Konjunkturellen Rückenwind für weitere Reformen nutzen
(Berlin) - Die deutsche Wirtschaft konnte 2004 ihre fast dreijährige Stagnation überwinden. Das Bruttoinlandsprodukt wuchs so stark wie seit dem New Economy Boom im Jahr 2000 nicht mehr. Getrübt wird der Rückblick allerdings vom schwachen Wachstum der Binnenwirtschaft und der langsameren wirtschaftlichen Dynamik im zweiten Halbjahr 2004.
Ein Abbruch der konjunkturellen Erholung ist in diesem Jahr aber nicht zu befürchten. Die Stimmungsindikatoren haben sich zuletzt sogar wieder ein wenig verbessert. Ein leichtes Anziehen der Investitionen und des privaten Konsums sollte die Binnenwirtschaft 2005 stärken und die nachlassenden Impulse von den Exporten ausgleichen. Voraussetzung ist allerdings eine allmähliche Stabilisierung am Arbeitsmarkt. Bereinigt um die unterschiedliche Anzahl von Arbeitstagen könnte das Bruttoinlandsprodukt dann 2005 sogar etwas stärker wachsen als im vergangenen Jahr.
Die schwache Konsumnachfrage in Deutschland ist vor allem der Arbeitsmarktmisere geschuldet. Während in der Bundesrepublik die Arbeitslosenquote seit 1994 im Trend deutlich gestiegen ist und 2004 einen neuen Hoechststand erreichte, ging sie in den übrigen 14 alten EU-Staaten merklich zurück. Der Verlust von Arbeitsplätzen schwächt die private Kaufkraft erheblich. Zudem dämpft die Furcht vor dem Arbeitsplatzabbau die Kaufbereitschaft der Beschäftigten.
Ein zentrales Problem für den deutschen Arbeitsmarkt sind die hohen Sozialversicherungsbeiträge. Ökonomisch gesehen wirken sie wie eine Sondersteuer auf den Arbeitseinsatz. Darüber hinaus sind sie mitverantwortlich für die weit geöffnete Schere zwischen den gesamten Arbeitskosten und den Nettolöhnen. Der Versuch, die private Nachfrage durch kräftigere Lohnerhöhungen zu beleben, würde deshalb vor allem die Arbeitskosten steigen lassen. Nur etwa die Hälfte des Kostenanstiegs würde hingegen als zusätzlichen Nettolohn bei den Arbeitnehmern ankommen.
Um die Arbeitsmarktprobleme in Deutschland zu entschärfen und die Rahmenbedingungen für das Wirtschaftswachstum zu verbessern, führt an weiteren Wirtschaftsreformen kein Weg vorbei. Notwendig sind insbesondere die Senkung der Sozialversicherungsbeiträge, die Sanierung der Staatsfinanzen und eine grundlegende Neuordnung des Steuersystems.
Ein Stillstand des Reformprozesses bis zum Ende der Legislaturperiode wäre vor diesem Hintergrund fatal. Es würde nicht nur weitere kostbare Zeit vergeudet. Auch die Chance, die wirtschaftliche Erholung - insbesondere die boomende Weltwirtschaft - zur Abfederung von Reformen zu nutzen, würde leichtfertig vertan.
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