Milchindustrie profitiert von steigender Nachfrage und günstigen Rahmenbedingungen im Jahr 2000
(Bonn) - Ausführungen von Herrn Toni Meggle, Vizepräsident des Milchindustrie-Verbandes e.V., zur konjunkturellen Lage der deutschen Milchindustrie.
> Es gilt das gesprochene Wort<
Die deutsche Milchindustrie erwirtschaftete 1999 einen Umsatz von 37,6 Milliarden Mark und ist damit die stärkste Branche innerhalb der Ernährungsindustrie. Im ersten Halbjahr 2000 lag der Umsatz mit 19,4 Mrd. DM bereits 3,7 Prozent über dem Vorjahresergebnis. Ein schönes Ergebnis, das insbesondere von Mengen- und Preiszuwächsen im Inlandsgeschäft getragen ist. Die erzielten Zuwächse beweisen die hohe Flexibilität und Wettbewerbsfähigkeit der Branche, denn es zeigt sich, dass trotz Quotenregelung und Exportkontingenten noch Umsatzsteigerungen für die Milchindustrie möglich sind.
Die Marktentwicklung am Anfang des neuen Jahrtausends zeigt sich im Vergleich zu 1999 wesentlich positiver. Die Nachfrage im In- und Ausland hat sich spürbar erholt. Einen kräftigen Wachstumsschub des internen Verbrauchs kann man sowohl in der Bundesrepublik als auch innerhalb der EU beobachten, vor allem bei Käse, Milchfrischprodukten und Halbfabrikaten.
Allerdings kann die Milchindustrie nicht in gleicher Weise wie das übrige Ernährungsgewerbe von der Exportentwicklung profitieren. Nach den Daten des Statistischen Bundesamtes lag der Exportwert von 3,5 Milliarden Mark im ersten Halbjahr 2000 nur knapp über dem Vorjahresniveau. Teilweise lag dies jedoch schlicht an der Nichtverfügbarkeit der Ware für den Exportbereich und nicht an der fehlenden Nachfrage. Eine wieder ansteigende Nachfrage nach deutschen und europäischen Milchprodukten verzeichnet der MIV derzeit auch in Russland, einigen Regionen in Fernost und in den Vereinigten Staaten. Dies wird unter anderem auf das für den Export günstige Dollar-/Euro-Verhältnis zurück geführt. Außerdem profitiert man von der Angebotszurückhaltung der Wettbewerber am Weltmarkt.
Insgesamt rechnet der Verband im zweiten Halbjahr 2000 mit einer Fortsetzung dieses Trends im europäischen Milchmarkt, trotz nachhaltiger Markteingriffe der EU-Kommission, z.B. in Form von Erstattungssenkungen.
Die deutsche Milchindustrie sieht angesichts der sich stabilisierenden Binnenwirtschaft Chancen vor allem im Bereich der höher veredelten Produkte und man rechnet mit einem weiter positiven Trend bei Käse und Milchfrischprodukten.
Die Märkte im Einzelnen
Steigende Umsätze verdankt die deutsche Milchindustrie 2000 nicht zuletzt der anerkannten Qualität ihrer Produkte und der Innovationskraft der Branche. Die Produktion von Frischprodukten erreichte im ersten Halbjahr 2000 Rekordzahlen. Das seit Jahren stagnativ bis rückläufige Basisprodukt Konsummilch legte um rund 2,5 Prozent zu. Der gesamte Bereich der Milchmischerzeugnisse weist ein Plus von rund 7 Prozent aus. So lagen Produktion und Nachfrage von Joghurt im Monat Mai sogar um rund 15 Prozent über dem Vorjahresergebnis. Auch Quark glänzte in der privaten Nachfrage mit Zuwachsraten um die 5 Prozent. Die Produktion von Frischkäse insgesamt wurde um 2,5 Prozent gesteigert. Noch unklar ist, wie sich das schlechte Wetter in der Sommerperiode 2000 ausgewirkt hat. Auch Schlagsahne erfreut sich wieder steigender Beliebtheit bei den deutschen Verbrauchern, so dass im ersten Halbjahr 2000 2,6 Prozent mehr produziert werden konnten. Der gesamte Bereich der Sahneerzeugnisse legte um 1,5 Prozent zu.
Die aufstrebende Preisentwicklung für Butter - die Abgabepreise an den Handel liegen derzeit bei ca. 7,-- DM/kg - ist auf die zurückgehende Produktion (- 1 Prozent) aufgrund einer Verlagerung der Fettverwertung hin zum Käse zu zurückzuführen. So wurden im Käsesektor Rekord-Produktionszahlen erreicht. In den ersten sechs Monaten des Jahres wurden ca. 8 Prozent mehr Käse hergestellt, insbesondere Schnittkäse ist exportbedingt besser nachgefragt und auch Hartkäse liegt im Trend. Deutlichen Zuwachs zeigt auch Schmelzkäse mit + 7 Prozent, während für Weichkäse und halbfesten Schnittkäse die Produktionszahlen zurück gehen. Durch kontinuierliche Preiserhöhungen über die Monate konnte am Schnittkäsemarkt inzwischen fast das Niveau der Jahre 1997/98 - vor der Russlandkrise - erreicht werden.
