Pressemitteilung | Milchindustrie-Verband e.V. (MIV)

Milcherzeuger protestieren gegen niedrige Milchpreise / Ursachen und Hintergründe für aktuellen Preisverfall

(Berlin) - Erneut demonstrieren in diesen Tagen deutsche Milchviehhalter, um auf die niedrigen Marktpreise für den von ihnen erzeugten Rohstoff Milch hinzuweisen. Auch in anderen europäischen Ländern könnte in den nächsten Wochen mit Protestaktionen von Milchbauern zu rechnen sein.

Bereits im vergangenen Jahr hatten deutsche Milchbauern versucht, durch einen "Milchlieferboykott" die Milchindustrie zur Zahlung höherer Preise zu veranlassen und die deutsche Politik für gezielte Maßnahmen zur Stützung des Milchmarktes in Deutschland und in der EU zu gewinnen. Dennoch sind die Preise für Milch weiter gesunken - erfreulich für die Verbraucher, unerfreulich für die Milcherzeuger.

Nach der Hochpreisphase 2007/2008 werden aktuell die Schattenseiten der Liberalisierung des Milchmarktes, wie sie politisch mit Zustimmung Deutschlands beschlossen wurde, sichtbar. Diesen neuen Marktschwankungen sind Milcherzeuger und Molkereien gleichermaßen unterworfen. Strukturelle Anpassungsprozesse sind die Folge, die von der Politik flankierend zu begleiten sind. Sobald die Marktkräfte bei Angebot und Nachfrage wieder Änderungen herbeiführen, wird auch die Gesamtsituation dem folgen. Langfristig sehen die Wissenschaftler die Zukunft der europäischen Milchwirtschaft positiv: Die Weltbevölkerung wächst schneller als das Milchangebot. Auch Deutschland mit seinen guten Erzeugerstandorten und gut ausgebildeten Milcherzeugern sollte davon profitieren können.


Hintergrund:

Was ist der Grund für die anhaltend schlechte Situation am Milchmarkt?

Die schwierige Situation am internationalen, europäischen und damit auch am deutschen Milchmarkt ist nicht neu, hat sich aber im Zusammenhang mit der weltweiten Wirtschaftskrise seit Sommer letzten Jahres weiter verschlechtert. Sinkende Absätze im In- und Ausland haben die Weltmarktpreise für Milch und Milchprodukte auf einen Tiefststand gedrückt.

Die Brüsseler Marktverwaltung versucht zwar in gewissem Umfang gegenzusteuern, der Effekt jedoch bleibt begrenzt. Letztendlich bestimmen weltweit Angebot und Nachfrage den Preis, was auf kurz oder lang auch am heimischen Kühlregal ankommt. Der Handel kann deshalb derzeit günstigere Einkaufspreise bei den Molkereien aushandeln. Im Ergebnis sind die Molkereien in Europa nicht mehr in der Lage, Milchpreise auszuzahlen, die die Kosten der Milchproduktion bei allen Landwirten decken.

Eine Stabilisierung der Preise ist erst zu erwarten, wenn weniger Milch als derzeit produziert wird. Wird weiter zu viel Milch produziert, bleibt der Erzeugerpreis auf niedrigem Niveau oder fällt sogar noch tiefer. Andere landwirtschaftliche Produkte kennen den Mechanismus des sog. Schweinezyklus schon lange: Sinkt die Nachfrage nach Schweinefleisch, werden weniger Ferkel in die Mast übernommen. Fehlt Fleisch im Geschäft, steigt der Preis und die Ferkel werden aufgestallt.

Woran scheitert bislang die Selbstregulierung des Milchmarktes?

Seit einigen Jahrzehnten war es in Europa gängige Praxis, dass die EU-Verwaltung den Milchmarkt stützt, sobald die Preise fallen. Im Rahmen der jüngsten, umfangreichen Reformen der EU-Agrarmärkte wurde diese Form der gezielten Stützung nun auch für die Milch zurück genommen. Stattdessen überweist die EU jetzt einen Teil des eingesparten Geldes direkt auf die Konten der Landwirte und überlässt die Preisgestaltung den Kräften am Markt.

Grundsätzlich soll der europäische Milchmarkt künftig ein freier Markt werden und sich ohne Stützung oder Subventionen selbst regulieren - mit allen Aufs und Abs, die derartige Systeme mit sich bringen. Ab 2015, so hat die EU-Kommission mit Zustimmung der Bundesregierung beschlossen, wird es keine Milchquote mehr geben. Jeder Milcherzeuger kann ab diesem Zeitpunkt folglich eine unbegrenzte Menge Milch an die Molkereien verkaufen. Bis 2015 wird deshalb die Milchquote Schritt für Schritt erhöht. Dies führt zu einer voraussehbaren Mehrproduktion an Milch, die derzeit auf eine niedrigere Nachfrage trifft. Damit kommen aktuell zwei Faktoren, die Preis senkend wirken, zusammen.

Theoretisch denkbar ist selbstverständlich eine Reduzierung der Milchproduktion trotz Milchquote. Denn kein Milcherzeuger ist verpflichtet, seine erlaubte Höchstmenge an zugeteilter Milchquote zu "ermelken". Insbesondere die wachstumswilligen Milchviehbetriebe zeigen aber wenig Interesse daran, sondern gleichen rückläufige Milchauszahlungen durch Mehrproduktion aus. Gleichzeitig wächst dadurch der Bedarf bei diesen Milcherzeugern an Milchlieferrechten, die dann für viel Geld von ausstiegswilligen Milchbauern erworben werden müssen.

Der Milchpreis wird immer schwanken

Im Sommer 2007 erlebte der Markt die gegenläufige Entwicklung als derzeit. Die Preise für Milch und Milchprodukte waren EU-weit, aber auch am Weltmarkt, förmlich explodiert. Politiker forderten staatliche Gegenmaßnahmen, manche sogar die Erhöhung der Sozialhilfe wegen der gestiegenen Preise für Milch und Milchprodukte.

Grund für den Preisanstieg war seinerzeit ein Mangel an Rohmilch am Weltmarkt bei gleichzeitig sehr guter Nachfrage, was sich rasch auch auf den Markt in Europa und Deutschland auswirkte. Die Lager waren schnell leer gekauft, die Preise für Milchprodukte aller Art stiegen rapide an, ebenso die Milchproduktion. Zur Freude der Landwirte, denen die Molkereien dadurch teilweise die höchsten Erzeugerpreise seit vielen Jahrzehnten auszahlen konnten. Andererseits zu Lasten des Verbrauchers, der seine Milch und Milchprodukte zu erheblich höheren Preisen einkaufen musste.

Den natürlichen Marktgesetzen folgend war der derzeitige weltweite Preisverfall dann auch die logische Konsequenz. Hier kamen mehrere Faktoren zusammen: Die Verbraucher kauften wegen der höheren Preise weniger Milchprodukte ein. Die weiterverarbeitende Industrie, wie zum Beispiel Bäcker und Eiscremehersteller, ersetzten teuren Rahm durch günstigeres Pflanzenfett. Bei anhaltend hoher Milchproduktion waren wachsende Lagerbestände und damit fallende Preise die Folge. Verschärft wurde die Situation durch die Finanz- und Wirtschaftskrise, im Zuge derer die internationalen Einkäufe von Milch und Milchprodukten stärker als erwartet zurückgingen.

Quelle und Kontaktadresse:
Milchindustrie Verband e.V. (MIV) Pressestelle Jägerstr. 51, 10117 Berlin Telefon: (030) 4030445-31, Telefax: (030) 371535

(tr)

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