Pressemitteilung | Bayerischer Lehrer- und Lehrerinnenverband e.V. im VBE (BLLV)

Konzept Mittelschule wirft viele Fragen auf / BLLV-Präsident Klaus Wenzel: "Jetzt wird sich zeigen, wie lange ein anspruchsvolles schulisches Angebot im ländlichen Raum garantiert werden kann"

(München) - Mit dem gestrigen (30. Juni 2009) Kabinettsbeschluss zur Mittelschule steht Bayern an einem schulpolitisch historischen Scheideweg. "Jetzt wird sich zeigen, wie lange ein anspruchsvolles schulisches Angebot im ländlichen Raum garantiert werden kann", erklärte der Präsident des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbandes (BLLV), Klaus Wenzel, in einer ersten Reaktion. Er wertete das von Kultusminister Spaenle vorgestellte Konzept als Eingeständnis der bayerischen Schulpolitik, mit allen bisherigen Versuchen, die Hauptschule attraktiver zu gestalten, gescheitert zu sein. "Die vielen Reformen wie die Einführung von Freiwilligen- Zehnten- Klassen, M- Zügen, Praxis- Klassen oder Ganztagsklassen haben nicht dazu geführt, dass die Hauptschule von der Bevölkerung akzeptiert wird." Die Übertritte in Realschulen und Gymnasien haben gerade in den vergangenen fünf Jahren dramatisch zugenommen. Die geplante Mittelschule ist nun ein weiterer Versuch, die Hauptschule zu retten. Angesichts der massiven Probleme wie Schulsterben, Geburtenrückgang und verändertes Übertrittsverhalten ist er auch durchaus nachvollziehbar. Das Konzept wirft aus Sicht des BLLV jedoch viele Fragen auf.

"Eine Weiterentwicklung der Hauptschulen in Mittelschulen kann nur gelingen, wenn die dort erworbenen Abschlüsse tatsächlich von den Eltern und den Ausbildungsbetrieben als absolut gleichwertig zu den jetzigen Realschulabschlüssen angesehen werden und die Schüler die gleichen Erfolgsaussichten in der Fachoberschule haben wie Realschüler", erklärte der BLLV-Präsident. "Viele Lehrer und Eltern hegen daran berechtigte Zweifel." Alle bisherigen Versuche, die Hauptschule aufzuwerten, sind kläglich gescheitert.

In einer Zeit des Schülerrückgangs ist es anachronistisch und geradezu absurd, Schüler noch mehr zu sortieren und einen zusätzlichen neuen Schultyp zu schaffen. Dringend erforderlich sind integrative Modelle.

Wenzel: "Das Agieren der Politik wirkt in der strikten Weigerung, ein gescheitertes Schulsystem von Grund auf zu reformieren, hyperaktiv und dennoch hilflos. Im Kern bleibt es bei der Aufteilung zehnjähriger Kinder in verschiedene wie auch immer gestaltete Schultypen, es geht nicht um Integration, sondern um Aus- und Abgrenzung. Der BLLV ist der tiefen Überzeugung, dass damit die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts nicht bewältigt werden können."

Der BLLV vermutet, dass Spaenle mehr Verwirrung als Klarheit geschaffen hat: "Die Schullandschaft ist ab heute um einen neuen Schultyp reicher, allmählich wird es mit Schulverbünden, Kooperationsmodellen und Mittelschulen unübersichtlich. Für die Bevölkerung wird es immer schwieriger, sich im Dickicht bayerischer Schulpolitik zu recht zu finden."

Wenzel wies darauf hin, dass mit Mittelschulen und Schulverbünden die Probleme des demografischen Wandels und des Schulsterbens nicht gelöst werden. Im Gegenteil, es werden viele neue geschaffen: "Dreizügige Mittelschulen können für einige wenige Standorte eine Lösung sein.

Generell führen sie aber zu einer Beschleunigung des Schulsterbens und sind deshalb die falsche Antwort auf zurückgehende Schülerzahlen und verändertes Übertrittsverhalten. Dasselbe gilt für die freiwilligen Zusammenschlüsse von Hauptschulen zu Schulverbünden: Erstens müssen sich die Gemeinden einigen. Zweitens ist das Modell mit erheblichen Fahrwegen und Kosten verbunden und drittens kann damit das Übertrittsverhalten nicht geändert werden - die Hauptschulen bluten weiter aus.

Mit Spaenles Lösungsvorschlägen geschieht genau das, was der BLLV mit seinem Konzept der Regionalen Schulentwicklung (RSE) verhindern will:

Die Entschulung des ländlichen Raumes mit katastrophalen Folgen für die betroffenen Gemeinden und erheblichen Nachteilen für die Schüler, die weite Wege in Kauf nehmen müssen und sich in großen und anonymen Schulen wiederfinden.

"Ich befürchte, dass mit den gestrigen (30. Juni 2009) Ankündigungen der Kampf um Schulstandorte beginnt. Jede größere Kommune wird nun eine Mittelschule wollen - übersehen wird dabei, dass hunderte kleine Schulstandorte keine Chance haben und von der Landkarte verschwinden werden."

Quelle und Kontaktadresse:
Bayerischer Lehrer- und Lehrerinnenverband e.V. im VBE (BLLV) Pressestelle Bavariaring 37, 80336 München Telefon: (089) 72100129, Telefax: (089) 72100155

(el)

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