Pressemitteilung | Deutsches Verkehrsforum e.V. (DVF)

Luftverkehr: Alle Mittel zurück in den Klimaschutz

Berlin - Stabilität, Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit sind die drängendsten Herausforderungen des deutschen Luftverkehrssektors. Mit welcher Strategie diese Herausforderungen in den kommenden Jahren bewältigt werden können, hat das Deutsche Verkehrsforum (DVF) im Rahmen eines Parlamentarischen Abends in Berlin erörtert. DVF-Geschäftsführerin Dr. Heike van Hoorn forderte einen Rahmen, der die Nachhaltigkeit des Luftverkehrs stärkt und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes erhält: "Luftverkehr wird es weiter geben und er wird auch weiter wachsen. Die Frage ist lediglich, ob die deutschen und europäischen Unternehmen mit ihrem Innovationspotenzial daran teilhaben oder nicht." Van Hoorn forderte die Rückführung aller Einnahmen aus der Luftverkehrsteuer in den Sektor, damit daraus Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen der Unternehmen finanziert werden könnten.

Oliver Luksic MdB, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Digitales und Verkehr, erläuterte die Prioritäten der Bundesregierung. Nach der Corona-Krise müsse die Resilienz des Luftverkehrs gestärkt werden. Die großen Chancen seien das klimaneutrale Fliegen, die Digitalisierung und die unbemannte Luftfahrt. Luksic betonte, dass ein Schulterschluss aller Akteure nötig sei: "Der Luftverkehr ist eine Schlüsseltechnologie für unser Land. Wir setzen auf Innovation und eine breite Förderung. Nachhaltige Flugkraftstoffe sind dabei ein wichtiger Baustein, aber auch klimaneutrale und gut vernetzte Flughäfen." Beim Fit-for-55-Paket der EU forderte Luksic klare und verlässliche Ziele, verbunden mit einer wettbewerbsneutralen Umsetzung.

Dass der Luftverkehr eine Wachstumsbranche bleibe, bekräftigte auch Jost Lammers, Vorsitzender der Geschäftsführung Flughafen München GmbH. Die Lage sei mittelfristig fragil. Aber 2024 könne das Fluggastaufkommen der Vorkrisenzeit wieder erreicht werden. Lammers drängte darauf, das zweitgrößte deutsche Luftverkehrsdrehkreuz endlich an das Fernbahnnetz anzuschließen: "In diesem Punkt pochen wir auf den Koalitionsvertrag. Es ist erklärtes Ziel, Kurzstreckenflüge einzusparen. Dann muss auch dafür gesorgt werden, dass die Leute zum Flughafen kommen." Einer Kerosinsteuer erteile Lammers eine klare Absage: "Damit ist am Ende des Tages kein Gramm CO2 eingespart, aber durch den Alleingang entstünde ein großer, irreparabler Schaden für die europäische Luftverkehrswirtschaft."

Viel Unterstützung gab es auf dem Podium hingegen für den Vorschlag einer EU-weit harmonisierten Luftverkehrsabgabe, deren Einnahmen für nachhaltige Flugkraftstoff und andere Klimaschutzmaßnahmen im Luftverkehr zweckgebunden werden. Anja Troff-Schaffarzyk MdB, SPD-Bundestagsfraktion, sah eine konsequente Umsetzung der PtL-Roadmap, die Flottenmodernisierung, aber auch die weitere Arbeit am Single European Sky als wichtig an: "Unsere SPD-Position ist klar: wir müssen den Luftverkehr klimaneutral machen. Das 'Fit for 55'-Paket zeigt den Weg dorthin auf, wir müssen die Klimaschutzmaßnahmen nun wettbewerbsneutral ausgestalten. Carbon Leakage muss verhindert werden - ohne Level Playing Field gibt es keine Zustimmung der SPD."

Johannes Winter, Leiter Public Affairs der Condor Flugdienst GmbH, bat die Politik um Unterstützung, um die Stabilität des Flugbetriebs und das Vertrauen der Fluggäste in den kommenden Monaten abzusichern: "Wir sehen nach zwei Jahren Corona-Pandemie und Reiseeinschränkungen, dass Menschen wieder in den Urlaub fliegen wollen und erwarten einen guten Sommer. Damit der Luftverkehr nachhaltig wachsen und das Vorkrisenniveau erreichen kann, müssen Politik und Wirtschaft eine Lösung finden, wie mit den Mehrkosten aus der Corona-Pandemie umgegangen werden kann. Auch die Auswirkungen des Ukrainekriegs, insbesondere gestiegene Kerosinkosten, können die Erholung ernsthaft gefährden." Winter bekräftigte das Bekenntnis der Fluggesellschaften zur Zielsetzung des klimaneutralen Fliegens, unter der Voraussetzung, dass Wettbewerbsnachteile für europäische Airlines und Flughäfen verhindert würden.

