NEST-Prozess: Erhebliche Nachbesserungen erforderlich
(Berlin) - Die deutschen Netzbetreiber sind gefragt, einen der größten Strukturwandel in der Energiewirtschaft zu stemmen. Dabei spielt die Weiterentwicklung der Anreizregulierung durch die Bundesnetzagentur (BNetzA) eine zentrale Rolle. Der BDEW sieht Handlungsbedarf und wird seine Stellungnahme einreichen.
„Die Energiewende ist ambitioniert. Immer mehr Erneuerbare Energien-Anlagen wollen an das Netz angeschlossen werden. Und auch auf der Verbraucherseite erleben wir eine exponentielle Zunahme der Netzanschlussbegehren, sei es von Speichern, Wärmepumpen, Ladeinfrastruktur oder auch von der Industrie. Dies erfordert erhebliche Investitionen in die Energieinfrastruktur und eine moderne, leistungsfähige Netzführung. Deshalb brauchen wir eine ambitionierte Regulierung, die eine angemessene Planungssicherheit und Investitionsfähigkeit in der Transformation garantiert. Diese muss auch in Zukunft Versorgungssicherheit, Effizienz und Investitionsanreize sicherstellen. Keinesfalls dürfen Investitionsanreize geschwächt werden“, erklärt Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung.
Fundamentale Eingriffe wie die Verkürzung der Regulierungsperiode oder die Neuausrichtung des Effizienzvergleichs dürfen Investitionsrealitäten und Praxistauglichkeit nicht aus dem Blick verlieren und sollten erst nach einer sorgfältigen Folgenabschätzung geschehen.
Die BNetzA unterschätzt die Auswirkungen ihrer vorgeschlagenen Methodenänderungen. Sie würden zu massiven Kappungen der Mittelrückflüsse der Netzbetreiber führen. „Die Maßnahmen sind weder ökonomisch nachvollziehbar noch mit Blick auf die Herausforderungen der Transformation sachgerecht. Sie führen zu systemimmanenten Unsicherheiten bei der Kostenanerkennung und damit zu neuen Risiken für die Netzbetreiber. Es zeichnet sich eine Regulierung ab, die mit steigenden Unsicherheiten und einer schlechteren Investitionsfähigkeit der Netzbetreiber einhergeht. Das ist der falsche Weg. Ziel muss es sein, das Energiesystem erfolgreich zu transformieren. Dazu brauchen wir stabile Rahmenbedingungen für den Netzbetrieb. Neue Risiken bei der Kostenanerkennung verschlechtern die Investitionsbedingungen für die dringend benötigten Infrastrukturen“, betont Kerstin Andreae.
Der BDEW sieht vor allem bei diesen Punkten Handlungsbedarf:
• Sicherungsmechanismen im Effizienzvergleich zwingend beibehalten und vereinfachtes Verfahren überdenken. Best-of-Four-Abrechnung, SFA-Skalierung und Effizienzbonus sichern den Effizienzvergleich gegen systemimmanente Schwächen der Verfahren ab. Der Abbau bestehender methodischer Absicherungen führt zu Negativeffekten bei allen Netzbetreibern. Im vereinfachten Verfahren sind insbesondere die vorgeschlagenen wirtschaftlichen Schwellenwerte abzulehnen. Sie sind intransparent, planungsunsicher und führen zu einer Zunahme der Heterogenität im Effizienzvergleich. Die Folgen der geplanten Anpassungen im Benchmarking werden insbesondere im Hinblick auf die wechselseitigen Wirkungen bisher von der BNetzA erheblich unterschätzt.
• Verlängerung des Abbaupfades für Ineffizienzen. Die Verkürzung des Abbaupfades für Ineffizienzen stellt eine Verschärfung dar, die zu erheblichen Einbußen führt und Anreize zur Kosteneffizienz abschwächt. Die BNetzA schlägt hier den falschen Weg ein. Der BDEW fordert angesichts der wachsenden Heterogenität der Versorgungsaufgaben in der Transformationsphase eine Verlängerung auf 7,5 Jahre, analog zur Entscheidung der österreichischen Regulierungsbehörde.
• Keine Benachteiligung durch Prognose des Produktivitätsfaktors Xgen. Die bisherigen Prognosen der BNetzA zum Xgen bilden nicht die tatsächliche Entwicklung der sektoralen Produktivität ab. Für die Zukunft muss ausgeschlossen werden, dass dies zu Lasten der Netzbetreiber geht.
• Inflationsentwicklung muss zeitnah regulatorisch anerkannt werden. Der Wegfall des VPI-Xgen auf Neuinvestitionen unter Beibehalt eines Zeitverzugs von zwei Jahren bei der Inflationsentwicklung (VPI) und Xgen für die Betriebskosten ist inhaltlich nicht zu rechtfertigen. In der Folge entsteht eine systematische und steigende Kostenunterdeckung auf Seiten der Netzbetreiber in der Transformationsphase. Dies stellt die falschen Weichen für Investitionen in die Netztransformation. Eine zeitnahe Abbildung der Inflationsentwicklung ließe sich hingegen einfach umsetzen.
• Verkürzung der Regulierungsperiode vermeiden und OPEX-Instrument für alle Netzbetreiber etablieren. Eine kürzere Regulierungsperiode bedeutet mehr Bürokratie für alle und eine Absenkung von Effizienzanreizen. Netzbetreiber können Effizienzpotentiale nur über längere Zeiträume realisieren. Mit dem OPEX-Instrument steht hingegen ein zielgenaues, in Europa etabliertes Mittel zur Verfügung, um die beabsichtigte, zeitgerechte und regulatorische Abbildung von Betriebskostenaufwüchsen zum Nutzen der Energiewende pragmatisch umzusetzen. Das OPEX-Instrument sollte daher flächendeckend auch Netzbetreibern im Vereinfachten Verfahren zur Verfügung stehen und als dauerhaftes Instrument in der Regulierung verankert werden.
• Keine deutschen Sonderwege beim Kapitalverzinsungsmodell. Das neu einzuführende WACC-Modell zur regulatorischen Kapitalverzinsung muss international vergleichbar und treffgenau die Anforderung der Kapitalmärkte erfüllen. Die Eigenkapitalverzinsung deutscher Netzbetreiber liegt derzeit im europäischen Vergleich am unteren Rand. Kapitalgeber erwarten jedoch deutlich höhere Renditen. Eine adäquate und methodisch transparent ermittelte Verzinsung ist daher unerlässlich für die Deckung der enormen Kapitalbedarfe. Fremdkapitalseitig führt die BNetzA durch eine fehlende Dynamisierung des kalkulatorischen Ansatzes, neue Risiken der Kostenunterdeckung in die Regulierung ein. Das ist das falsche Signal.
• Transformation der Gasnetze braucht eine verlässliche Regulierung. Auch die Transformation der Gasnetze muss wirtschaftlich gelingen. Für eine effiziente Stilllegung und Umwidmung der Gasnetze müssen die Kosten des exogen getriebenen Rückbaus regulatorisch auch als exogene Kosten anerkannt werden, und Maßgaben für Netzübergänge in den Wasserstoffbereich genauer gefasst werden.
Quelle und Kontaktadresse:
(BDEW) Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V., Katja Sandscheper, Pressesprecher(in), Reinhardtstr. 32, 10117 Berlin, Telefon: 030 300199-0