Pressemitteilung | (bvse) Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung e.V.

Konzern-Strategie gefährdet Entsorgungssicherheit in Deutschland / Weitere Preiserhöhungen kommen / Marktbereinigung soll erzwungen werden

(Berlin) - Auf einen Entsorgungsnotstand steuert Deutschland nach Auffassung des bvse-Bundesverbandes Sekundärrohstoffe und Entsorgung e.V. spätestens hin. Nach den Worten von bvse-Hauptgeschäftsführer Hans-Günter Fischer sei es jetzt erforderlich zu handeln, bevor aus einem ernsten Entsorgungsengpass eine handfeste Krise im Herbst werde. Nach dem 1. Juni zeigte sich, dass die Befürchtungen des bvse eingetreten sind. Großkonzerne drehen nicht nur an der Preisschraube, sondern versuchen auch eine Marktbereinigung auf Kosten der mittelständischen Unternehmen durchzusetzen.

Vor der Presse in Berlin wies Fischer darauf hin, dass der 1. Juni 2005 eine Zeitenwende für die Abfallentsorgung in Deutschland darstelle. Abfälle dürften nicht mehr einfach auf Deponien verbracht werden, sondern müssten zuvor in Müllverbrennungsanlagen oder mechanisch-biologischen Anlagen vorbehandelt werden. Aber nicht nur diese neue Regelung, sondern auch die sich in diesem Jahr vollzogene enorme Marktkonzentration in der Branche, hätten gravierende Auswirkungen. Durch eine nie zuvor gesehene Marktkonzentration - nämlich den Kauf der Nr. 1 durch die Nr. 2 - habe der Konzern Rethmann den Konzern RWE Umwelt geschluckt. Die neue Nr. 1 REMONDIS AG ist dominanter als je ein anderes Unternehmen in der Branche und steuert eindeutig einen weiteren Konzentrationsprozess.

„Beide Ereignisse zusammen bilden das Kernproblem“ warnte Fischer, der darauf hinwies, dass REMONDIS jetzt der Konzern sei, der mit riesigem Abstand die größten Vorbehandlungskapazitäten in Deutschland direkt oder indirekt über sog. PPP-Unternehmen (gemischtwirtschaftliche) kontrolliere. Das Ziel sei erkennbar die Kapazitätsverknappung, um „knallhart Kasse“ zu machen. Das gehe nicht nur auf Kosten des Mittelstandes sowie auf Kosten der Gebührenzahler und ihrer Kommunen. Diese Konzern-Strategie gefährde die Entsorgungssicherheit in ganz Deutschland.

Der bvse beobachte in der jetzigen schwierigen Phase einen knallharten Verdrängungswettbewerb gegen mittelständische Unternehmen. So würden dem Mittelstand flächendeckend verbindliche Verträge über Vorbehandlungskapazitäten gekürzt oder gar komplett gekündigt. Die Umfrage mache sehr deutlich, dass Profit vor Entsorgungssicherheit gesetzt werde. Über die Hälfte (52 Prozent) der vertraglichen Verbrennungskontingente bei privaten Anlagenbetreibern - hier vor allem von Rethmann/REMONDIS - seien allein den mittelständischen Unternehmen gekündigt oder gekürzt worden. Und auch bei den sogenannten PPP’s, den gemischtwirtschaftlichen Anlagen von Konzernen mit Kommunen, seien laut Umfrage rund 30 Prozent der Verträge gekündigt worden. Wenn gleichzeitig dem Mittelstand vorgeworfen werde, er hätte sich nicht vorbereitet, sei das bezeichnend.

Vor diesem Hintergrund stelle sich die Frage nach der Motivation dieser Kündigungen, so bvse-Hauptgeschäftsführer Hans-Günter Fischer. Es dränge sich die Vermutung auf, dass die Müllverbrennungsanlagen überbucht wurden, also mehr Verbrennungskapazitäten verkauft wurden, als tatsächlich vorhanden sei und außerdem Kündigungen erfolgen, um durch immer neue Preisrunden Entsorgungsunternehmen aus dem Markt zu drängen.

Ins Bild passe, dass immer mehr Berichte eingingen, nachdem Unternehmen, die noch Kontigentsverträge mit der alten RWE Umwelt AG abgeschlossen hätten, diese Verträge vom neuen Eigentümer REMONDIS gekündigt würden.

Besorgt sei man auch darüber, dass auch 55 Prozent der befragten Unternehmen Kontingentskürzungen oder Annahmeverweigerung für die nächsten Wochen angekündigt worden wären. Fischer: „Das bedeutet, dass eine weitere Preisrunde in Vorbereitung ist“.

Dieses hohe Preisniveau bei Müllverbrennungsanlagen habe gleichzeitig auch zur Folge, dass kurz- und mittelfristig auch Gebührenerhöhungen für die privaten Haushalte zu erwarten sind.

Fischer erläuterte, dass es aufgrund politischer Rahmensetzung (TASi/Abfallablagerungsverordnung) zu dem auch vom bvse lange geforderten Ende der „Ex-und-Hopp-Deponierung“ von Müll gekommen sei. „Es war für alle Beteiligten klar, dass diese Vorbehandlung auch mehr Geld kostet“, führte der bvse-Hauptgeschäftsführer aus. Er betonte, dass der Mittelstand entsprechend seinen finanziellen Möglichkeiten Vorsorge getroffen habe. Nach der deutschlandweiten Umfrage hätten 88 Prozent der Unternehmen bestätigt, dass sie sich durch die Sicherung von Kontingenten oder durch den Aufbau eigener Kapazitäten sorgfältig auf diese TASi-Vorgabe vorbereitet haben.

Deutlich kritisierte Fischer jedoch die Konzern-Strategie nach dem 1. Juni: „Es war klar, dass die Preise steigen. Die Preisexplosion, die momentan stattfindet hat mit der neuen gesetzlichen Regelung aber nicht viel zu tun“. Seit diesem 1. Juni sei eine gewaltige Verstopfung im Abfluss Gewerbeabfall und auch teilweise von Hausmüll zu verzeichnen.

Der akut entstehende Rückstau von Müll-Strömen könne nach Einschätzung des bvse bereits in kurzer Frist in vielen Regionen zum Entsorgungs-Notstand führen. Es sei jetzt eine konzertierte Aktion der Politik in Bund, Ländern und Kommunen erforderlich. So sollten regionale Abfall-Konferenzen unter staatlicher Moderation - z.B. der für den Vollzug zuständigen Länder - stattfinden. „Was jetzt nötig ist, sind Maßnahmen, um „den Druck aus dem Kessel“ zu nehmen“, machte Fischer klar.

Dazu zählte er befristete Zwischenlager um Abflussmöglichkeiten für die Müllströme zu schaffen und damit den drohenden Rückstau zu verhindern. Kapazitätenkataster sollen erstellt werden und einer objektiven Lagebeschreibung dienen und einen Rahmen für regionale Planung und gegen Mülltourismus ermöglichen.

Kartellamt und Aufsichtsbehörden der Länder müssten dem Missbrauch der Anlagenbetreiber einen deutlichen Riegel vorschieben. Zudem müssten „Ablassventile“ wie die Einspeisung von Abfällen mit biogenen Anteilen als Ersatzbrennstoffe nach dem EEG (Energieeinspeisungsgesetz) kurzfristig geöffnet werden.

Quelle und Kontaktadresse:
Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung e.V. (bvse) Hohe Str. 73, 53119 Bonn Telefon: 0228/988490, Telefax: 0228/9884999

NEWS TEILEN: