Pressemitteilung | Bundesverband Medizintechnologie e.V. (BVMed)

MedInform-Konferenz zur Wiederverwendung von Medizinprodukten: „Aufbereitungspraxis muss stärker überwacht werden“

(Berlin) - Die stärkere Überwachung der Aufbereitung von Medizinprodukten in den Kliniken und Arztpraxen in Deutschland durch die zuständigen Behörden haben die Experten der MedInform-Konferenz zur Wiederverwendung von Medizinprodukten in Frankfurt gefordert. Nach Aussage von Dr. Jürgen Attenberger vom niedersächsischen Gesundheitsministerium sei die Aufbereitungspraxis bereits ein Schwerpunkt der Überwachungstätigkeit. Allerdings sei das Vorgehen der Bundesländer sehr unterschiedlich. An der Veranstaltung mit dem Titel „Qualität durch Professionalität“ nahmen mehr als 80 Unternehmens-, Behörden- und Klinikvertreter teil. MedInform ist der Informations- und Seminarservice des BVMed.

Nach Ansicht der Experten lautet die Kernfrage: Was können alle Beteiligten tun, um die Patientensicherheit bei der Aufbereitung von Medizinprodukten zu gewährleisten? Ein besonderes Problem sei dabei der wirtschaftliche Druck, der die Qualität der medizinischen Versorgung in Kliniken, Arztpraxen und auch in der häuslichen Pflege belaste. Darunter dürfe die Patientensicherheit keineswegs leiden, so Amtsrichter Hans-Werner Röhlig. Unternehmensvertreter Peter Schröer von Ethicon Endo-Surgery forderte, dass die Aufbereiter die gleichen Anforderungen wie die Hersteller erfüllen sollten: „Es sollten die gleichen Spielregeln wie bei der Herstellung gelten, um die Anwender- und Patientensicherheit zu gewährleisten.“ Basis des Handelns sollte sein, dass Medizinprodukte Patienten, Anwendern und Dritten einen hochgradigen Schutz bieten müssen. BVMed-Geschäftsführer Joachim M. Schmitt sprach als Moderator der Konferenz von einem „nach wie vor vorhandenen großen Unbehagen beim Thema Aufbereitung von Medizinprodukten – nicht nur bei Einmalprodukten, sondern auch bei Mehrfachprodukten“.

Einen Praxisbericht aus einem Krankenhaus gab Ulla Geibel, Leiterin der Zentralen Sterilgutversorgung im Universitätsklinikum Heidelberg, zu Beginn der Konferenz. Sie berichtete von einem oft schlechten Stand der Technik in den Kliniken. Eine Validierung der Sterilisations- und Aufbereitungsprozesse finde wegen fehlender finanzieller Mittel oft nicht statt. Zudem seien viele Aufbereitungsanleitungen schlecht. Zum Schutz der Patienten und Anwender sei es wichtig, die rechtlichen Vorgaben aus dem Medizinproduktegesetz (MPG) und der Betreiberverordnung einzuhalten sowie die Aufbereitung gemäß der Herstellervorgaben und nach der RKI-Empfehlung zu den „Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten“ durchzuführen. Dazu gehöre ein hoher Ausbildungsstandard und eine regelmäßige Unterweisung des Personals. Wichtig sei die Festlegung standardisierter Abläufe im Rahmen des Qualitätsmanagements bei der Sterilisation von Medizinprodukten in der Klinik. Von der Aufbereitung ausgeschlossen werden sollten Medizinprodukte, bei denen die Reinigung nicht gewährleistet werden kann oder die ein hohes Verletzungsrisiko bergen. So werde ein Herzkatheter grundsätzlich nie in der Klinik aufbereitetet. Oft sei ein Neukauf auch billiger als ein aufwändiges validiertes Verfahren der Aufbereitung. Frau Geibels Fazit: „Die Qualität der Aufbereitung in Deutschland muss noch wesentlich verbessert werden“.

Der operierende Augenarzt Dr. Michael Knoche von der Augenklinik Stadthagen erläuterte die Aufbereitungsproblematik aus der Sicht einer niedergelassenen Arztpraxis. Die Besonderheiten der Augenheilkunde sind schwer zu reinigende und zu sterilisierende Instrumente, aber auch das Problem der unbemerkten Prionen-Übertragung (TSE/BSE, CJK). Da eine manuelle Aufbereitung nicht validierbar sei, müssten die Praxen auf die maschinelle Aufbereitung umstellen. Hier gebe es aber Probleme, beispielsweise bei den sehr feinen Hinterabschnittsinstrumenten. Zudem sei die Umstellung für viele Praxen zu teuer. Durch die zunehmende Zahl von Anbietern ophthalmochirurgischer Leistungen bestehe die Gefahr, dass Aufbereitungsstandards nicht eingehalten werden, um die Gewinnschwelle zu erreichen. Deshalb gebe es eine zögerliche Umsetzung der neuen Anforderungen an die Aufbereitung. Die Bereitwilligkeit zur Änderung hängt auch von der Überwachungstätigkeit der Behörden und dem Verhalten der Krankenkassen ab, so Dr. Knoche.

