Journalist mit Aufnahmezusage für Deutschland droht Abschiebung nach Afghanistan
(Berlin) - Ein afghanischer Journalist mit Aufnahmezusage für Deutschland steht in Pakistan offenbar kurz vor der Abschiebung nach Afghanistan. Wie Reporter ohne Grenzen (RSF) von dem Journalisten erfuhr, hat die pakistanische Polizei ihn und seine Familienmitglieder am Mittwoch in ein Abschiebelager gebracht. Sie waren nach der Machtübernahme der Taliban aus Afghanistan geflohen. Dort saß er wegen seiner Arbeit bereits im Gefängnis. RSF hatte seinen Fall im Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan (BAP) eingereicht – mit Erfolg. Doch trotz der Zusage warten der Journalist und seine Familie seit mehr als einem Jahr auf Visa für Deutschland.
„Die Abschiebung nach Afghanistan wäre eine Katastrophe für den Journalisten und seine Familie. Wir fordern die Bundesregierung auf, sich für seine Freilassung einzusetzen. Sie muss ihm und allen anderen afghanischen Medienschaffenden in Pakistan mit Aufnahmezusage sofort die Einreise nach Deutschland ermöglichen“, sagte RSF-Geschäftsführerin Anja Osterhaus. „Was muss noch passieren, damit die Bundesregierung endlich ihrer Verantwortung nachkommt?“
Laut Medienberichten haben die pakistanischen Behörden in dieser Woche bereits Afghaninnen und Afghanen mit Aufnahmezusage für Deutschland nach Afghanistan abgeschoben. Sie warteten in der Hauptstadt Islamabad auf ein Visum für Deutschland, das ihnen im Rahmen des BAP zugesagt worden war. Mit dem im Oktober 2022 gestarteten Programm wollte die Bundesregierung monatlich 1000 gefährdete Afghaninnen und Afghanen nach Deutschland holen. Doch aus Sicht von RSF hat es sein Mandat deutlich verfehlt, nur ein Bruchteil ist eingereist. Unter ihnen sind sieben Medienschaffende, deren Fälle RSF im Programm eingereicht hatte.
Die Aufnahmezusagen beschäftigen inzwischen die Gerichte. Laut Verwaltungsgericht Berlin muss die Bundesregierung einer Afghanin und ihrer Familie Visa zur Einreise nach Deutschland erteilen, nachdem entsprechende Zusagen gemacht wurden. Dagegen hat die Bundesregierung jedoch Beschwerde eingelegt. Das Oberverwaltungsgericht Berlin hat den Beschluss daraufhin vorläufig ausgesetzt.
Ein Rechtsgutachten von Juli 2025 im Auftrag der Organisation Pro Asyl und des Patenschaftsnetzwerks Ortskräfte kommt zu dem Schluss, dass sich die Bundesregierung strafbar mache, wenn gefährdete Afghaninnen und Afghanen mit Aufnahmezusage für Deutschland von Pakistan nach Afghanistan abgeschoben werden.
Der nun von Abschiebung bedrohte Journalist ist einer von vier Medienschaffenden, die in Pakistan auf die Einreise nach Deutschland warten und deren Fälle RSF eingereicht hatte. Er und seine Familie haben bereits im September 2024 das Sicherheitsinterview durchlaufen. In Afghanistan könnte er wieder festgenommen werden: Die Taliban gehören zu den größten Feinden der Pressefreiheit weltweit. Die islamistische Terrorgruppe droht und verfolgt Medienschaffende, durchsucht Redaktionen, zensiert Berichte, verdrängt Journalistinnen aus der Medienlandschaft und inhaftiert unliebsame Reporter.
Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Afghanistan inzwischen auf Platz 175 von 180 Staaten.
Quelle und Kontaktadresse:
Reporter ohne Grenzen e.V. (RSF), Hermannstr. 90, 12051 Berlin, Telefon: 030 609 895 33 - 0
Weitere Pressemitteilungen dieses Verbands
- Sechs Journalisten in Gaza getötet: RSF verurteilt gezielten Angriff durch die israelische Armee
- Humanitäre Aufnahmen gestoppt: Bundesregierung lässt gefährdete Medienschaffende im Stich – und schwächt sich selbst im Kampf gegen Desinformation
- Lateinamerika: Zahl der getöteten Medienschaffenden schon jetzt höher als 2024