Auch ein knapp versorgter Markt für Dauermilcherzeugnisse kann mit einer positiven Preisentwicklung glänzen, wobei insbesondere für Magermilchpulver auch im langjährigen Vergleich Höchstpreise erzielt werden. Das Milcheiweiß geht vornehmlich in den Käsesektor. Die Produktion von Magermilchpulver ging daher um über 10 Prozent zurück. Die gestiegene Käseproduktion fördert auch die Molkenpulverproduktion (+ 15 Prozent). Kondensmilcherzeugnisse wurden 2,5 Prozent weniger produziert.
Im Heft 2000, der jüngsten repräsentativen Erhebung Lebensmittel-Praxis zu den 35 erfolgreichsten Warengruppen im Handel, konnten die Molkereiprodukte ihre gute Position aus dem Vorjahr behaupten. Mit 120 kreativen Neuheiten im Kühlregal im Zeitraum März 1999 bis Februar 2000 belegen die Mopros weiterhin Platz 4 der Rangliste.
Gute Marktchancen sieht die Branche weiterhin im Bereich der funktionalen Milchprodukte. Mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von rund 13 Prozent rechnet eine aktuelle Studie der Unternehmensberatung Frost & Sullivan. Das entspricht einem Wachstum des Marktvolumens von 2,35 Mrd. Dollar im Jahr 1999 auf 5,73 Mrd. Dollar im Jahr 2006. Nach Skandinavien belegt Deutschland mit knapp 15 Prozent Platz 2 in diesem interessanten Markt. Dass der Markt nicht noch schneller wächst, liegt daran, dass diese Produkte erklärungsbedürftig sind und insofern nachhaltige Überzeugungsarbeit bei den Konsumenten geleistet werden muss.
Qualität hat ihren Preis
Die deutsche Milchindustrie hat im ersten Halbjahr 2000 in fast allen Segmenten Anhebungen der Verkaufspreise für Milchprodukte an den Lebensmittelhandel vorgenommen und wegen der freundlichen Rahmenbedingungen und Verknappungserscheinungen im Markt auch durchsetzen können. Diese Preiserhöhungen waren notwendig, um das im vergangenen Jahr infolge des Exportwegfalls eingebrochene Preisniveau wieder auf die ursprüngliche Höhe zu korrigieren und drastische Kostenerhöhungen, z.B. für Rohstoffe, Verpackungen und Gas auszugleichen.
Der Handel hat bislang leider noch nicht die Chance genutzt, die Ladenverkaufspreise flächendeckend in allen Vertriebsformen wieder auf ein auskömmliches Niveau zu erhöhen. Lediglich der Butterpreis hat sich inzwischen um ca. 30 Pfennige pro Päckchen nach oben bewegt und auch Käse wird inzwischen etwas teurer angeboten. Milch, Joghurt und Desserts werden aber immer mehr als Lockartikel in Aktionen und Dauerniedrigpreisschienen missbraucht. 1999 ist - nur um ein Beispiel herauszugreifen - der Abgabepreis für einen Liter Trinkmilch um durchschnittlich 5 Pfennig zurückgegangen. Das muss wieder korrigiert werden. Dies ist auch im Interesse des Handels, denn nicht der Umsatz, sondern die langfristige Rentabilität muss im Mittelpunkt stehen. Wir wollen eine sogenannte Win-Win-Situation, das heißt, weg von der Politik der Wertschöpfungsvernichtung.
Von der Politik und dem Bundeskartellamt erwarten wir, dass das 1999 geänderte Verkaufsverbot unter Einstandspreis wirkungsvoll gehandhabt wird. Wir begrüßen daher die aktuellen Ermittlungen des Bundeskartellamtes bei verschiedenen Handelsketten und den Versuch, eine Auslegungshilfe zur Definition des Verkaufs unter Einstand zu geben.
Zeit für Strukturanpassung
Aufgrund der besseren Konjunktur eignet sich das Jahr 2000 für Erzeuger und Verarbeiter als Möglichkeit, Strukturen zu überprüfen und sich für weitere Veränderungen im Zuge der Globalisierung zu rüsten. Sicher wird sich der Trend zu weiteren Fusionen fortsetzen, wobei eine Optimierung der Betriebsstätten- und Unternehmensstrukturen durch interne und externe Konzentration im Vordergrund steht. 1999 ist die Anzahl der Milchindustrie-Unternehmen gegenüber dem Vorjahr von 165 auf geschätzte 135, die Zahl der Betriebsstätten von 294 auf 270 zurückgegangen.
Quelle und Kontaktadresse:
Milchindustrie-Verband e.V. (MIV)
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