Milchmarkt 2004: Mengen positiv, Umsatz rückläufig / Starke Exportmärkte und positive Absatzentwicklung stehen enormen Kostensteigerungen gegenüber
(Köln) - Die deutschen Molkereien verzeichnen nach Angaben des Milchindustrie-Verband e.V. (MIV), Bonn, für die ersten sieben Monate des Jahres 2004 zwar einen Aufwärtstrend bei den Mengenabsätzen. Wie der Verband anlässlich seiner Jahresversammlung am 21. Oktober in Halle / Saale mitteilte, lag der Branchenumsatz einschließlich Juli 2004 mit 11,8 Mrd. Euro jedoch um 2,5 Prozent unter dem Vorjahreszeitraum. Verantwortlich hierfür seien rückläufige Abgabepreise an den Handel und im internationalen Geschäft. Verschärft wird die Situation der Molkereien durch rasant steigende Produktionskosten. Wichtigstes Standbein der Milchbranche ist mit einem Umsatzanteil von nahezu 20% nach wie vor der Export. Das Ausfuhrgeschäft entwickelte sich nach Verbandsangaben deutlich positiv. Der Außenhandelsumsatz der deutschen Milchindustrie stieg zwischen Januar und Juli 2004 gegenüber dem Vorjahr um rund 4,1 Prozent auf 2,2 Mrd. Euro und sorgte auch für Entlastung auf den Inlandsmärkten. Die Beteiligung der Europäischen Kommission an den Märkten durch die Rücknahme der Stützungen und die Einbringung von Lagerbeständen ist deutlich zu spüren.
Verbesserte Marktlage bei gleichzeitig steigenden Kosten
Die Marktlage für Milch in Europa hat sich, so der MIV, derzeit stabilisiert. Parallel zur rückläufigen Milchanlieferung steigt zwar die Nachfrage nach Milchprodukten sowohl im In- als auch im Ausland. Die deutsche Milchindustrie konnte von der Entwicklung jedoch bisher nur teilweise profitieren. "Steigende Kosten, unter anderem bei Energie, Verpackung und Personal, stehen den Forderungen des Handels nach niedrigeren Abgabepreisen und denen der Milcherzeuger nach höherer Auszahlung gegenüber - mit negativen Auswirkungen auf Umsatz und Rentabilität", erläutert Eberhard Hetzner, Hauptgeschäftsführer des MIV. Vor allem die Verteuerungen der Energie bekommen die Molkereien doppelt und dreifach zu spüren: Die Milchverarbeitung ist sehr energieintensiv, gleichzeitig explodieren die Kosten für die Verpackungen wegen des hohen Ölpreises und der Transportbereich hat neben den gestiegenen Dieselpreisen ab Januar noch LKW-Mautgebühren zu verkraften. Die deutsche Milchindustrie musste zu diesen Belastungen noch Umsatzeinbußen in den ersten sieben Monaten des Jahres von 2,5 Prozent verkraften. Zum Vergleich: Das gesamte Ernährungsgewerbe erreichte ein stabiles Umsatzplus von 1,5 Prozentpunkten.
Standbein Export
Die verbesserte Absatzentwicklung auf den internationalen Märkten bei gleichzeitig etwas geringeren Rohstoffzuwächsen bei den Mitbewerbern wirkten sich positiv auf den Export aus. Die Weltmarktpreise für Milch und Milcherzeugnisse haben angezogen. Wichtigste Absatzgebiete bleiben die EU-Nachbarn, aber auch Russland, Osteuropa und zunehmend auch Asien werden mit deutschen Milchprodukten bedient. Damit bleibt der Weltmarkt wichtiger Absatzbestandteil der deutschen Molkereien, obgleich die EU-Kommission diese Situation zur Kürzung der Exportstützung nutzt. Zwischen Januar und Juli 2004 steigerte sich der Außenhandelsumsatz deutscher Molkereien trotz starkem Euro gegenüber dem Vorjahr um 4,1 Prozent auf insgesamt 2,2 Mrd. Euro. Damit wird nahezu jeder fünfte Umsatz-Euro im Auslandsgeschäft verdient.
Wachstumsmotor Käse
Die private Nachfrage nach Milch und Milchprodukten variiert in den Produktgruppen. Käse setzt den positiven Trend der Vorjahre fort und verzeichnet bis August 2004 eine Nachfragesteigerung um rund 5 Prozent. Die Produktion stieg in Deutschland in den ersten sieben Monaten nicht zuletzt wegen des guten Exportgeschäfts um 2 Prozent auf fast 1,2 Mio. Tonnen. Besonderer Gewinner war neben halbfestem Schnitt- (+ 6 Prozent) und Hartkäse (+ 4,6 Prozent) vor allem Pasta filata Käse (+ 16 Prozent). Käse bleibt damit ein Kernprodukt der deutschen Milchbranche, die ihre Position als größter Käseproduzent noch vor Frankreich und den Niederlanden festigen konnte.
Konsummilch, klassische Milchfrischprodukte und Butter stagnierend
Die Haushaltsnachfrage nach Konsummilch stagniert in den ersten sieben Monaten des Jahres (- 1 Prozent). Vor allem bei Frischmilch sank der heimische Verzehr ( - 5 Prozent) was durch H-Milch etwas ausgeglichen werden konnte (+ 2 Prozent). Der Joghurtverbrauch blieb annähernd stabil, zugenommen hat vor allem der Trinkjoghurt-Konsum. Dennoch konnten die Molkereien durch Auslandsgeschäfte und verstärkten Absatz in Großverbrauchersegmente die eigene Produktion insgesamt leicht ausweiten. Bei Butter ist ein geringfügiger Nachfrage- und Produktionsrückgang zu verzeichnen, was allerdings in den stark rückläufigen Fettmärkten durchaus positiv gewertet werden kann.
