Medien müssen auch im Wahlkampf objektiv berichten
(Berlin) - "Auch aus der Distanz zum Wahlabend heraus sage ich: Die pauschale Medienschelte von Gerhard Schröder war völlig unangebracht", sagte DJV-Bundesvorsitzender Michael Konken am gestrigen (12. Oktober) Abend zu Beginn der Podiumsdiskussion "Vierte Gewalt oder vierter Wahlverlierer? - Die Medien und der Bundestagswahlkampf" in Berlin. Vor allem die Journalisten der Lokalzeitungen hätten vor der Bundestagswahl hervorragende Arbeit geleistet, um Licht ins Dunkel des kurzen Wahlkampfs zu bringen. "Warum Gerhard Schröder und dann auch noch Otto Schily von Medienmacht und Medienkampagne sprachen, ist mir schleierhaft."
Auf Einladung des DJV und des Vereins Berliner Journalisten kamen am Dienstagabend rund 130 Gäste, die meisten von ihnen Journalisten, zu der Podiumsdiskussion, die von der Chefredakteurin der Deutschen Welle, Dagmar Engel, moderiert wurde. Neben Michael Konken saßen der Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Wolfgang Donsbach, der Leiter des ARD-Hauptstadtstudios Thomas Roth und Christian Bommarius, leitender Redakteur der Berliner Zeitung, auf dem Podium.
Donsbach stellte fest, dass die heutige Journalistengeneration kaum noch parteipolitisch orientiert sei. "Wenn es Parteilichkeit gibt, ist sie zufällig und abhängig vom Wert einer Nachricht." Es gehe nicht in erster Linie um den Kampf der Meinungen, sondern um die möglichst neutrale Darstellung des Geschehens.
Eine Lanze für mehr Meinung in den Medien brach Christian Bommarius. "Wir brauchen mehr Meinungen, allerdings auf den Meinungsseiten. Ein großes Manko im Wahlkampf war, dass die abgedruckten Meinungen auf Umfragen der Demoskopen aufbauten. Der öffentliche Meinungskampf darf nicht auf Umfragen schielen." Selbstkritisch fügte er hinzu: "Der Aktualitätsdruck unter uns Journalisten nimmt ständig zu. Die Folge: Alle reden, keiner sagt was."
Das hat ARD-Studioleiter Thomas Roth im Wahlkampf auch bemerkt. "Das desinformierende Grundrauschen war bei allen Medien zu beobachten. Redaktionen müssen auch mal nein sagen, wenn eine Geschichte keine ist." Die Medienkritik von Bundeskanzler Schröder teilte Roth nicht. Jedoch sei deutlich geworden, dass der Journalismus Bestandteil der Stimmungsdemokratie sei.
Hätten die Journalisten im Wahlkampf stärker beobachten sollen, was sich außerhalb des Berliner Regierungsviertels tut, wie die Leute draußen denken? Diese Frage warf Moderatorin Dagmar Engel in die Runde. Theoretisch ja, so der Tenor des Podiums. "Der knallharte Wettbewerb der Journalistinnen und Journalisten in Berlin verhindert die Wirklichkeitsnähe", erwiderte Konken. Und Roth fügte hinzu, dass er wegen der Sparpolitik der Verleger um gute Seite-drei-Geschichten fürchte.
Überwiegend skeptisch waren Podiumsteilnehmer und Gäste mit Blick auf den nächsten Wahlkampf. "Die Wellenbewegungen in den Meinungen der Medien werden künftig noch stärker werden", prognostizierte Wolfgang Donsbach. Thomas Roth warnte vor der Dequalifikation und Entpolitisierung im Journalismus. Und Christian Bommarius stellte mit Blick in die Zukunft fest, dass die Überfülle an Nachrichten eine objektive Selektion durch den Journalisten unmöglich mache. Michael Konken forderte: "Die Medien dürfen Politikern nicht weiter ungehemmt die Bühne fürs Entertainment bieten."
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