Kulturausschuss des Deutschen Bundestags debattierte über öffentliche Kulturförderung auch am Beispiel Sachsen-Anhalts
(Berlin) - Gestern fand im Ausschuss für Kultur und Medien des Deutschen Bundestags ein öffentliches Expertengespräch zum Thema "Struktur der öffentlichen Kulturförderung" statt. Die Mitglieder des Ausschusses für Kultur und Medien informierten sich bei sechs Experten über Möglichkeiten des Bundes in der Kulturförderung, über spezielle Fragen der Musikförderung und über das Verhältnis von Förderung der Freien Szene und der bestehenden Kulturinstitutionen. Einen Schwerpunkt bildete die Situation der Kulturförderung in Sachsen-Anhalt.
Befragt wurden: Prof. Udo Dahmen, Künstlerischer Direktor und Geschäftsführer der Popakademie Mannheim; Christian Höppner, Generalsekretär des Deutschen Musikrates, Christophe Knoch, Sprecher der Koalition der Freien Szene Berlin; Dr. Nobert Sievers, Geschäftsführer der Kulturpolitischen Gesellschaft; Hortensia Völckers, Vorstand, Künstlerische Direktorin der Kulturstiftung des Bundes und Olaf Zimmermann, Moderator des Kulturkonvents Sachsen-Anhalt und Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates.
Große Übereinstimmung herrschte zwischen den Experten und den Abgeordneten darüber, dass Deutschland über eine sehr große kulturelle Vielfalt verfügt, die es zu schützen, zu fördern und weiterzuentwickeln gilt. Ebenso übereinstimmend wurde erklärt, dass neben der Förderung der bestehenden Kulturinstitutionen und tradierten Kulturförderung die zeitgenössische Kunst und hier besonders die Freie Szene besondere Aufmerksamkeit verdient. Die zeitgenössische Kunst steht für die Weiterentwicklung der Kultur. Weiter wurde von verschiedenen Experten auf die prekären Einkommensverhältnisse der freiberuflichen Künstler eingegangen und unterstrichen, dass dies in krassem Missverhältnis zur Ausbildung und geleisteten Arbeit steht. Auch wurde daran erinnert, dass der Abschlussbericht der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags "Kultur in Deutschland" noch viele wertvolle Empfehlungen zur Weiterentwicklung des kulturellen Lebens enthält, die noch nicht umgesetzt sind.
Prof. Udo Dahmen veranschaulichte am Beispiel der Popakademie Mannheim, wie eine künstlerische Ausbildungseinrichtung mit Kultur- und Bildungseinrichtungen vor Ort zusammenarbeitet. Er appellierte an die Verantwortlichen in den Kunst- und Musikhochschulen den Studierenden auch pädagogische Kenntnisse zu vermitteln, damit sie ein zweites Standbein haben. Christian Höppner unterstrich die Bedeutung der UNESCO-Konvention zum Schutz und zur Förderung der Vielfalt kultureller Ausdrucksformen als Referenzdokument für die Kulturpolitik und Kulturförderung. Weiter betonte er die Bedeutung der kulturellen Bildung für die Persönlichkeitsentwicklung. Er mahnte an, dass es neben positiven Projekten vor allem um die Sicherung der kulturellen Infrastruktur auch in der kulturellen Bildung geben muss. Christophe Knoch warb für Mindesthonorare bei der Förderung der Freien Szene, damit sich Künstler auf ihre Arbeit konzentrieren können. Ebenso sollten Kultureinrichtungen sich stärker für die Freie Szene öffnen. Dr. Norbert Sievers benannte das Erfordernis einer strukturierten Kulturentwicklungsplanung, die angesichts demografischer Veränderungen auch die Veränderung und gegebenenfalls den Abbau von Kultureinrichtungen bedeuten könnte. Weiter sah er Handlungsbedarf im Zuwendungsrecht, damit zivilgesellschaftliche Akteure und der Staat auf Augenhöhe zusammenarbeiten können. Weiter ging er auf die Arbeit der selbstverwalteten Fonds ein. Hortensia Völckers appellierte, dass die gut ausgebaute kulturelle Infrastruktur erst den Boden für die breite Freie Szene bietet. Daher ist es ihrer Ansicht nach so wichtig, die kulturelle Infrastruktur zu sichern. Zugleich sah sie die Rolle der Kulturstiftung als Initiatorin für Experimente und der Erprobung neuer Formen der Zusammenarbeit. Olaf Zimmermann setzte sich als Moderator des Kulturkonvents Sachsen-Anhalt insbesondere mit diesem Bundesland auseinander. Er lobte den vor einem Jahr eingerichteten Konvent als eine Form der Zusammenarbeit von Zivilgesellschaft, Politik, Verwaltung und Kirchen zur Vorbereitung einer mittel- und langfristigen Kulturentwicklungsplanung in einem vom demografischen Wandel besonders betroffenen Bundesland. Seines Erachtens hat der Bund in einem Bundesland wie Sachsen-Anhalt besondere Aufgaben in der Förderung der UNESCO-Welterbestätten und von international bedeutsamen Veranstaltungen wie dem 500-jährigen Reformationsjubiläum 2017 oder dem 100-jährigen Bauhausjubiläum 2019. Er sah auch eine Bringschuld bei Kultureinrichtungen, sich der Freien Szene zu widmen.
Verschiedene Abgeordnete des Deutschen Bundestags hoben in ihren Ausführungen hervor, dass der Bund nur wenige Förderkompetenzen im Kulturbereich hat und die Länder während der Debatten der Föderalismuskommission stets mit Argusaugen darüber wachten, diese zu behalten und gegebenenfalls auszubauen. Jetzt sind die Länder am Zug, dass sie nicht nur über ihre Kulturhoheit wachen, sondern sie auch mit Leben durch deutlichere Anstrengungen in der Kulturförderung verdienen.
Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates und Moderator des Kulturkonvents Sachsen-Anhalt, Olaf Zimmermann, sagte nach der Anhörung: "Es ist gut, dass sich der Kulturausschuss des Bundestags bereits seit einigen Jahren auch in öffentlichen Expertengesprächen intensiv mit Fragen der Kulturfinanzierung befasst. Dabei wird stets über den Tellerrand der eigenen Zuständigkeiten hinausgeschaut und damit eine Verantwortung für das kulturelle Leben des ganzen Landes übernommen. Für das vom demografischen Wandel und den daraus sich ergebenen finanziellen Verwerfungen besonders betroffene Land Sachsen-Anhalt wird die kulturelle Infrastruktur dauerhaft nur aufrecht zu erhalten sein, wenn der Bund bei eindeutig nationalen Aufgaben wie der Finanzierung der fünf UNESCO-Welterbestätten in Sachsen-Anhalt seine Unterstützung noch einmal deutlich ausweitet. Die gestrige Anhörung vor dem Kulturausschuss des Deutschen Bundestags hat gezeigt, dass sich die Bundestagsabgeordneten aller Parteien ihrer Verantwortung in dieser Frage bewusst sind."
Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher Kulturrat e.V.
Stefanie Ernst, Referentin, Öffentlichkeitsarbeit
Chausseestr. 103, 10115 Berlin
Telefon: (030) 24728014, Telefax: (030) 24721245