Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts Wohin steuert die Erbschaftsteuer?
(Nürnberg) - In seiner am 31. Januar 2007 veröffentlichten Entscheidung hat das Bundesverfassungsgericht (Aktenzeichen: 1 BvL 10/02) das derzeit geltende Erbschaftsteuerrecht für verfassungswidrig erklärt, da es bei der Besteuerung wesentliche Vermögensarten (Haus- und Grundbesitz, Betriebsvermögen) entgegen dem Gleichheitsgrundsatz erheblich begünstigt. Bis zum 31. Dezember 2008 muss der Gesetzgeber für eine Neuregelung Sorge tragen.
Von besonderer Bedeutung sei hierbei, so der Nürnberger Erb- und Steuerfachanwalt Dr. Norbert Gieseler, Vizepräsident der Deutschen Anwalts-, Notar- und Steuerberatervereinigung für Erb- und Familienrecht e. V. mit Sitz in Nürnberg, dass das BVerfG den Gesetzgeber dazu angehalten habe, bei der Neufassung des Gesetzes alle Vermögensarten zunächst mit dem sogenannten gemeinen Wert, das heißt mit Verkaufs- oder tatsächlich erzielbaren Werten, zu erfassen. Erst in einem zweiten Schritt, so Gieseler, sei der Gesetzgeber berechtigt, einzelne Vermögensarten aus sachlichen Gründen, z. b. des Gemeinwohls, durch klare gesetzliche Regelungen zu begünstigen. Seither, so hat der Erbrechtsexperte ausgemacht, überlegen Politiker im ganzen Land fieberhaft, wie alle einzelnen Vermögenswerte marktgerecht und gleich bewertet werden können. Dies, das bestätigt auch sein Kieler Vorstandskollege, der Steuerberater Jörg Passau, treibt inzwischen seltsame Blüten. So überlegt der Fraktionvize der Union im Bundestag, Michael Meister, öffentlich, ob die Erbschaftsteuer überhaupt noch sinngemäß ist. Am liebsten würde dieser die Erbschaftsteuer durch eine Art Abschlagsteuer auf die Erträge von ererbten Vermögen ersetzen, was einer neuen Vermögenssteuer durch die Hintertür gleichkäme. Hiergegen wendet sich die SPD mit Schrecken und hat auf Druck von SPD-Chef Beck im Koalitionsausschuss beschlossen, dass die Erbschaftsteuer in der derzeitigen Form erhalten bleiben soll. Dies, so befürchtet Steuerexperte Passau, dürfte jedoch zwangsläufig aufgrund der vom BVerfG vorgebenen höheren Wertansätze zu Steuermehrbelastungen für die Bürger führen. So habe es bereits vor Jahren auf Länderebene den Versuch gegeben, die für Immobilien derzeit im Bundesdurchschnitt rd. 51 Prozent betragende Bemessungsgrundlage für die Besteuerung auf rd. 80 Prozent des tatsächlichen Wertes anzuheben. Folge, so Passau: Die Vererbung einer Immobilie im tatsächlichen Wert von 600.000,00 Euro an ein Kind würde sich von derzeit 10. 450,00 Euro auf 41.250,00 Euro verteuern, bei tatsächlichem Wertansatz von 100 Prozent des Wertes gar auf 59.250,00 Euro.
Auch bei Betriebsvermögen, so ergänzt Erbschaftsteuerfachmann Gieseler, sei mit deutlichen Steuererhöhungen zu rechnen, auch wenn der Gesetzgeber im letzten Jahr noch einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht habe, der die Unternehmensnachfolge eigentlich erleichtern sollte. Allerdings sei der Gesetzgeber bei diesem Entwurf noch von dem alten Bewertungsrecht ausgegangen, das das BVerfG nun für verfassungswidrig erklärt habe. Darüber hinaus, so Gieseler, führe die geplante Aufteilung von so genanntem produktivem und nichtproduktivem Vermögen für Besteuerungszwecke zumindest für kleinere Betriebe im Wert von bis zu 2,5 Millionen Euro zu erheblichen Mehrbelastungen, auch wenn die Erbschaftsteuer auf produktives Vermögen für zehn Jahre gestundet und hiernach erlassen werden soll, wenn der Betrieb unverändert weitergeführt wird.
Trotzdem sei für diese Betriebe die derzeit noch geltende Erbschafsteuer allemal günstiger, vor allem risikoloser, wie Gieseler an einem Beispiel erläutert: So schlage die Übertragung eines Betriebes im tatsächlichen Wert von rd. 2,5 Millionen Euro auf den Nachfolger derzeit mit rd.69.000,00 Euro zu Buche, da im Bundesdurchschnitt nur der halbe Wert als Steuerwert angesetzt werde. Bei vollem Wertansatz hingegen kostet die Übergabe den Nachfolger rd. 436.000,00 Euro. Selbst wenn sich der Gesetzgeber aus Gemeinwohlgründen entschließe, die Vererbung von Betriebsvermögen mit 40 Prozent Wertabschlag zu versehen, käme nach der Neuregelung immer noch eine Erbschaftsteuer von 246.000,00 Euro zustande, also mehr als das Dreifache. Betrage nach dem Gesetzentwurf der Anteil des nicht produktiven Vermögens in der Erbmasse 30 Prozent, müsse eine Steuer von 73.815,00 Euro, also schon mehr als bisher, sofort entrichtet werden, während der Restbetrag von 172.235,00 Euro auf die Dauer von zehn Jahren wie ein Damoklesschwert über dem Betriebsnachfolger hängt. Muss der Nachfolger den Betrieb z. B. wegen mangelnder Aufträge fünf Jahre nach der Übergabe schließen, trifft ihn zusätzlich noch eine Steuernachzahlung von fünf Zehntel der Reststeuerschuld, also 86.117,00 Euro. Vor diesem Hintergrund empfehlen denn auch beide Steuerexperten allen Immobilienbesitzern sowie Betriebsinhabern, die sich bereits mit dem Gedanken tragen, ihr Vermögen bereits jetzt auf die Nachkommen zu übertragen, sich rechtzeitig steuerlich beraten zu lassen und gegebenenfalls noch rechtzeitig vor einer Gesetzesänderung zu handeln.
Quelle und Kontaktadresse:
Deutsche Anwalts-, Notar- und Steuerberatervereinigung für Erb- und Familienrecht e.V. (DANSEF)
Martin Weispfenning Weispfenning, Geschäftsführer
Königstorgraben 3, 90402 Nürnberg
Telefon: (0911) 2443770, Telefax: (0911) 2443799
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