Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung: Bärendienst für die Bildungsgerechtigkeit
(Berlin) - „Die Ergebnisse sind ein Armutszeugnis für das reiche Deutschland und markieren einen schwarzen Tag für die Bildungsgerechtigkeit. Die IFS-Studie macht deutlich: Jetzt ist die Politik gefordert, nachhaltige und wirksame Konzepte für die individuelle Förderung von Kindern mit Leseschwierigkeiten auf den Weg zu bringen – unabhängig von deren sozialer Herkunft. Schülerinnen und Schüler brauchen verlässliche schulische Strukturen und professionelle Unterstützung, um ihre Lesekompetenz auf- und auszubauen. Der VBE wird sich weiterhin mit Nachdruck dafür einsetzen, dass kein Kind beim Lesenlernen zurückgelassen wird“, kommentiert Gerhard Brand, Bundesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE), die Ergebnisse der kürzlich veröffentlichten Studie zur Entwicklung der Lesekompetenz des Instituts für Schulentwicklungsforschung (IFS). Diese ist im Rahmen der Internationalen Grundschul-Lese-Untersuchung (IGLU) erhoben worden.
Die heute veröffentlichte Studie des IFS untermauert, wie pandemiebedingte Schulschließungen und verschlechterte Bedingungen im außerschulischen Lernumfeld die Lesekompetenz unserer Schülerinnen und Schüler beeinträchtigen. Besonders besorgniserregend aus deutscher Perspektive: Mehr als die Hälfte des erfassten Kompetenzrückgangs ist auf erschwerte Lernbedingungen außerhalb der Schule zurückzuführen – ein Wert, der den europäischen Durchschnitt sogar noch deutlich übertrifft.
Hierzu Brand: „Die Lebenswirklichkeit vieler Familien hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert: Begrenzte finanzielle Möglichkeiten, zunehmende Mehrsprachigkeit zu Hause und ein Rückgang gemeinsamer lesebezogener Aktivitäten schwächen die Unterstützung, die das Elternhaus bieten kann. Vielfach fehlen die Ressourcen und die Zeit, um insbesondere Kindern mit sprachlichem Förderbedarf den notwendigen Rückhalt beim Lesenlernen zu geben.
Insbesondere diese Kinder laufen Gefahr, nachhaltig abgehängt zu werden, wenn sie auf ihre eigenen Voraussetzungen oder das Engagement der Eltern angewiesen bleiben. Für den VBE ist klar: Die Bildungsteilhabe darf nicht von den individuellen Möglichkeiten des Elternhauses abhängen. Kinder mit sprachlichem Aufholbedarf benötigen gezielte und individuelle Förderung. Dafür braucht es aus unserer Sicht verbindliche und flächendeckende Sprachförderangebote, mehr multiprofessionelle Teams an Schulen und zusätzliche sozialpädagogische Unterstützungsstrukturen. Darüber hinaus braucht es einen Paradigmenwechsel im Bildungsverständnis, denn Bildung ist nicht nur Aufgabe der Schule, sondern eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung. Politik ist gut beraten, sich Gedanken darüber zu machen, wie sie Eltern in der direkten Erziehungsarbeit unterstützen kann.“
Quelle und Kontaktadresse:
Verband Bildung und Erziehung e.V. (VBE), Johannes Glander, Pressereferent(in), Behrenstr. 24, 10117 Berlin, Telefon: 030 7261966-0