Pressemitteilung | Deutscher AnwaltVerein e.V. (DAV)

Nordrhein-Westfalen: DAV kritisiert neues Verfassungsschutzgesetz

(Berlin/Düsseldorf) - Der Entwurf für ein neues Verfassungsschutzgesetz in Nordrhein-Westfalen geht laut Deutschem Anwaltverein (DAV) zu weit. In der Anhörung im Landtag (11.09.2025) kritisiert der DAV, dass der Entwurf die aktuelle Rechtsprechung nicht aufgreife, und fordert einen „Anwalt der Betroffenen“.

„Der Entwurf in seiner aktuellen Form macht den Verfassungsschutz nahezu allzuständig“, mahnt Rechtsanwalt Wilhelm Achelpöhler, Mitglied im Ausschuss Recht der Inneren Sicherheit des Deutschen Anwaltvereins (DAV). Das Gesetz schließe in seine Definition der freiheitlich-demokratischen Grundordnung nicht nur die für den Verfassungsstaat unverzichtbaren Grundsätze ein. Damit stehe es in starkem Kontrast zur Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. „Diese Definition schließt ein Tätigwerden des Verfassungsschutzes nur dann aus, wenn Gefahren für Sachen ohne bedeutenden Wert bestehen“, so Achelpöhler. Das werde dem eigentlichen Zweck der Behörde nicht gerecht.

Auch für Sicherheitsüberprüfungen habe diese viel zu weit gefasste Zuständigkeit Folgen. „Der Verfassungsschutz stünde so in jeder Situation bereit, in der eine beliebige Behörde eine Person überprüfen möchte“, erklärt der Anwalt. Zwar soll dies laut Begründung des Gesetzentwurfs nur mit Einverständnis der betroffenen Personen geschehen. „Verweigert die Person jedoch die Zustimmung, können ihr erhebliche Nachteile entstehen, da die Überprüfung häufig mit der Übertragung beruflicher Tätigkeiten oder der Gestattung des Umgangs mit sicherheitsrelevanten Materialien verbunden ist.“ Von einer echten Freiwilligkeit könne demnach keine Rede sein.

Fehlendes Stufenkonzept

Der DAV kritisiert weiterhin das Fehlen einer Regelung zum Maß der Beobachtungsbedürftigkeit. „Damit die Verhältnismäßigkeit bei Überwachungsmaßnahmen gewährleistet ist, muss die Eingriffsschwelle im Gesetz zumindest abstrakt beschrieben werden“, meint Wilhelm Achelpöhler. Das habe das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zum Verfassungsschutzgesetz Bayern ausgeführt. Auch der Entwurf aus Nordrhein-Westfalen werde diesem Standard nicht gerecht.

„Überhaupt ist besorgniserregend, wie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit an vielen Stellen des Entwurfes außer Acht gelassen wird“, warnt der Rechtsanwalt. So mangele es an qualifizierten Voraussetzungen für die automatisierte Erhebung personenbezogener Daten und den Zugriff auf private Videoüberwachungsanlagen. Vorhandene Daten sollen – über den ursprünglichen Anlass der Erhebung hinaus – automatisiert analysiert werden. „Auch die Regelung zum Berufsgeheimnisträgerschutz ist im Gesetz bemerkenswert unklar formuliert“, stellt Achelpöhler fest.

Anwalt der Betroffenen

Zur besseren Kontrolle des Verfassungsschutzes schlägt der DAV eine unabhängige Behörde als „Anwalt der Betroffenen“ vor. „Diese unabhängige Instanz wäre bei der Anordnung von Überwachungen anzuhören und damit beauftragt, die Interessen der Überwachungsadressaten wahrzunehmen“, erläutert Rechtsanwalt Achelpöhler. Damit verbunden wären eigene Klagerechte, um die gerichtliche Prüfung einer gebilligten Anordnung zu beantragen.

Damit ließe sich kompensieren, dass Betroffene von Grundrechtseingriffen sich mangels Kenntnis der Maßnahmen nicht gegen diese zur Wehr setzen können.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutscher AnwaltVerein e.V. (DAV), Littenstr. 11, 10179 Berlin, Telefon: 030 7261520

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