Pressemitteilung | Hans-Böckler-Stiftung
Anzeige

Korrektur des Betriebsverfassungsgesetzes nicht notwendig / Mitbestimmung von Beschäftigten im Mittelstand gewünscht

(Düsseldorf) - Der auf dem 65. Deutschen Juristentag in Bonn gestellten Forderung zu einer weitgehenden Beschränkung des Betriebsverfassungsgesetzes erteilt das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung eine klare Absage. „Das novellierte Betriebsverfassungsgesetz zeigt erste positive Wirkungen“, so Prof. Dr. Heide Pfarr, Wissenschaftliche Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung, am Rande des Deutschen Juristentages. „Ich kann deshalb nicht verstehen, dass einzelne Stimmen bereits jetzt eine Korrektur der Neuregelungen insbesondere im Bereich der Klein- und Mittelbetriebe diskutieren. Das widerspricht vorliegenden Erkenntnissen über die Wünsche der Beschäftigten in diesem Segment.“

Pfarr beruft sich dabei auf eine aktuelle Studie des Büros für Sozialforschung, Kassel (Dr. Wolfgang Wassermann, „Betriebsräte nach der Reform – das neue Betriebsverfassungsgesetz in der Praxis“). Die Studie zeigt, dass die Beschäftigten der Klein- und Mittelbetriebe in breitem Umfang die Neuerungen des Betriebsverfassungsgesetzes in Anspruch genommen haben. Über 80 Prozent der „neuen“ Betriebsräte haben sich in Betrieben bis 100 Beschäftigten gebildet. Das zunächst von Arbeitgeberseite heftig kritisierte vereinfachte Wahlverfahren hatte dabei seinen Anteil an der Erfolgsgeschichte. Die neuen Regeln konnten selbst diejenigen überzeugen, die die Wahl auch nach altem Muster hätten durchführen können. Rund die Hälfte der befragten Betriebe entschied sich, soweit es rechtlich möglich war, freiwillig für das im Gesetzgebungsverfahren noch als undemokratisch gegeißelte Wahlmodell.

Auch die sonstigen Befürchtungen von Mittelständlern finden in der novellierten Mitbestimmungspraxis keine Bestätigung. Eine Kostenexplosion durch die Neuregelung der Freistellungen ist ebenso wenig eingetreten, wie eine überbordende Bürokratie durch neu hinzu gekommene Mitbestimmungsrechte.

Erste vorsichtige Tendenzen lassen folgendes erkennen: Die Novellierung der Organisationsformen der Betriebsräte wurde flächendeckend von den Betriebsparteien angenommen. Durch überbetriebliche und unternehmensübergreifende Betriebsratsstrukturen werden breitere Schichten der Belegschaft in die Mitbestimmung einbezogen. Wo bisher z. B. Beschäftigte kleiner Filialbetriebe ausgeklammert waren, schließen sie sich heute zunehmend einer regionalen Arbeitnehmervertretung des Unternehmens an. Dies ist ein nicht zu unterschätzender Beitrag zu weniger bürokratischen Strukturen und Verfahrensabläufen.

Die Reform des Betriebsverfassungsgesetzes war im Übrigen selten Gegenstand von Gerichtsverfahren. Eine bundesweite Umfrage der Hans-Böckler-Stiftung bei allen Arbeitsgerichten hat nur 26 Entscheidungen zutage befördert, die einzelne Änderungen betrafen.

Das neue Betriebsverfassungsgesetz existiert seit drei Jahren. Die vorgehende Version hatte immerhin 29 Jahre Bestand. „Ein wenig Entfaltungsmöglichkeit sollte den Neuregelungen zugestanden werden, bevor gesicherte Erkenntnisse den Weg zu einer Revision eröffnen“, so Pfarr.

Das vereinfachte Wahlverfahren ist 2001 in die Betriebsverfassung aufgenommen worden. Es ermöglicht Betrieben mit bis zu 50 Beschäftigten die Wahl des Betriebsrats in einem Zeitraum von nur 14 Tagen. In Betrieben von 51 bis 100 Beschäftigten kann dieses Verfahren zwischen Arbeitgebern und Wahlvorstand vereinbart werden (§ 14a BetrVG). Das normale Wahlverfahren dauert mindestens 6 Wochen und enthält viele komplizierte Vorschriften, bei deren Verstoß die Ungültigkeit der Wahl droht.

In seiner arbeitsrechtlichen Abteilung beschäftigte sich der Juristentag mit der Frage, ob es im Arbeitsrecht eine Differenzierung nach der Unternehmensgröße geben sollte. Solche Differenzierungen sind nicht unbekannt; das Kündigungsschutzgesetz verlangt für seine Geltung eine Mindestbeschäftigtenzahl. Dasselbe gilt für das Betriebsverfassungsgesetz, das auch gestaffelte Betriebsratsbefugnisse kennt. Stimmen aus dem Unternehmerlager verlangen eine weitergehende Beschränkung des Betriebsverfassungsgesetzes, das erst vor drei Jahren reformiert wurde.

Quelle und Kontaktadresse:
Hans-Böckler-Stiftung Hans-Böckler-Str. 39, 40476 Düsseldorf Telefon: 0211/77780, Telefax: 0211/7778120

Logo verbaende.com
NEWS TEILEN:

NEW BANNER - Position 4 - BOTTOM

Anzeige