Pressemitteilung | (vnw) Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen e.V.

„Klimaneutralität 2035 wird die sozialen Vermieter überfordern“

(Hamburg) - In der Lübecker Bürgerschaft wachsen einem Bericht der Lübecker Nachrichten zufolge die Zweifel daran, dass die Stadt bis zum Jahr 2035 klimaneutral sein kann. Umweltsenator Ludger Hinsen habe unlängst bei einem Richtfest in Travemünde erklärt, dass 2035 als Zielpunkt nicht realisierbar sei, berichtet die Zeitung. Halte man an dem Ziel fest, werde der Neubau von Wohnungen zu Erliegen kommen.

Dazu erklärt Andreas Breitner, Direktor des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW):
„Soziale Vermieter sind sogenannte Bestandshalter: Sie unterhalten ihre Wohngebäude über viele Jahrzehnte und vermieten die Wohnungen dauerhaft zu niedrigen Preisen. Schon allein deshalb ist das Gelingen der Energiewende eines ihrer Herzensanliegen.
Allerdings haben die sozialen Vermieter stets auch die Mieten im Blick. Klimaschutz, so unverzichtbar er ist, darf nicht zu einem massiven Anstieg der Mieten führen und so die Mieterinnen und Mieter, vor allem jene, die es nicht so dicke haben, finanziell überfordern.

837 Millionen Euro

Das Lübecker kommunale Wohnungsunternehmen TRAVE hat in einer Untersuchung herausgefunden, dass das Unternehmen rund 837 Millionen Euro investieren muss, um bis zum Jahr 2035 Klimaneutralität zu erreichen. Von den rund 8600 TRAVE-Wohnungen müssen rund 6000 – zum Teil aufwändig - saniert werden. Das Unternehmen muss sein aktuelles jährliches Investitionsvolumen von 40 auf 80 Millionen Euro verdoppeln. Das ist bei einem Jahresüberschuss von rund drei Millionen Euro utopisch.

Ähnlich geht es den Wohnungsbaugenossenschaften in Lübeck. Auch sie müssen zusätzlich Hunderte Millionen Euro aufwenden, um eine Klimaneutralität ihrer Wohnungsbestände bis zum Jahr 2035 zu erreichen. Berechnungen haben ergeben, dass die Mieten zusätzlich zu den ohnehin notwendigen Mietsteigerungen um bis zu 1,50 Euro pro Quadratmeter erhöht werden müssen. Bei einer 60-Quadratmeter-Wohnungen sind das 90 Euro im Monat – auf das Jahr hochgerechnet sind das 1080 Euro.

Massive zusätzliche staatliche Förderung ist notwendig

Um Klimaneutralität mietkostenneutral zu erreichen, ist eine massive staatliche Förderung notwendig. Land und Bund ducken sich jedoch bislang weg und zeigen wenig Bereitschaft, zusätzliche Kosten zu übernehmen. Eine dadurch notwendige deutliche Erhöhung von Mieten kommt aus sozialpolitischen Gründen für die sozialen Vermieter nicht in Frage. Zudem, das wird oft vergessen, legt das Mietrecht Grenzen für Mieterhöhungen im Bestand fest.
Mit anderen Worten: über Mieterhöhungen lassen sich die großen Investitionen nicht stemmen. Woher aber soll dann das Geld kommen? Über einen großen Geldsack im Keller verfügen die TRAVE und die Wohnungsbaugenossenschaften jedenfalls nicht. In der Lübecker Bürgerschaft dürfte es zudem auch keine Mehrheit dafür geben, das Geld an anderer Stelle, zum Beispiel beim Sozialen, zu Gunsten einer zusätzlichen Wohnungsförderung umzuschichten.
Aber selbst, wenn das Geld da wäre: es fehlt an Fachkräften, die Sanierungsarbeiten innerhalb der kommenden zehn Jahre umzusetzen.

'Geschäftsmodell' der sozialen Vermieter wird gefährdet

Um nicht falsch verstanden zu werden: Soziale Vermieter investieren seit vielen Jahren regelmäßig viele Millionen Euro in die energetische Ertüchtigung ihrer Wohnungsbestände. Sie werden das auch in den kommenden Jahrzehnten tun – aber mit Augenmaß und entsprechend ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.

Überambitionierte Klimaschutzziele überfordern die Unternehmen und bedrohen ihr ‚Geschäftsmodell‘, das darin besteht, bezahlbaren Wohnraum für Menschen mit mittlerem und geringem Einkommen zur Verfügung zu stellen.

Wer also am Ziel der ‚Klimaneutralität 2035‘ festhält, der muss den Menschen offen sagen, woher das Geld kommen soll. Es reicht nicht mehr, allein moralisch und mit Angst vor dem Weltuntergang zu argumentieren. Die Herausforderungen der Energiewende sind zu ernst, um sie den Gefühlen zu überlassen. Die Energiewende wird nur auf der Grundlage harter Fakten funktionieren.“

Quelle und Kontaktadresse:
(vnw) Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen e.V., Oliver Schirg, Pressesprecher(in), Tangstedter Landstr. 83, 22415 Hamburg, Telefon: 040 520110

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