Pressemitteilung | Bundesverband Medizintechnologie e.V. (BVMed)

MedInform-Workshop: „Umweltauflagen für die MedTech-Branche frühzeitig beachten und in die Entwicklungspraxis einbeziehen“

(Berlin) - Neue Umweltauflagen für Medizinproduktehersteller kommen immer häufiger von der Europäischen Union, sind aber den Unternehmen oftmals nur wenig bekannt. Die neuen Pflichten aus dem Umweltrecht sollten jedoch frühzeitig beachtet und in die Entwicklung und Produktion einbezogen werden, um böse Überraschungen im nachhinein zu vermeiden. Zudem sei es wichtig, die nationale Umsetzung von Umweltauflagen bereits bei der Entstehung in Brüssel mitzugestalten. Das war ein Fazit des MedInform-Workshops „Umweltrecht und Medizinprodukte“ am 9. April 2008 in Frankfurt mit über 50 Teilnehmern. Die Veranstaltung informierte über neue Pflichten für Medizinproduktehersteller, die sich aus dem Umweltrecht ergeben. Dabei geht es unter anderem um die Relevanz von REACH für die MedTech-Branche, die neuen Anforderungen an die Verpackungsentsorgung, um „Ökodesign“ für medizinische Geräte und die Anforderungen der Batterie-Richtlinie.

Die Experten erkannten vor allem die Tendenz, Anforderungen aus dem Umweltschutzbereich in das Medizinprodukterecht einzubeziehen. Hier müsse darauf geachtet werden, dass Medizinprodukterecht und Umweltrecht auch weiterhin parallel gelten sollten. Denn während bislang Gesundheit und Sicherheit im Fokus des Medizinproduktegesetzes stehen würden, sei der Schutz der Umwelt kein definiertes Ziel. „Gesundheitsschutz kommt vor Umweltschutz“, so BVMed-Expertin Elke Vogt. Diese Priorität des Gesundheitsschutzes und die umfassenden Auflagen des Medizinprodukterechts hätten in wenigen Fällen dazu geführt, dass Medizinprodukte von Regelungen aus dem Umweltrecht, beispielsweise den Schadstoffverboten der RoHS-Richtlinie, ausgenommen wurden. Es sei damit zu rechnen, dass diese Ausnahmeregelungen künftig schwinden würden. Die Branche sollte sich deshalb auf nationaler und europäischer Ebene noch besser einbringen, so die Experten der MedInform-Konferenz.

„Umweltschutz ist kein spezielles Thema für die Medizintechnik, aber es gibt spezifische Fragestellungen der Medizintechnik, mit denen wir uns befassen sollten“, betonte Elke Vogt, Umwelt- und Verbraucherschutzexpertin des BVMed. So sehe die europäische Chemikalien-Verordnung REACH nur wenige Ausnahmen für Medizinprodukte vor. Da bereits am 1. Juni 2008 die Vorregistrierung beginne, sollten die Unternehmen jetzt unbedingt ein Inventar ihrer Produkte und verwendeten Stoffe erstellen, um zu klären, in welchen Bereichen man von REACH betroffen sein könnte. Aktuell werden auch die WEEE-Richtlinie über Elektroaltgeräte und die RoHS-Richtlinie über die Schadstoffvermeidung in Geräten überarbeitet. Die Ausnahmen für Medizinprodukte würden auch hier fallen. Im Rahmen der EuP-Richtlinie werde bereits über Ökodesign-Vorgaben für bestimmte Medizinprodukte nachgedacht. Daneben müsse die Batterie-Richtlinie beachtet werden. Die Umweltauswirkungen energiebetriebener Produkte werden damit gleich mehrfach geregelt - und sie betreffen auch Medizinprodukte, so Frau Vogt. Ein weiteres Thema sei die Verpackungsverordnung. Mit der 5. Novelle der Verpackungsverordnung würden Hersteller zur Abgabe von „Vollständigkeitserklärungen“ über ihr Verpackungsmaterial verpflichtet. Die gewollte Förderung eines fairen Wettbewerbs werde neue Fragen nach der besten Entsorgungslösung für medizinische Verpackungen aufwerfen.

