Kontaktbeschränkungen: Zugang zum Recht weiterhin sichergestellt
(Berlin) - Bund und Länder haben sich auf großflächige Kontaktbeschränkungen geeinigt, um die Verbreitung des Covid-19-Virus einzudämmen. Der Deutsche Anwaltverein (DAV) begrüßt diese Entscheidung. Sie nimmt die Bürgerinnen und Bürger in ihrem Verantwortungsgefühl ernst, die Wohnung nur zu verlassen, wenn es erforderlich ist - und ermöglicht damit weiterhin den Zugang zu anwaltlicher Beratung.
In den meisten Bundesländern müssen die Behörden nicht im Detail kontrollieren, warum jemand auf der Straße unterwegs ist. "Die Bürgerinnen und Bürgern können somit Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte sowie Notarinnen und Notare aufsuchen, ohne die Gründe hierfür darlegen zu müssen", lobt Rechtsanwältin und Notarin Edith Kindermann, Präsidentin des DAV. Dies sei auch in der gegenwärtigen Situation von großer Bedeutung, da der Zugang zu digitalen Kommunikationswegen nicht allen Rechtssuchenden zur Verfügung steht.
Darüber hinaus wird befürchtet, dass es auf Grund der ungewohnten dauerhaften Nähe innerhalb von Beziehungen vermehrt zu Fällen häuslicher Gewalt kommt. Die DAV-Präsidentin warnt: "In diesen Fällen muss kurzfristig anwaltliche Hilfe zur Verfügung stehen, um einer Eskalation der häuslichen Situation Einhalt zu gebieten." Telefonate seien nur begrenzt möglich, da das gewalttätige Familienmitglied in der Regel mithört.
Der Zugang zu anwaltlichem Rat und zur Vertretung ist zudem wichtig, weil Bürgerinnen und Bürger die Rechtsantragsstellen bei den Gerichten vielfach nicht mehr persönlich aufsuchen können. In solchen Fällen sind Eilverfahren notwendig, für die eidesstattliche Versicherungen eingereicht werden müssen. Die meisten Betroffenen sind damit überfordert. Der Zugang zu anwaltlichem Rat führt auch zur Entlastung der Gerichte, die in diesen Tagen in besonderer Weise gefordert sind, ihren Aufgaben im System der Rechtspflege in Deutschland und damit beim Zugang zum Recht nachzukommen.
In einzelnen Bundesländern sind statt Kontaktbeschränkungen Ausgangsbeschränkungen vereinbart worden. Deren Einhaltung überwachen Ordnungsbehörden und Polizei. Wer die Wohnung verlässt, muss "triftige Gründe" nennen. DAV-Präsidentin Kindermann weist darauf hin, dass hier der Grundrechtsschutz zu beachten ist: "Sucht jemand persönlich eine Anwältin oder einen Anwalt auf, dürfen die Behörden nicht nach dem Grund fragen", sagt die Rechtsanwältin und Notarin. Das gelte sowohl bei den Anforderungen an den "triftigen Grund" als solchen als auch bei dem in einzelnen Allgemeinverfügungen anzutreffenden "unaufschiebbaren Grund".
So dürfe etwa derjenige, der eine Anwältin oder einen Anwalt wegen des Vorwurfs einer Straftat oder wegen einer Beratung im Zusammenhang mit einer Selbstanzeige aufsuchen will, nicht gehalten sein, den Grund darlegen zu müssen. Auch verbieten sich Anrufe in den Kanzleien mit der Frage, ob bereits ein Termin vereinbart worden ist, da sich die anwaltliche Verschwiegenheit auch auf die Frage bezieht, zu wem ein Mandat besteht.
Und schließlich: "Ob es sich um einen unaufschiebbaren Termin handelt oder nicht, wird für den Rechtssuchenden selbst häufig erst auf Grund der anwaltlichen Beratung erkennbar werden", so Kindermann. Es sei zum Beispiel kein Allgemeinwissen, dass für die Ausschlagung einer Erbschaft eine sechswöchige Frist besteht oder dass man gegebenenfalls ein Nachlassinventar errichten muss. Gleiches gelte für die Fristen im Zusammenhang mit dem Widerruf von Willenserklärungen oder die unverzügliche Anfechtung einer Willenserklärung.
Alle materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Fristen für einen nicht bestimmten Zeitraum auszusetzen, ist keine Lösung. Diese in den Gesetzen bestimmten Fristen sind kein Selbstzweck, sondern sorgen insbesondere in zivilrechtlichen Angelegenheiten für Rechtsfrieden und Rechtssicherheit zwischen den Parteien. Pauschale Lösungen, die dies aus dem Blick verlieren, schaden daher mehr als sie nutzen. "Wichtig ist jetzt, dass wir uns auf die realen Probleme fokussieren; hier sind alle Beteiligten gefordert", resümiert die DAV-Präsidentin. Die Politik wende sich mit den Überlegungen zur Änderung von Fristen im Insolvenz-, Miet- und Strafverfahrensrecht bereits einigen Themen zu.
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