. im VBE (BLLV)

Inklusion in Bayern: Schulen brauchen bessere Rahmenbedingungen!

(München) - Im Auftrag des BLLV-Dachverbands VBE (Verband Bildung und Erziehung) befragte forsa im Rahmen einer repräsentativen Umfrage insgesamt 2.737 Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen in Deutschland zum Thema Inklusion, darunter 501 in Bayern. Die Ergebnisse für Bayern wurden heute im Rahmen einer Pressekonferenz vorgestellt.

Nach vorangegangenen Befragungen in den Jahren 2015, 2017 und 2020 zeigt sich ein ernüchterndes Bild: Bayern ist nicht nur weiterhin weit entfernt vom Anspruch an inklusive Beschulung. Es gibt auch kaum Fortschritt bei Barrierefreiheit, inklusiven Lerngruppen oder Vorbereitungszeiten für Lehrkräfte. Während im Bundesdurchschnitt 54 Prozent der Lehrkräfte angeben, dass es an ihrer Schule bereits inklusive Lerngruppen gibt, beträgt der Anteil in Bayern außerdem nur 33 Prozent. Auch bei der personellen Ausstattung hinkt Bayern hinterher und bei der Barrierefreiheit der Schulen platziert sich der Freistaat nur minimal vor dem – schlechten – Bundesdurchschnitt.

Deshalb ist es keine Überraschung, dass zwar 61 Prozent der Befragten eine gemeinsame Unterrichtung von allen Kindern mit und ohne Behinderungen befürworten, aber nur 26 Prozent der Befragten diese für umsetzbar halten unter den aktuellen Rahmenbedingungen mit fehlendem Personal, großen Klassen und mangelnder individueller Förderung.

„Inklusive Beschulung und die Inklusion all unserer Kinder an den Schulen ist kein ‘nice-to-have‘ und auch keine Kann-Option“, betont BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann. „Sie ist ein Recht der Kinder auf Basis der UN-Behindertenrechtskonvention, die auch in Deutschland in Kraft ist. Und gelungene Inklusion ist etwas, von dem alle Kinder profitieren. Deshalb muss die Politik den systematischen Ausbau inklusiver Schulen vorantreiben – mit inklusivem Leitbild, Schulentwicklung, Fortbildungen und Ressourcen“, so Fleischmann weiter. Und sie betont: „Fehlende oder mangelnde Barrierefreiheit wie an 30 beziehungsweise 47 Prozent der Schulen in Bayern grenzt auch Lehrkräfte, Eltern und alle anderen an unseren Schulen aus und widerspricht dem Grundrecht auf Teilhabe und freie Berufswahl.“

Personalmangel und unzureichende Rahmenbedingungen

In der Pressekonferenz des BLLV zur forsa-Befragung am 2. Juni 2025 betonte Thomas Beschorner, Leiter der Fachgruppe Förderschulen im BLLV: „Die Effizienz der Arbeit im Bereich der Inklusion wird derzeit durch unzureichende Rahmenbedingungen erschwert, um nicht zu sagen, fast vollständig verhindert. Oft fehlt es an der nötigen Doppelbesetzung mit einer sonderpädagogischen Fachkraft, am Ausbau multiprofessioneller Teams oder an Unterstützung für die Lehr- und Fachkräfte, die im inklusiven Setting tätig sind. Bei psychischen und physischen Be- und Überlastungen benötigen die Kolleginnen und Kollegen ein Unterstützungssystem, das durch den Dienstherrn auf- und ausgebaut werden muss. Denn die Kollegien vor Ort widmen sich mit allerhöchstem Engagement der individuellen Bildung und Förderung von Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf.“

Die Realität sieht allerdings anders aus: In zwei Dritteln der Fälle (69 Prozent) bleibt in Bayern die Klassengröße unverändert, wenn Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf hinzukommen. Ebenfalls zwei Drittel der Befragten (63 Prozent) geben an, dass inklusiv unterrichtende Lehrkräfte in keinem Fall eine sonderpädagogische Fachkraft an der Seite haben. Deutschlandweit sind dies nur 32 Prozent der Lehrkräfte. Auch die Unterstützung multiprofessioneller Teams können in Bayern nur 32 Prozent der Befragten wahrnehmen – deutschlandweit immerhin 45 Prozent.

Qualifikation und Austauschformate bleiben hinter Bedarf zurück

Trotz wachsender Anforderungen fühlen sich viele Lehrkräfte unzureichend vorbereitet: Drei Viertel (73 Prozent) der inklusiv unterrichtenden Lehrkräfte berichten, dass Inklusion in der Ausbildung nicht vorkam, und mehr als die Hälfte (53 Prozent) verfügen laut Einschätzung der Befragten nicht über sonderpädagogisches Wissen. Spezielle Fortbildungen im Vorfeld und begleitend zur Einführung inklusiven Beschulens wurden allerdings von einem Großteil der Lehrkräfte wahrgenommen.

Sabine Bösl, Grundschulrektorin und Leiterin der Abteilung Schul- und Bildungspolitik im BLLV, betonte in der Pressekonferenz: „Wir benötigen ausreichende sonderpädagogische Expertise durch einen bedarfsgerechten Einsatz von Sonderschullehrkräften an den Regelschulen und mehr Unterstützung durch multiprofessionelle Teams. Zusätzliche Stunden zur individuellen Förderung der Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf sind dringend nötig, damit wir diesen Kindern und Jugendlichen in Regelschulen auch gerecht werden können. Außerdem müssen in allen Phasen der Lehrkräftebildung und über alle Schularten hinweg entsprechende Kompetenzen angelegt werden.“

Digitale Mittel unterstützen – aber sie ersetzen nicht.

Die Umfrage zeigt auch, dass 70 Prozent der befragten Lehrkräfte in Bayern digitale Endgeräte zur individuellen Förderung in inklusiven Settings nutzen. Rund die Hälfte nutzt entsprechende Angebote mindestens wöchentlich – zum Beispiel Lern-Apps und Spiele. Es werden differenzierte Aufgabenstellungen erstellt oder das eigenständige Lernen der Schülerinnen und Schüler unterstützt. Zudem können körperlich beeinträchtigte Kinder digitale Endgeräte für alternative Darstellungsformen nutzen oder sich Aufgabenstellungen vorlesen lassen. BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann: „Bei der Diskussion um die Ausstattung unserer Schulen mit digitalen Endgeräten und der zugehörigen Infrastruktur wird oft vergessen, welche Rolle das Thema nicht nur in der Medienbildung, sondern auch in der individuellen Förderung spielt. Dabei eröffnet Digitalität hier enorme Potenziale. Das kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass es beim Thema Inklusion zuallererst an Menschen, am Fachpersonal und an grundlegenden Ressourcen mangelt. Und hier geht es auch darum, die zu unterstützen, die sich an den Schulen vor Ort jeden Tag dieser Aufgabe stellen. Dass 72 Prozent der Lehrerinnen und Lehrer, die in inklusiven Lerngruppen in Bayern unterrichten, mit der Inklusionspolitik in Bayern eher unzufrieden oder sogar sehr unzufrieden sind, zeigt deutlich, dass die Unterstützung und die Wertschätzung für dieses Engagement und diese unglaublich wertvolle Arbeit fehlt.“

Quelle und Kontaktadresse:
Bayerischer Lehrer- und Lehrerinnenverband e.V. im VBE (BLLV), Birte Pretz, Assistent(in) Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Bavariaring 37, 80336 München, Telefon: 089 721001-0

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