Konjunkturprognose 2005 / Abgehängt von der Weltkonjunktur
(München) - Die Weltwirtschaft boomt wie seit 28 Jahren nicht mehr, doch die deutsche Wirtschaft macht nicht mit. Es gibt zwar einen Aufschwung, doch ist er angesichts der hohen Verflechtung der deutschen Wirtschaft mit der Weltwirtschaft enttäuschend schwach. Deutschland ist von der Weltkonjunktur entkoppelt und liegt nach wie vor beim Wachstum unter dem Durchschnitt der alten EU-Länder. Insgesamt ist das reale Bruttoinlandsprodukt im Jahr 2004 nach heutiger Einschätzung nur um 1,7 Prozent höher als im Jahr 2003, wobei allein 0,5Prozentpunkte auf einen Sondereffekt bei den Arbeitstagen zurückzuführen sind.
Wäre die Zahl der Arbeitstage in diesem Jahr so groß wie im letzten, hätte das Wachstum gerade einmal um einen ZehntelProzentpunkt über dem Wachstum von Italien und Portugal gelegen, die im Jahr 2004 Schlusslichter beim Wachstum der EU-Länder waren. So oder so bleibt Deutschland in der Gesamtbetrachtung seit Mitte der neunziger Jahre das Schlusslicht. Von 1995 bis 2004 ist kein anderes Land in Mittel- und Westeuropa langsamer gewachsen. Deutschland steckt seit etwa einem Jahrzehnt in einer fundamentalen Wachstumskrise, deren Ende nicht absehbar ist.
Nur der Export hat sich im Jahr 2004 gut entwickelt. Getrieben durch die Weltkonjunktur wuchs er um stattliche 9,3Prozent in realer Rechnung. Vielen ist es ein Rätsel, warum sich dieses Wachstum in solch geringem Umfang in das gesamte Bruttoinlandsprodukt übertragen hat. Die Lösung des Rätsels liegt zum einen darin, dass ein Teil der Exporte aus importierten Vorleistungen sowie importierter Handelsware bestand, also insofern nur ein durchlaufender Posten war. Zusätzliche Exporte führen nach den Angaben des Statistischen Bundesamtes nur noch zu etwa 45Prozent zu einer zusätzlichen inländischen Wertschöpfung; 55Prozent der marginalen Exporte sind exportinduzierte Importe (Basareffekt). Zum anderen liegt die Lösung im Schrumpfen der Binnennachfrage. Der private Konsum ging um 0,3Prozent zurück, und die Bruttoanlageinvestitionen verringerten sich um 0,5Prozent.
Als gemeinsame Erklärung für die schwache Binnennachfrage kommt das hohe deutsche Lohnkostenniveau in Betracht, das hinter Norwegen die Spitzenposition in der Welt einnimmt und die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Arbeitnehmer angesichts der wachsenden Niedriglohnkonkurrenz in Osteuropa und Asien immer mehr beeinträchtigt. Die Firmen sichern ihre Wettbewerbsfähigkeit, indem sie Teile ihre Produktionskette und damit Arbeitsplätze in Niedriglohnländer verlagern. Hier zu Lande investieren sie immer weniger. Die Arbeitnehmer haben Angst vor dem Arbeitsplatzverlust und halten sich beim Kauf langlebiger Konsumgüter zurück. Die schwache Binnennachfrage ist ein unmittelbarer Reflex der Standortprobleme des Landes.
Ungeachtet der strukturellen Schwächen der deutschen Wirtschaft, die noch lange nicht überwunden sind, hängen die weiteren Konjunkturaussichten in hohem Maße von der Entwicklung der Weltkonjunktur ab. Nach den Ergebnissen des ifo World Economic Survey (WES), einer Umfrage bei 1200 Experten in 90 Ländern, hat sich der ifo-Indikator für die Lage der Weltwirtschaft bis in das vierte Quartal hinein verbessert, doch ist der Erwartungsindikator schon seit Mitte des Jahrs sehr deutlich gefallen. Der Klimaindex selbst, der einen Mittelwert dieser Angaben widerspiegelt, ist im vierten Quartal gesunken und liegt nicht mehr so weit über dem langjährigen Durchschnitt, wie es vor kurzem noch der Fall war.
Für das Jahr 2005 ist deshalb eine Abschwächung der weltwirtschaftlichen Dynamik zu erwarten, ohne dass diese Abschwächung schon einen Abschwung bedeuten würde. Mit verringertem, aber immer noch hohem Tempo wird die Weltwirtschaft wachsen. Insofern bleiben die weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen auch für die deutsche Wirtschaft relativ günstig.
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