Pressemitteilung | Deutsche Kinderhilfe - Die ständige Kindervertretung e.V.

Jugendämter nehmen ihr Wächteramt wahr: Eindrucksvoller Beleg für die Notwendigkeit von Hausbesuchen

(Berlin) - Die heute (25. Juni 2009) vom Statistischen Bundesamt in Wiesbaden vorgestellten Zahlen über die gestiegene Anzahl von Inobhutnahmen durch Deutschlands Jugendämter sind eine unmittelbare Folge der intensiven Debatte seit Ende des Jahres 2007. Es waren die Fälle von Lea-Sophie sowie der fünf toten Kinder von Darry, die im Jahr 2007 den katastrophalen Zustand der Jugendhilfe in Deutschland allgemein bekannt gemacht haben. Neben der medialen Aufmerksamkeit und dem ersten (leider gescheiterten) Kindergipfel von Kanzlerin und Ministerpräsidenten am 20.12.2007 waren es vor allen die Kommunen, die auf die öffentliche Debatte reagiert haben: Nach den spektakulären Fällen stiegen die Inobhutnahmen regional an, wie beispielsweise nach dem Tode Kevins in Bremen - offenbar, weil die Jugendämter ihre Akten gesichtet und zahlreiche Familien vor Ort aufgesucht haben. Diese Beobachtung setzte sich im Jahr 2008 dann bundesweit fort. Gezielt wurden sämtliche Fälle geprüft und vor allen Dingen stieg auch die Zahl der Hausbesuche und der Inaugenscheinnahmen von Kindern. Das Ergebnis spiegelt sich in den heute (25. Juni 2009) vorgestellten Zahlen wieder: Es wurde eine größere Zahl von misshandelten oder überforderten Kindern identifiziert.

Der berechtigten Sorge, das "Pendel" könne nun in die falsche Richtung ausschlagen und Kinder würden zu früh aus den Familien genommen, kann entgegengehalten werden, dass die Inobhutnahmen stets durch die Familiengerichte überprüft werden und diese nicht zu vorschnellen Entscheidungen neigen. Der Vorwurf, die Jugendämter entwickelten sich nun zu unverantwortlichen "Kinderwegnehmern", lässt sich aus den Zahlen nicht ableiten. Vielmehr sind die gestiegenen Inobhutnahmen ein Indiz dafür, dass Jugendämter ihr staatliches Wächteramt konsequenter wahrnehmen, als in der Vergangenheit.

Die Zahlen belegen außerdem, dass die Krise der Kinder- und Jugendhilfe in erster Hinsicht eine Qualitätskrise ist. Denn derartige Ausschläge darf es in einem funktionierenden und nach einheitlichen Qualitätsstandards arbeitenden System nicht geben.

Vor diesem Hintergrund ist das Scheitern des Kinderschutzgipfels und des dort beschlossenen Kinderschutzgesetzes als noch dramatischer anzusehen: Durch den Verzicht auf ein Kinderschutzgesetz, in welchem die Jugendämter verpflichtet werden sollten, Kinder bei Verdacht auf eine Kindeswohlgefährdung grundsätzlich in Augenschein zu nehmen und grundsätzlich Hausbesuche durchzuführen, wurde die große Chance vertan, erste verbindliche Qualitätsstandards einzuführen. Das Einknicken der Politik gegenüber den reformunwilligen Sozialverbänden, Jugendämtern und den auf die Finanzen schielenden Kommunen sowie der anstehende Wahlkampf verhindern offenbar die Durchsetzung effektiver Maßnahmen für einen besseren Kinderschutz.

"Die Politik, insbesondere die Kanzlerin und die Bundesfamilienministerin, sind aufgefordert, die heute (25. Juni 2009) vorgestellten Zahlen zum Anlass zu nehmen, den nur als faul zu bezeichnenden Kompromiss aufzukündigen und ein Kinderschutzgesetz in den Bundestag einzubringen, das diesen Namen auch verdient", so RA Georg Ehrmann, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Kinderhilfe, am Donnerstag (25. Juni 2009) in Berlin.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutsche Kinderhilfe e.V. Julia Gliszewska, Sprecherin des Vorstandes Schiffbauer Damm 40, 10117 Berlin Telefon: (030) 24342940, Telefax: (030) 24342949

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