Pressemitteilung | Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW)

Öffentliche Haushalte 2005/2006: Hohe Privatisierungserlöse ermöglichen spürbaren Defizitabbau

(Berlin) - Die öffentlichen Haushalte werden aufgrund hoher Privatisierungserlöse und einer restriktiven Ausgabenpolitik ihre Defizite in diesem und nächstem Jahr abbauen. Die Defizitquoten werden von 3,6 Prozent in diesem auf 3,1 Prozent im nächsten Jahr sinken. Das ist das Ergebnis des aktuellen Wochenberichts des DIW Berlin 36/2005.

Trotz ungünstiger gesamtwirtschaftlicher Rahmenbedingungen und reformbedingter Steuerausfälle verringerten die Gebietskörperschaften im Jahre 2004 ihre Haushaltsfehlbeträge, vor allem durch einen restriktiven Kurs bei den Ausgaben. In diesem und im nächsten Jahr ist mit einer Fortsetzung des Sparkurses zu rechnen. Auch die Steuereinnahmen werden infolge der zögerlichen Konjunkturerholung nur mäßig expandieren; zudem müssen in diesem Jahr aufgrund der dritten und letzten Stufe der Steuerreform erneut beträchtliche Einnahmeausfälle hingenommen werden. Doch sorgen hohe Privatisierungserlöse vor allem beim Bund dafür, dass sich die kassenmäßigen Fehlbeträge erheblich verringern werden.

In diesem Jahr dürfte das kassenmäßige Defizit von Bund, Ländern und Gemeinden auf 56 Mrd. Euro zurückgehen, im nächsten Jahr auf 45 Mrd. Euro. In Abgrenzung der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR), die für die Überprüfung des "Maastricht-Kriteriums" relevant ist, errechnen sich mit 75 bzw. knapp 69 Mrd. Euro allerdings deutlich höhere Fehlbeträge, da sich in dieser Abgrenzung Privatisierungserlöse nicht auf das Defizit auswirken. Berücksichtigt man noch die Sozialversicherungen, so ergeben sich für das gesamte Staatsdefizit 80 bzw. 72 Mrd. Euro; dies entspricht Defizitquoten von 3,6 Prozent in 2005 und 3,1 Prozent in 2006. Der Schuldenstand in Abgrenzung des Maastricht-Vertrags wird auf 66,6 Prozent bzw. 67,1 Prozent steigen.

Durch die umfangreichen Vermögensveräußerungen werden die Finanzprobleme des Bundes nur vorübergehend gemildert. Die fiskalischen Langzeitwirkungen der Vermögensverkäufe sind bekannt: In Zukunft müssen die öffentlichen Haushalte auf Zins- bzw. Dividendeneinkommen aus diesem Vermögen verzichten; dies verringert den Handlungsspielraum, der kurzfristig durch die Vermögensveräußerungen vergrößert worden ist. Die aktuelle Entwicklung spiegelt den Teufelskreis wider, in dem sich die Politik befindet, denn das Bemühen, auf die Einnahmenausfälle mit Ausgabenkürzungen zu reagieren, gleicht dem Wettlauf von Hase und Igel. Zunächst hatte die Politik den Ausgabenanstieg gedrosselt, dann stagnierten die Ausgaben, und nun sind sie sogar rückläufig. Die Ursachen der staatlichen Finanzkrisen sind also in erster Linie auf der Einnahmenseite zu suchen - Steuerreform und wirtschaftliche Stagnation hinterließen bei den Einnahmen eine Lücke von fast 90 Mrd. Euro.

Eine Steuerreform zum jetzigen Zeitpunkt sollte sich auf eine Vereinfachung des Steuerrechts und eine Verbreiterung der Steuerbemessungsgrundlagen konzentrieren. Sofern hier Mehreinnahmen realisiert werden können, sind Steuererhöhungen an anderer Stelle verzichtbar. Bei der Erörterung höherer Mehrwertsteuersätze sollte der Aspekt einer sachgerechteren Finanzierung der sozialen Sicherung ebenso wie die Möglichkeit von mehr Ausgaben für Bildung und Wissenschaft im Vordergrund stehen. Primäres Ziel sollte nicht ein möglichst rascher Abbau der Defizite sein; eine nachhaltige Konsolidierung wird nicht ohne konjunkturellen Rückenwind erfolgreich sein können.

Quelle und Kontaktadresse:
Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) Königin-Luise-Str. 5, 14195 Berlin Telefon: 030/89789-0, Telefax: 030/89789-200

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