Michael Schmitz, Marketingleiter der Servox AG in Köln, beleuchtete die Aufbereitung und den Wiedereinsatz von Medizinprodukten im häuslichen Bereich am Beispiel der Absauggeräte für tracheotomierte und laryngektomierte Patienten. Es gibt rund 15.000 bis 20.000 Versorgungsfälle pro Jahr. Die Einsatzdauer der Geräte reicht von wenigen Wochen bis zu mehreren Jahren. Probleme bei der Aufbereitung sind der Kostendruck durch die Krankenkassen, die nur 50 bis 70 Euro für einen Wiedereinsatz erstatten, sowie die „Aufbereitung“ durch ein nicht autorisiertes oder fachlich nicht qualifiziertes Unternehmen. Die Folge sei ein hohes Gefährdungspotential für Patienten und Pflegende. Der BVMed habe deshalb eine Leitlinie „Aufbereitung von Absauggeräten“ als Grundlage für die sachgerechte Aufbereitung erstellt. Notwendig sei jedoch ein adäquates Erstattungsniveau durch die Krankenkassen, so Schmitz. „Es darf nicht auf Kosten der Qualität und der Patientensicherheit gespart werden.“ Bei Verhandlungen mit den Krankenkassen müsse deshalb die Qualität der Versorgung eine stärkere Rolle spielen.

Die Position eines externen Aufbereiters vertrat Robert Schrödel, Vorstandsvorsitzender der VANGUARD AG. Das Unternehmen bereitet hochkomplexe Medizinprodukte für 680 Kliniken auf und ist zudem der europaweit größte Sterilgutversorger mit 82 Millionen aufbereiteten Instrumenten. Sein Kernthema: „Für immer komplexere Medizinprodukte brauchen wir Spezialanlagen, die ein großes Investment in die Anlagentechnik voraussetzen. Diese Produkte können im Krankenhaus nicht aufbereitet werden!“ VANGUARD habe mehr als 12.200 Einmalprodukte untersucht. Nur rund 20 Prozent konnten mit validierten Verfahren unterlegt werden. Der größte Teil der Einmalprodukte sei nicht aufbereitbar. Auch viele Mehrwegprodukte können nach Ansicht von Schrödel nicht aufbereitet werden, beispielsweise Mehrweg-Führungsdrähte. Wichtig sei der Dialog und die Kooperation der Aufbereiter mit den Herstellern, beispielsweise zur Optimierung der Lebensdauer hochwertiger Medizinprodukte. Schrödels Appell: „Der Kostendruck im Gesundheitssystem sollte Hersteller und Aufbereiter zusammenschweißen. Komplexe Medizinprodukte dürfen nicht im Krankenhaus aufbereitet werden, nur weil der ökonomische Druck auf die Kliniken immer größer wird.“

Die Aufbereitungspraxis ist seit Mitte 2003 Schwerpunkt der Medizinprodukteüberwachung, so Dr. Jürgen Attenberger vom niedersächsischen Gesundheitsministerium. Die Klinik als Betreiber des Medizinproduktes sei immer in der Verantwortung für das aufbereitete Produkt, auch wenn es extern aufbereitet wurde. In Niedersachsen habe eine Arbeitsgruppe Anforderungen für die Überwachungstätigkeit formuliert, um eine einheitliche Vorgehensweise im Vollzug sicherzustellen. Derzeit befinde man sich in der Abstimmung mit Nordrhein-Westfalen. Ziel sei es, dass alle Länder vergleichbar überwachen. Die Überwachung der Krankenhäuser habe erhebliche Mängel offengelegt. „Nur sehr wenige Kliniken erfüllen die Anforderungen insgesamt“, so Dr. Attenberger. Ein großes Problem sei die oft unzureichende Reinigung. Über 50 Prozent der Kliniken erfüllen nicht die rechtlichen Anforderungen allein bei der Dampfsterilisation. Im ambulanten Bereich sei die RKI-/BfArM-Empfehlung überwiegend unbekannt. Die Sterilisationsgeräte seien meist vernachlässigt und veraltet. Attenberger empfahl den verstärkten Aufbau von Aufbereitungsgemeinschaften im niedergelassenen Bereich.

