Mangelhafte Agrarstatistik / Unzureichende statistische Datenerhebung und überholte Rollenmuster unterschlagen Arbeitsleistung der Frauen auf den Höfen
(Berlin) - Nun haben wir LandFrauen es amtlich: Agrarstatistik weist LandFrauen eine Nebenrolle zu (Agra-Europe 44/2004). Diese Aussage stützt sich auf den Artikel von Hannelore Pöschl (Statistisches Bundesamt, Wiesbaden) Frauen in der Landwirtschaft Ein nachrangiges Thema in den Agrarstatistiken. Der Untertitel des Beitrags macht das eigentliche Problem deutlich: Der Arbeitseinsatz von Frauen in der Landwirtschaft wird von der Agrarstatistik nicht angemessen erfasst.
Damit wird die Absicht der Autorin deutlich, mit ihrem Beitrag die Schwächen der amtlichen Agrarstatistik, in der geschlechtsspezifische Daten nur im Rahmen von Arbeitskräfteerhebungen in größeren Abständen erhoben werden, herauszuarbeiten. Das Engagement von Frauen für die Entwicklung der ländlichen Räume wird in dem Artikel durchaus hervorgehoben und die Schlussfolgerung gezogen: Die statistische Erfassung derartiger Aktivitäten steckt noch in den Kinderschuhen. Die statistischen Methoden hinken also der Veränderung der Lebens- und Arbeitswirklichkeit von Frauen auf landwirtschaftlichen Betrieben hinterher.
Es liegen aktuelle Studien vor, die deutlich machen, welche wichtige wirtschaftliche Bedeutung die Frauen auf den Höfen einnehmen. Die niedersächsische Studie Frauen sind ein Gewinn von Ines Fahning (Agrarsoziale Gesellschaft, Göttingen 2001) zeigt auf, dass Frauen auf Haupterwerbsbetrieben 63 Wochenstunden arbeiten. Die Arbeitszeit von Frauen verteilt sich auf vielfältige Aufgabengebiete, während Männer 90 Prozent ihrer Arbeitszeit auf landwirtschaftliche Tätigkeiten, die in die amtliche Statistik eingehen, konzentrieren. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass trotz der Tatsache, dass unbezahlte reproduktive Arbeiten in Haushalt, Familie und Hof vorwiegend von Frauen geleistet wird, Frauen 33 Prozent des Gesamteinkommens landwirtschaftlicher Betriebsleiterpaare erwirtschaften. Die Rheinische LandFrauenvereinigung und die Landwirtschaftskammer Rheinland haben 2003 eine Studie über die Bedeutung von Einkommenskombinationen vorgelegt. Im Rheinland betreiben 33 Prozent aller landwirtschaftlichen Betriebe eine Einkommenskombination, die meist von den Frauen auf den Höfen aufgebaut werden. Für 19 Prozent dieser Betriebe ist die Einkommenskombination die Haupteinkommensquelle der Familie, für weitere 26 Prozent ein wesentliches Standbein ihrer wirtschaftlichen Existenz. Diese Zahlen zeichnen ein anderes Bild von der Rolle der Frauen in der deutschen Landwirtschaft als die amtliche Statistik.
In der deutschen Landwirtschaft sind traditionelle Rollenmuster der Geschlechter immer noch wirksam: Hannelore Pöschl zeigt auf, dass Betriebsleiterinnen zu 61 Prozent im Haushalt arbeiten, während das nur 17 Prozent der männlichen Betriebsleiter tun. Die wenigen Frauen, die einen landwirtschaftlichen Betrieb leiten, sind also noch zusätzlich durch Arbeiten im Haushalt belastet. Weiterhin wird der wirtschaftliche Wert unbezahlter Arbeit in Haushalt, Familie und Hof statistisch nicht erfasst und gesellschaftlich nicht als ernst zu nehmender Wirtschaftsfaktor anerkannt. Das Bundesverfassungsgericht ist da schon weiter: In ihrem Urteil vom 09.12.2003 stellen die Verfassungsrichterinnen und Verfassungsrichter fest, dass der landwirtschaftliche Haushalt in einem engen Verhältnis zum Betrieb steht und in der Arbeitspraxis auf den Höfen nicht von diesem zu trennen ist. Die Studie von Ruth Rossier (Eidgenössische Forschungsanstalt für Agrarwirtschaft und Landtechnik, Tänikon/Schweiz 2003) Rollenmodelle in der Landwirtschaft: Flexibilität in der Rollenverteilung verbessert Zukunftsperspektive des bäuerlichen Familienbetriebs macht deutlich, dass die Überwindung traditioneller Rollenmuster die Innovationsfähigkeit und den wirtschaftlichen Erfolg von Familienbetrieben in der Landwirtschaft entscheidend erhöht. Und immer wieder sind es die Frauen auf den Höfen, die nach vorn blicken und neue Betriebszweige entwickeln.
Vielfach sind es die Frauen selbst, die ihre Arbeitsleistung durch falsche Bescheidenheit herunterspielen. Diese Zeiten sollten vorbei sein, denn das Gesicht der Innovation im ländlichen Raum ist weiblich. Die amtliche Statistik muss dem endlich Rechnung tragen.
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