Pressemitteilung | Deutscher Juristinnenbund e.V. (djb)

Kann Familiensplitting fortschrittlich sein?

(Berlin) - Auch in der Familienpolitik steuert der Staat durch Steuern. Der Deutsche Juristinnenbund (djb) betrachtet es als großen Fortschritt, dass die Regierung Merkel die steuerliche Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten als Werbungskosten auf den Weg gebracht hat. Nun muss als nächster Schritt die zeitgemäße Reform der Familienbesteuerung folgen. Dabei überrascht, dass plötzlich das Familiensplitting in aller Munde ist. Hierin vermag der djb keine zukunftsweisende Problemlösung zu erkennen:

"Der djb fordert seit Jahrzehnten eine deutliche Einschränkung des Ehegattensplittings und kann sich mit seiner Erweiterung durch die Einführung eines Familiensplittings nicht einverstanden erklären. Die Zeit ist reif, das Ehegattensplitting beherzt anzufassen und Kinder direkt unabhängig vom Familienstand finanziell zu fördern, ihnen ausreichende wie hochwertige Betreuung und Bildung zu bieten", sagte Jutta Wagner, die Präsidentin des djb, am Montag in Berlin. "Auch das Familiensplitting ändert nichts an der Tatsache, dass die reine Eheförderung übrig bleibt, wenn die Kinder aus dem Haus sind. Die damit verbundenen Steuerausfälle können den Kindern nicht zugute kommen."

Mit der Forderung des Generalsekretärs der CDU, Ronald Pofalla, das Ehegattensplitting zu einem Familiensplitting auszubauen, bleibt das Ehegattensplitting mit seinen problematischen Auswirkungen im Kern unverändert. Das Familiensplitting, jedenfalls das Familientarifsplitting, grenzt das Ehegattensplitting nicht ein, sondern erweitert es. Wird beim Ehegattensplitting eine fiktive Aufteilung des Einkommens je zur Hälfte angenommen, bezieht das Familientarifsplitting alle Familienmitglieder ein, indem das gesamte Einkommen nicht nur durch zwei, sondern durch die Zahl aller Familienmitglieder geteilt wird. Der Steuersatz wird auf das geteilte Einkommen angewendet und dann wieder mit der Zahl der so Besteuerten multipliziert.

Das Ehegattensplitting begünstigt die Ehe ungerechtfertigt gegenüber der Familie bzw. den Kindern. Die Splittingvorteile bevorzugen Kinder in der sogenannten intakten Ehe gegenüber allen anderen Kindern. Die Steuervorteile steigen mit der Einkommensdifferenz innerhalb der Ehe. Das Splitting kommt einseitig Ehen mit nur einem oder höchstens einem zweiten, nur geringfügigen Einkommen zugute. Je höher das allein verdiente Einkommen, desto höher die Steuerentlastung. Auch das Bundesverfassungsgericht hat diese unbefriedigenden Auswirkungen des Ehegattensplittings in seinen Beschlüssen zur Familienbesteuerung vom November 1998 aufgeführt.

Von diesen Kritikpunkten greift die Ausweitung des Ehegattensplittings zu einem Familiensplitting nur ein Anliegen auf: Kinder werden bei dieser Steuervergünstigung mitberücksichtigt. Für sie werden zusätzliche Steuerentlastungen gewährt. Die anderen Einwände bleiben: Das tarifliche Familiensplitting erzeugt ebenso wie das Ehegattensplitting aufgrund des progressiven Steuersatzes ungerechtfertigte Steuervorteile und verstärkt diese sogar, insbesondere für einkommensstarke Einverdienstehen. Für kinderlose Ehepaare wirkt das Familiensplitting genauso wie das Ehegattensplitting und kommt deshalb zur Weiterentwicklung der Ehe- und Familienbesteuerung nicht in Frage.

Der djb fordert bereits seit Jahrzehnten, statt des Ehegattensplittings den Grundsatz die Individualbesteuerung konsequent durchzuführen, und geht im Steuerrecht mit dem Verfassungsgericht zunächst von der Individualbesteuerung aus. In diesem Rahmen müssen bestimmte verfassungsrechtliche Vorgaben beachtet werden. So sind insbesondere die gesetzlich auferlegten Unterhaltspflichten zu berücksichtigen. Dies kann typisierend geschehen. So wird in Umsetzung der Verfassungsgerichtsrechtsprechung bei Kindern an das Existenzminimum angeknüpft. Für die Unterhaltspflichten der Eheleute wäre in Angleichung an die steuerliche Entlastung für Kinder die Freistellung des Existenzminimums beider Eheleute, also ein übertragbarer zweiter Grundfreibetrag, ausreichend. Denn aufgrund des größeren Schutzbedürfnisses von Kindern gebührt dem verfassungsrechtlichen Auftrag zum Schutz von Familien jedenfalls in finanzieller Hinsicht Vorrang gegenüber dem Schutz der Ehe.

Das Ehegattensplitting wie das Familiensplitting sind im Hinblick auf das verfassungsrechtliche Gebot der Gleichberechtigung bedenklich. Frauen haben ein Recht darauf, dass sich auch ihre Erwerbstätigkeit lohnt. Das Ehegattensplitting hält jedoch viele Frauen von einer Erwerbstätigkeit ab, weil der Preis hoch ist. Im Zusammenspiel mit der Regelung zu den Mini-Jobs, der nach wie vor nur begrenzten Absetzbarkeit von Kinderbetreuungskosten und den Belastungen in Lohnsteuerklasse V - die die Auswirkung des Splittings im laufenden Jahr sichtbar macht - verzichten viele Frauen auf eine Erwerbstätigkeit, die ihnen die wirtschaftliche Eigenständigkeit und Unabhängigkeit sichert. In all diesen Punkten ist ein Umdenken im Steuerrecht dringend geboten, zumal die Nachteile der Steuerklasse V beim Arbeitslosengeld und der Arbeitslosenhilfe in Zukunft auch beim Elterngeld fortgeschrieben werden.

Aus zwei Gründen sollte sich die steuerliche Ehe- und Familienförderung grundsätzlich auf das Notwendige beschränken und einkommensunabhängig erfolgen. Zum einen sind die progressiven Entlastungen in der Familienpolitik möglichst einzugrenzen und zum anderen erfolgt eine Unterstützung für Kinder und Kinderbetreuung im Steuerrecht nicht zielgenau: Die Steuerentlastungen können nur Personen zufließen, die ein Erwerbseinkommen erzielen. In Einverdienstehen würde auch beim Familiensplitting oder erhöhten Freibeträgen die finanzielle Entlastung für Kinder nicht der betreuenden Person zufließen, sondern in der Regel dem erwerbstätigen Ehemann. Ein rechtlicher Anspruch der die Kinder betreuenden Ehefrau auf die Steuerentlastung besteht nicht. Die Frage, an wen die Familienförderung ausgezahlt wird, hat aber nach britischen Untersuchungen signifikante Auswirkungen darauf, ob das Geld für die Kinder und die Betreuungspersonen ausgegeben wird.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Juristinnenbund e.V. (djb), Vereinigung der Juristinnen, Volkswirtinnen und Betriebswirtinnen Anke Gimbal, Geschäftsführerin Anklamer Str. 38, 10115 Berlin Telefon: (030) 443270-0, Telefax: (030) 443270-22

(sk)

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