Dass die Erholung des Luftverkehrs bei weitem noch nicht abgeschlossen sei, unterstrich auch Björn Simon MdB, CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag. Er sei aber optimistisch, dass das Vorkrisenniveau wieder erreicht und die Luftverkehrswirtschaft dabei auch ihrer umweltpolitischen Verantwortung gerecht werden könne: "Die Bedeutung des Luftverkehrs für den Wirtschaftsstandort Deutschland ist groß, daher muss unsere Luftverkehrswirtschaft wettbewerbsfähig bleiben. Gleichzeitig gilt es, Emissionen so gering wie möglich zu halten. Das EU-Klimaschutzpaket beinhaltet vor diesem Hintergrund leider nicht nur sinnvolle Vorschläge." Eine Kerosinsteuer lehne die CDU/CSU-Bundestagsfraktion ab.

Dr. Sabine Klauke, Chief Technical Officer bei Airbus SAS, erläuterte die Strategie des Flugzeugherstellers auf dem Weg zum klimaneutralen Luftverkehr: "Durch die Erneuerung der Flugzeugflotten kann direkt und konkret CO2 eingespart werden. Im Vergleich verbrauchen die neuesten Flugzeugmodelle 25 Prozent weniger Kraftstoff als ältere Modelle. In der Gesamtflotte machen sie heute allerdings nur etwa 12 Prozent aus. Auf den technologischen Erfahrungen bauen wir auf. Aktuell bieten zum Beispiel Nachhaltige Flugkraftstoffe (SAF) großes Potenzial. Schon heute sind unsere Flugzeuge in der Lage 50 Prozent SAF zu nutzen, die Zulassung für bis zu 100 Prozent ist angestrebt. Hier brauchen wir entsprechende Skalierung bei der Verfügbarkeit. Langfristig ist Wasserstoff die Schlüsseltechnologie."

Susanne Menge MdB, Bundestagsfraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN, erinnerte daran, dass für die Transformation des Verkehrs und anderer Sektoren künftig sehr viel mehr erneuerbare Energien benötigt würden. Sie beschrieb das Zielbild so: "Wir wollen die Herstellung und den Einsatz von Power-to-Liquid-Treibstoffen und technische Innovationen für Mittel- und Langstreckenflugzeuge fördern, insbesondere wenn diese dem Schutz des Klimas und der Menschen in den Flughafenregionen dienen. Zugleich werden wir unsere Anstrengungen verstärken, damit Reisen überall dort, wo es zumutbar ist, per Bahn stattfinden." Um den Wandel zu beschleunigen, sei neben Förderung auch ein geeigneter ordnungspolitischer Rahmen nötig. Das Fit-for-55-Paket enthalte gute Ansätze, die gestärkt werden müssten.

Dr. Patrick Nathen, Co-Founder und Vice President Product bei Lilium N.V., erläuterte die Grundidee hinter dem innovativen Shuttle-Konzept von Lilium: "Mit unserem regionalen Angebot, seinen sehr geringen Anforderungen an die Infrastruktur und dem emissionsfreien Betrieb können wir sehr schnell ein Netz von verkehrsrelevanten Verbindungen schaffen, mit dem wir auch ländliche Gegenden anbinden und die Frequenz der Verbindung an die Nachfrage anpassen können. Dank unserer Technologie werden die Flugzeuge sehr leise sein, so dass wir auch dicht besiedelte Gebiete bedienen können. Wir streben eine erste Musterzulassung im Jahr 2025 an und glauben, dass wir damit als eines der ersten Unternehmen in dieses Marktsegment einsteigen können." Eine Voraussetzung für den Markteintritt sei die sichere, effiziente Integration der Shuttle in das Flugsicherungssystem. Dafür müssten die zuständigen Behörden zeitnah Lösungen entwickeln.

Jürgen Lenders MdB, Bundestagsfraktion der Freien Demokraten, begrüßte digitale Innovationen und neue Angebotsformen im Luftverkehr ausdrücklich: "Deutschland soll Vorreiter beim CO2-neutralen Fliegen werden - das haben wir uns auf die Fahnen geschrieben. Das spiegelt sich auch im Haushalt durch Forschungsförderungen oder im Energie- und Klimafonds wieder. Besonders mit Blick auf SAF sind ein nachhaltiger Markthochlauf und eine wettbewerbsneutrale Ausgestaltung entscheidend. Am Ende des Tages entstehen Innovationen durch die IngenieurInnen und Tüftler in den Betrieben. Deshalb braucht es auch die nötige Beinfreiheit, beispielsweise durch die Abschaffung der EEG-Umlage."

Thomas Lutze MdB, Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag, erklärte, dass Wachstum und Nachhaltigkeit kein Widerspruch seien: "Wir brauchen in Deutschland gesunde Unternehmen in der Luftfahrtbranche, die schwarze Zahlen schreiben. Das bedeutet nicht, dass es mehr Flugbewegungen geben muss." Skepsis äußerte Lutze gegenüber den Plan, Wasserstoff im Luftverkehr einzusetzen. Es gebe eine enorme Nachfragekonkurrenz um grünen Wasserstoff, zum Bespiel mit der stationären Industrie: "Klimaneutrale Kraftstoffe sind nicht die einzige Lösung. Weitere Kraftstoffeinsparungen bei herkömmlichen Antrieben und durch Vermeidung von Leer- und wenig ausgelasteten Flügen sind für den Klimaschutz genauso wichtig."

Quelle und Kontaktadresse:
Deutsches Verkehrsforum e.V. (DVF) Pressestelle Klingelhöferstr. 7, 10785 Berlin Telefon: (030) 2639540, Fax: (030) 26395422

(ss)

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