Koalitionsvertrag: Die richtigen Stichworte sind benannt - aber in der Verbraucherpolitik fehlen klare Zielvorgaben / Edda Müller: "Jetzt ist Horst Seehofer am Zug"
(Berlin) - Der Verbraucherzentrale Bundesverband hat sich verhalten optimistisch zum Koalitionsvertrag von Union und SPD geäußert. "In der Verbraucherpolitik fehlen überwiegend verbindliche Aussagen und konkrete Zielvorgaben", kritisierte vzbv-Chefin Edda Müller. "Dennoch benennt der Koalitionsvertrag wichtige Stichworte wie die verbrauchergerechte Reform des Versicherungsrechts, eine Stärkung der Fahrgastrechte oder die Schaffung eines Bauvertragsrechts." Die neue Bundesregierung müsse nun zeigen, ob sie es ernst meint mit einer Stärkung der Nachfrage und besserem Verbraucherschutz jenseits der Lebensmittelsicherheit. "Wir werden Horst Seehofer daran erinnern, dass es um mehr geht als um Kartoffeln und Bananen", sagte Edda Müller.
Der vzbv sprach sich erneut gegen die geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer aus. Sie werde zum Beispiel Rentner, Arbeitslose und Arbeitnehmer mit niedrigem Einkommen einseitig belasten und die Binnennachfrage weiter schwächen. Als positiv bewertete der vzbv die Ankündigung eines Verbraucherinformationsgesetzes und der Gründung einer Stiftung zur Verbraucherarbeit. Sie soll die Verbraucherarbeit dauerhaft sichern und von jährlichen Haushaltsmitteln unabhängiger machen.
Aus Verbrauchersicht positiv sind auch die geplante Reform des Versicherungsrechts, mehr Wettbewerb bei der Strom- und Gasversorgung und die angekündigten Vorhaben zur Steigerung der Energieeffizienz. "Größere Energieeffizienz ist ein Musterbeispiel dafür, welchen enormen Beitrag die Verbraucherpolitik zur Belebung der Wirtschaft leisten kann", sagte vzbv-Chefin Edda Müller.
Neues Monopol für die Telekom: "Ordnungspolitischer Sündenfall"
Als ordnungspolitischen Sündenfall bezeichnete der vzbv die Ankündigung, die Deutsche Telekom beim Aufbau eines Hochgeschwindigkeitsnetzes von vornherein von der Regulierung auszunehmen. "Diese Strategie ist schon einmal bei der Öffnung des Strom- und Gasmarktes gescheitert", so Edda Müller. "Mit derartigen industriepolitische Spielchen erreicht man nur, dass die Allgemeinheit der Telekom die unternehmerischen Risiken abnimmt."
Der vzbv kritisierte, dass es der Koalitionsvertrag bei zentralen Problemen bei bloßen Stichworten und Unverbindlichkeiten belässt. So heißt es beispielsweise im Abschnitt "Lebenswertes Deutschland":
"Neben dem klassischen Kernbereich der Verbraucherpolitik, dem gesundheitlichen Verbraucherschutz, gewinnen Fragen des rechtlichen und wirtschaftlichen Verbraucherschutzes zunehmend an Bedeutung, die aber nicht in Federführung des Verbraucherministeriums liegen. Dies betrifft insbesondere die
Stärkung von Fahrgastrechten im Eisenbahnverkehr, die Telekommunikation, den digitalen Verbraucherschutz, den Anlegerschutz und das Bauvertragsrecht."
Die bloße Auflistung werde den tatsächlichen Problemen nicht gerecht. Dies zeige sich beispielhaft auch an der wachsenden Überschuldung privater Haushalte. "Das ist nur eines der Probleme, die anpacken muss, wer die Binnenkonjunktur wieder anschieben will."
Weitere Kritikpunkte des vzbv:
Gentechnik: Die Verantwortung der Landwirte für Folgeschäden durch den Einsatz der grünen Gentechnik wird durch die Einführung eines Haftungsfonds abgeschwächt.
Besteuerung von Kapitalerträgen: Statt wieder einmal nur einen Teilbereich zu regeln und Kursgewinne zu besteuern, ist ein stringentes Gesamtkonzept für die Besteuerung von Kapitalerträgen vonnöten. Dabei sollte darauf geachtet werden, dass unterschiedliche Kapitalanlageformen steuerlich möglichst gleich geregelt werden, damit die Besteuerung nicht einzelne Produkte einseitig begünstigt.
Chemiepolitik: Noch vor der Regierungsbildung haben die Koalitionspartner auf eine weitere Abschwächung der neuen europäischen Chemikalienpolitik REACH gedrängt - auf Drängen von Union und SPD wurde die endgültige Abstimmung über REACH verschoben. "Die Lobbyinteressen der Chemieindustrie eins zu eins in der EU durchzudrücken ist nicht im gesamtwirtschaftlichen Interesse", kritisierte Edda Müller. "Ambitionierte Gesundheitspolitiker, die die langfristigen Gesundheitskosten senken wollen, hätten hier "Halt" rufen müssen."
Quelle und Kontaktadresse:
vzbv Verbraucherzentrale Bundesverband e.V.
Carel Mohn, Pressesprecher, Presse- u. Öffentlichkeitsarbeit
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