Technische und rechtliche Probleme der Aufbereitung von Einmalprodukten thematisierte Dr. Hans Haindl, Vorsitzender des Bundesverbandes der Sachverständigen für Medizinprodukte. Nach seiner Schätzung werden in 25 Prozent der Kliniken Einmalprodukte wiederverwendet. Er berichtete über zahlreiche Praxisfälle unzureichender Aufbereitung bis hin zu dokumentierten Todesfällen, beispielsweise nach Infektion durch ein wiederverwendetes Endoskop. „Dies alles geschieht unter den Augen der europaweit aufwändigsten Medizinprodukteüberwachung“, so Dr. Haindl. Seine Kritik: Es werde eine Art sicherheitstechnischer Schwarzmarkt eröffnet, der den Patienten nicht zuzumuten sei. Das Dilemma der Medizinprodukteindustrie sei es, einerseits eine hohe Verletzungssicherheit für den Patienten sicherzustellen, andererseits damit eine hohe Verletzlichkeit des Produktes zu erhalten. Die Konsequenz aus der Duldung der Wiederaufbereitung könnte der Abschied von diesem hohen Fertigungsniveau sein. „Wenn hohe Standards bei zweiter Benutzung nicht erforderlich sind, dann auch nicht bei erster“, beschreibt Dr. Haindl die Gefahr der Aufbereitungspraxis in Deutschland.

Patientensicherheit versus Kosteneinsparung: Das ist für Peter Schröer von Ethicon Endo-Surgery, Sprecher der Arbeitsgruppe „Re-Use“ der europäischen Medizinproduktehersteller, die Konfliktsituation. Die Forderung, die Aufbereiter genauso zu regulieren wie die Hersteller, wurde auf europäischer Ebene abgelehnt. Die Überarbeitung der europäischen Medizinprodukterichtlinie sehe keine Regelung über die Aufbereitung von Einmalprodukten vor. Schröer gab eine Übersicht zur Aufbereitungssituation in Europa. In Frankreich und Spanien ist die Aufbereitung von Einmalprodukten verboten. Auch Italien spricht sich dagegen aus. In England schreibt die zuständige Behörde vor, dass Einwegprodukte „unter keinen Umständen wieder verwendet werden“ sollen. Für Aufregung sorgte im Jahr 2003 der Todesfall eines neunjährigen Jungen verursacht durch die Verwendung eines aufbereiteten Beatmungsschlauchs. In Deutschland ist die Aufbereitung gängige Praxis, die Qualität müsse aber hinterfragt werden. Eine Studie von Professor Beck mit über 2.000 aufbereiteten Produkten zeigte, dass fast die Hälfte der Produkte Oberflächenschäden und Kontaminationen aufweisen.

Hans-Werner Röhlig, Richter am Amtsgericht Gladbeck, zeigte die rechtlichen Grenzen der Aufbereitung von Einmalprodukten auf. Der Patientenanspruch auf eine sichere Versorgung nach den aktuellen Erkenntnissen der Wissenschaft sei stets zu gewährleisten. „Bestehen Zweifel daran, dass aufbereitete Produkte genauso sicher sind wie neue, dann ist deren Einsatz zu unterlassen. Das Krankenhaus muss im Einzelfall nachweisen, dass das Medizinprodukt nach einem validierten und dokumentierten Verfahren gereinigt, desinfiziert und sterilisiert worden ist. Die RKI-Empfehlung sei der Maßstab für die Gerichte. Das dürfte bei der Aufbereitung der meisten Einmalprodukte nicht nachweisbar sein und damit gehe das Krankenhaus ein großes rechtliches Risiko ein. Sein Fazit: „Der Therapeut bleibt stets dem Gebot verpflichtet, den größtmöglichen therapeutischen Nutzen bei den geringst möglichen Belastungen zu gewährleisten. Es stellt in der Regel einen Behandlungsfehler dar, wenn er unter mehreren Alternativen die risikoreichere wählt. Weder Wirtschaftlichkeitsgebot noch Negativlisten und Budgetierungen können diese normative Regelung außer Kraft setzen.“

Quelle und Kontaktadresse:
Bundesverband Medizintechnologie e.V. (BVMed) Manfred Beeres, Referent, Presse- u. Öffentlichkeitsarbeit Reinhardtstr. 29b, 10117 Berlin Telefon: (030) 246255-0, Telefax: (030) 246255-99

(sk)

NEWS TEILEN: