Pressemitteilung | Deutscher AnwaltVerein e.V. (DAV)

Keine Scheidung ohne fachkundige Beratung / 400 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte aus dem Familienrecht tagten in Lübeck (24. - 26. November)

(Berlin) - Auf ihrer Herbsttagung in Lübeck kritisierten Anwälte und Anwältinnen der Arbeitsgemeinschaft Familienrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV) die Pläne des Bundesjustizministeriums, das Familienverfahrensgesetz zu ändern. Danach sollen Paare ohne gemeinsame Kinder im Beschlussverfahren ohne Anwaltszwang geschieden werden können, wenn sich die Paare vorher notariell über die Scheidungsfolgen geeinigt haben. Aber Frauen, die alt oder krank sind, Frauen, die jahrelang ihren Männern den Rücken frei gehalten haben und jetzt ohne Arbeit dastehen, sind keine Verhandlungspartnerinnen auf Augenhöhe. Sie sind juristisch unerfahren und haben denselben Schutz verdient, der Frauen mit kleinen Kindern in der Trennungssituation weiterhin gewährt werden soll. Auch Frauen, die zum Zeitpunkt der Scheidung bereits volljährige Kinder haben, die während der Ehe aber von ihnen betreut wurden, würden als „kinderlos“ betrachtet.

Die etwa 400 Teilnehmerinnen und Teilnehmer kritisierten einhellig den Referentenentwurf, der jetzt auch Teil des Koalitionsvertrages der neuen Bundesregierung ist. „Der Anwaltszwang im familienrechtlichen Verfahren ist zum Schutz der Mandanten da“, sagte Rechtsanwältin Dr. Ingrid Groß aus Augsburg, Vorsitzende des Familienrechtsausschusses des DAV. Die Paare wären bei einer Scheidung in einer Krisensituation und überblicken die komplizierte rechtliche Lage nur unzureichend. Der Notar habe eine neutrale Funktion und dürfe nicht parteilich beraten. Außerdem habe nicht jeder Notar die nötige familienrechtliche Kenntnis. „Durch eine schnelle Scheidung geraten gerade die wirtschaftlich schwächeren Partner in eine Situation, die ihre Existenz gefährden kann“, sagte Rechtsanwältin Ingeborg Rakete-Dombek, Vorsitzende der DAV-Arbeitsgemeinschaft Familien- und Erbrecht.

Auch ein Vertreter der Richterschaft auf dem Podium stellte die Pläne des Justizministeriums in Frage. Nicht nur aus verfassungsrechtlicher Sicht - der grundgesetzliche Schutz von Ehe und Familie gebiete gerade keine Vereinfachung oder Beschleunigung der Ehescheidung - sondern auch aus rein praktischen Überlegungen lehnte er den Referentenentwurf ab. Der Familienrichter betonte, dass die Anwälte meist durch ihre gründliche parteiliche Beratung eine gute Vorarbeit leisten, so dass das Scheidungsverfahren vor Gericht ohnehin nicht mehr kompliziert sei. Wenn die anwaltliche Beratung wegfalle, sei die Gefahr groß, in einen „juristischen Sumpf“ zu geraten, aus dem auch ein Familienrichter nur schwer wieder herauskommen könne.

Die Anwältinnen und Anwälte appellierten in Lübeck an den Vertreter des Bundesjustizministeriums, den Referentenentwurf an diesem Punkt zu überdenken.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher AnwaltVerein e.V. (DAV) Swen Walentowski, PR-Referent Littenstr. 11, 10179 Berlin Telefon: (030) 7261520, Telefax: (030) 726152190

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