Im Trend: Milch- und Molkegetränke
Milch- und vor allem Molkegetränke setzen nicht zuletzt durch das stark erweiterte Angebot der Molkereien ihre positive Entwicklung der Vorjahre weiter fort. Innovative Produkte wie Joghurtdrinks und Trinkmolke in verschiedensten Variationen verzeichnen zweistellige Zuwachsraten (+ 21 bzw. + 20 Prozent). Die Nachfrage nach Milchmixgetränken wuchs um 3 Prozent. Größtes Segment innerhalb der Milchgetränke bleibt nach wie vor Buttermilch. Sie verliert mit einem Mengenrückgang um 6 Prozent jedoch weiter Marktanteile. Auf Platz Zwei rangiert bereits Trinkjoghurt.
Milchpreise konstant niedrig
Im bisherigen Jahresverlauf konnten sich die Verbraucher weiterhin über günstige Milchprodukte freuen. Die Preise für Molkereierzeugnisse blieben im Lebensmitteleinzelhandel insgesamt betrachtet auf konstant niedrigem Niveau. Der MIV fordert angesichts steigender Kosten für Energie, Personal und Verpackung dringend ein Umdenken. "Handel und Verbraucher sind immer weniger bereit, die Wertigkeit der Produkte zu honorieren. Die Preise müssen jedoch dringend den realen Kosten angepasst werden", so Eberhard Hetzner, Hauptgeschäftsführer des Verbands. Für die Milcherzeuger geben die vorgezeichneten politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen allerdings wenig Anlass zur Hoffnung auf verbesserte Milchauszahlungspreise. Die neu eingeführte Milchprämie wird daher die entstehenden Verluste aus dem operativen Geschäft der Milchbauern ausgleichen müssen. Für 2004 scheint sich diese Vorgabe zu bestätigen. Aufgrund der Erfahrungen ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich künftig und langfristig die Marktpreise von der bereits bekannten Entwicklung der politisch vorgegebenen Eckpreise für Milch abheben, eher gering.
Agrarreform, EU Osterweiterung und WTO II - Herausforderungen an die deutsche Milchwirtschaft
Die deutsche Milchindustrie sieht sich durch zahlreiche politische Entscheidungen in den nächsten Jahren gravierenden Entwicklungen ausgesetzt. 2004 wurde die erste Stufe der Agrarreform mit dem Ziel der Liberalisierung des europäischen Milchmarktes sowie der Entkoppelung von Produktion und Einkommen auf Erzeugerseite umgesetzt. Zum 1. Mai wuchs die Europäische Union um 10 osteuropäische Staaten, weitere Kandidaten wie Bulgarien und Rumänien stehen bereits vor der Tür. Ein Abschluss von WTO II dürfte zu einer Annäherung der EU- und der Weltmarktpreise führen und eine weitere Öffnung der EU für Milchprodukte des Weltmarktes zur Folge haben.
Während von der EU-Osterweiterung mittelfristig ein Aufschwung durch verbesserte Absatzchancen höher veredelter Milchprodukte erwartet wird, werden die übrigen agrarpolitischen Vorgaben nach Einschätzung des MIV zu erheblichen Veränderungen in der deutschen Milchwirtschaft führen. "Der überschüssige europäische Milchmarkt wird, von Ausnahmen abgesehen, auch weiterhin unter Mengendruck und damit auch Preisdruck stehen.", erklärt Eberhard Hetzner.
Stärkere Preisschwankungen zu erwarten
Insgesamt werde der europäische Milchmarkt durch den Rückzug der vormals ausgleichenden EU-Agrarpolitik aus der Marktsteuerung sehr viel sensibler für Preisschwankungen werden. In Konsequenz könnten, so Hetzner, auch auf die Landwirte unter Umständen stärkere Schwankungen in der Auszahlungsleistung zukommen. Auch die Erzeuger werden nach Ansicht des MIV, die Mobilisierung ihrer Rationalisierungsreserven weiter überdenken müssen. Der Milchindustrie-Verband wird neben seiner Einflussnahme auf die Politik die Molkereien bei der Entwicklung von Strategien unterstützen, um den sich abzeichnenden Herausforderungen begegnen zu können. "Strategische Allianzen bis hin zu Fusionen können, müssen aber nicht in jedem Fall die richtige Lösung sein.", erklärt Hetzner. Generell erwartet der Verband weitergehende Strukturveränderungen sowohl auf Erzeuger- als auch auf Verarbeiterseite. Dennoch hat die deutsche Milchwirtschaft in der Vergangenheit ihre Anpassungs- und Wettbewerbsfähigkeit immer wieder unter Beweis gestellt, so der MIV.
Der Milchindustrie-Verband e.V. (MIV) repräsentiert circa 90 leistungsstarke, mittelständische Unternehmen. Diese stellen mit einem Jahresumsatz von rund 20 Mrd. Euro den größten Bereich der deutschen Ernährungsindustrie dar.
Quelle und Kontaktadresse:
Milchindustrie-Verband e.V. (MIV)
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Telefon: 0228/959690, Telefax: 0228/371535