Detaillierte Einblicke in die 5. Novelle der Verpackungsverordnung gab Karsten Hellmuth, Umweltrechtsexperte der B. Braun Melsungen AG. Die Novelle trat am 2. April 2008 in Kraft. Die Teilnahme an Dualen Systemen (DS) sei für alle Hersteller und Vertreiber von Verkaufsverpackungen verpflichtend, die typischerweise beim privaten Endverbraucher anfallen. Neu sei, dass es keine Kennzeichnungspflicht für Verkaufsverpackungen mehr gebe. Die Teilnahmepflicht entfalle bei Selbstentsorgung beispielsweise im Rahmen eines „Branchen-Entsorgungskonzepts“. Voraussetzungen seien „branchenbezogene Erfassungsstrukturen je Bundesland“, eine „regelmäßig kostenlose Rückgabemöglichkeit“ sowie die „Rücknahme bei allen Anfallstellen, die privaten Haushalten gleichgestellt sind“. Für „Inverkehrbringer von Verkaufsverpackungen, die beim privaten Endverbraucher anfallen“ gebe es die Pflicht zur Vollständigkeitserklärung (VE). Die VE müsse Angaben enthalten zu Materialart und Masse, zur Beteiligung an einem Dualen System und zur Erfüllung der Verwertungsanforderungen an Verkaufsverpackungen, die nicht beim privaten Endverbraucher anfallen. Die VE müsse erstmals zum 1. Mai 2009 elektronisch – über eine Internetmaske - bei der örtlich zuständigen IHK für das Jahr 2008 hinterlegt werden. Bei der Wahl eines Selbstentsorgersystems sei es für die MedTech-Branche wichtig, ein geprüftes System auszuwählen, das möglichst viele Krankenhäuser, Apotheken und Arztpraxen abdeckt. Die Novelle erfordere von den Unternehmen auch eine genaue Ermittlung der Verpackungsmengen nach Materialart.

Heinz Udo Faust von der Unternehmensberatung prime.aid stellte die Umweltschutz-Vorgaben der Europäischen Union für Elektrogerätehersteller vor. Derzeit werde an einer Novellierung der "WEEE"-Richtlinie 2002/96/EG über die Entsorgung von Elektroaltgeräten gearbeitet. Grundlage der Diskussion seien drei Studien zur Novellierung u. a. durch Ökopol. Das Institut schlägt vor, unnötigen Verwaltungsaufwand zu vermeiden, indem beispielsweise der Bereich Business-to-business (B2B) herausgenommen wird. Außerdem wird die Schaffung eines zentralen europäischen Clearing-Hauses für die WEEE-Hersteller und die Abwicklung der Verpflichtungen über ein nationales Register vorgeschlagen. Ein spannenderes Thema für MedTech-Unternehmen sei die Richtlinie über die Beschränkung der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe (Richtlinie 2002/95/EG - RoHS). Hier sei die Kategorie 8 „Medizinprodukte“ bislang von den Regelungen ausgenommen. Ziel der Überarbeitung sei es, die Ausnahmenliste zu reduzieren. Falls die generelle Ausnahme falle, sollen zumindest einzelne Ausnahmenbereiche definiert werden. So sollen beispielsweise implantierte Geräte dauerhaft ausgenommen bleiben. Ein weiteres Problem der RoHS-Richtlinie sei die ungleiche Umsetzung in den Mitgliedsstaaten, was zu Wettbewerbsverzerrungen im Binnenmarkt führe. Weitgehend verkannt seien bisher die Auswirkungen, die die Novellierung der EU-Richtlinie über Battereien (2008/66/EG) mit sich bringe. Deren Umsetzung dürfte, so Faust, mindestens so viel Handlungsbedarf mit sich bringen wie die Novelle der Verpackungsverordnung.

Vor einem „bösen Erwachen“ bei der europäischen Chemikalien-Verordnung REACH warnte Dr. Michael Lulei vom Verband der Chemischen Industrie (VCI) die Medizinprodukte-Unternehmen. Ganz wichtig sei es, dass jedes Unternehmen diejenigen Stoffe selbst vorregistrieren muss, die es nach dem 1. Juni 2008 noch herstellen oder importieren möchte. „Ohne die Registrierung ist ab 1. Juni 2008 die Herstellung, der Import und das Inverkehrbringen eines Stoffes über einer Tonne verboten.“ Die Vorregistrierung sei erforderlich, um die Übergangsfristen in Anspruch zu nehmen. Die Länge der Fristen richtet sich nach der Menge und der "Gefährlichkeit" der Stoffe. Die Vorregistrierung sei mit wenig Aufwand verbunden und kostenfrei, so der REACH-Experte. Sollte die Registrierung versäumt werden, droht im schlimmsten Fall ein Produktions- oder Importstop, bis die Registrierung erfolgt ist. Wer unsicher ist, ob ein Stoff vorregistriert werden kann, kann in einer ESIS-Datenbank recherchieren. Die Adresse lautet http://ecb.jrc.it. Die dort enthaltenen Angaben reichen bereits für eine Vorregistrierung, um die Übergangsfristen in Anspruch nehmen zu können. Vorregistriert werden sollten Stoffe, die im Unternehmen hergestellt oder vom Unternehmen aus dem EU-Ausland importiert werden. Dies gelte nicht nur für Stoffe, die in Verkehr gebracht werden, sondern auch für Zwischenprodukte oder Stoffe in importierten Zubereitungen oder Erzeugnissen. Zur Vorbereitung im Unternehmen empfiehlt Dr. Lulei die Bennenung eines REACH-Beauftragten und die Erstellung eines Stoff- und Produktinventars. Einführende Informationen gibt es bei der Europäischen Agentur für chemische Stoffe (ECHA) unter: http://echa.europa.eu/home_de.html.

Erste Erfahrungen mit der Umsetzung von REACH schilderte Thomas Himstedt vom Dialyse-Spezialisten Fresenius Medical Care. Die REACH-Umsetzung wurde als eigenes Projekt organisiert: mit einem Projektverantwortlichen, der die Praktiker einbinden und ein Netzwerk mit den Produktionsstätten bilden sollte. Zunächst musste die eigene Rolle des Unternehmens geklärt und ein Stoffregister erstellt werden: Wo ist man Hersteller von Stoffen/ Zubereitungen, Importeur von Stoffen/Zubereitungen oder Hersteller von Erzeugnissen? Danach muss eine Pflichtenliste erstellt werden. Früh genug sollten mögliche Risiken identifiziert werden, für Produktionsprozesse, Produkte und Unternehmen. Dazu gehören Aspekte wie die Auswirkungen steigender Rohstoffpreise durch hohe Registrierkosten, die mögliche Einstellung der Lieferung von Stoffen und die Suche nach alternativen Lieferanten oder auch alternativen Stoffen sowie die mögliche Änderung von Produktionsverfahren aufgrund von REACH-Auswirkungen. Bei der Vorregistrierung empfiehlt Himstedt ebenfalls den Grundsatz: Im Zweifel für die Vorregistrierung.

Magnus Bodmer von der PAUL HARTMANN AG vertiefte die Bedeutung von REACH für Medizinprodukte-Hersteller. Eine typische Reaktion bei REACH sei: „Aber wir sind doch kein Chemie-Unternehmen…“. Die Medizintechnik-Industrie werde durch REACH zwar nur am Rande getroffen. „Aber die indirekten Auswirkungen werden uns voll treffen. Denn die Produktion von Medizinprodukten ist ohne Chemie nicht möglich“, so Bodmer. Aber auch Naturstoffe seien nicht grundsätzlich aus den REACH-Anforderungen ausgenommen. So müsse beispielsweise auch Gelatine, die bei Medizinprodukten eingesetzt werde, im Rahmen von REACH registriert werden. Es gebe zwar kleine Ausnahmen für Medizinprodukte, in der Praxis seien sie aber kaum hilfreich und relevant. Direkt von REACH regulierte Produkte seien Medizinprodukte, die gleichzeitig Stoffe oder Zubereitungen sind, beispielsweise Wundgele, medizinische Klebstoffe oder Dialyselösungen, sowie Erzeugnisse mit beabsichtigter Freisetzung. Direkt von REACH regulierte Produkte seien auch Erzeugnisse mit SVHC („Substances of Very High Concern“). Hier gebe es im Internet einsehbare Listen. Ein Einsatz dieser Stoffe in Medizinprodukten werde voraussichtlich nicht kurzfristig verboten, werde aber langfristige problematisch sein. „Deshalb muss man sich früher oder später mit der Umstellung dieser Stoffe beschäftigen.“

Michael Wimmer vom Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller (BAH) zeigte die Betroffenheit der Pharmaindustrie beim Thema REACH auf. REACH betreffe sämtliche Branchen, die Chemikalien verarbeiten und mache nicht vor Arzneimitteln halt, auch wenn Stoffe in Arzneimitteln aus vielen REACH-Anforderungen ausgenommen seien. Wie alle anderen Unternehmen müssten auch die Pharmahersteller jetzt die gleichen Maßnahmen zur Erfassung ihrer Unternehmenstätigkeit und der eingesetzten Stoffe und Zubereitungen durchführen. Zudem haben viele pharmazeutische Unternehmer ein breites Portfolio, das verschiedene Produkte wie Arzneimittel, Lebensmittel, Medizinprodukte und Kosmetika umfasst, die jeweils nur eingeschränkt von REACH ausgenommen sind. Die bestehenden Ausnahmen müssten deshalb genau geprüft werden. Für Medizinprodukte, die nur als Träger von Arzneimitteln dienen gilt: Auch hier greifen die Ausnahmen der REACH-Verordnung für Arzneimittel. Für Kombinationen aus Arzneimitteln und Medizinprodukten, deren Hauptwirkung die eines Medizinproduktes ist, erläuterte Wimmer, warum eine Registrierung sachlich nicht gerechtfertigt ist: Diese Kombinationsprodukte unterliegen im Rahmen des Medizinprodukterechts den gleichen Prüfungen durch Externe wie reine Arzneimittel.

Quelle und Kontaktadresse:
Bundesverband Medizintechnologie e.V. (BVMed) Manfred Beeres, Referent, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit Reinhardtstr. 29b, 10117 Berlin Telefon: (030) 246255-0, Telefax: (030) 246255-99

(tr)

NEWS TEILEN: