Pressemitteilung | (BDI) Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.

Offener Brief an Bundesfinanzminster Eichel

(Berlin) - Der Vorsitzende des BDI-Mittelstandsausschusses, Dr. Arend Oetker, hat Bundesfinanzminister Hans Eichel auf dessen Schreiben an "die mittelständischen Unternehmen in Deutschland" geantwortet, in dem es um die Entlastung des Mittelstands durch die Steuerreform der Bundesregierung geht.



„Sehr geehrter Herr Bundesfinanzminister, in einem offenen Brief bitten Sie die mittelständische Wirtschaft um Unterstützung für die bevorstehende Reform der Unternehmensbesteuerung. Die Reform ist notwendig und seit Jahren überfällig. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung kann aber nur Erfolg haben und ist nur akzeptabel, wenn er auch dem industriellen Mittelstand eine spürbare Nettoentlastung bringt. Als mittelständischer Familienunternehmer und Vorsitzender des BDI-Mittelstandsausschusses erlaube ich mir, auf Ihren Brief zu antworten und meine Bedenken vorzubringen. Das ursprünglich geplante Ziel einer Unternehmensteuerbelastung von 35 Prozent wird nicht erreicht und das Grundübel der deutschen Unternehmensbesteuerung, die Gewerbesteuer, nicht angepackt. Die Reform weist aber insbesondere mit der Senkung des Körperschaftsteuersatzes auf 25 Prozent - zu dem immer noch eine Gewerbesteuer von 15 Prozent hinzu kommt - den Weg in die richtige Richtung.



Ich stimme Ihnen zu, dass auch die Entlastung großer Unternehmen bei Zuliefern positive Folgewirkungen haben kann. Unüberhörbare Äußerungen aus mittelständischen Unternehmen, einschließlich des weiten Bereichs der Handwerksbetriebe in den letzten Wochen und nicht zuletzt die Anhörung der Sachverständigen durch den Finanzausschuss des Deutschen Bundestages zeigen jedoch, dass die Unzufriedenheit der Personenunternehmen wächst, weil das Reformkonzept eine Schieflage zu Lasten des Mittelstandes aufweist. Diese Schieflage möchte ich anhand der folgenden Punkte aufzeigen. Der Mittelstand wehrt sich gegen den aus dem Maßnahmepaket insgesamt spürbaren politischen Druck, Personenunternehmen in Kapitalgesellschaften umzuwandeln. Die Personengesellschafter wollen sich nicht aus sachfremden Gründen in eine anonyme Gesellschaftsform drängen lassen, sondern wollen auch weiterhin das Schicksal ihres Unternehmens selbst in der Hand halten. Dazu sind sie bereit, mit ihrem persönlichen Vermögen einzustehen.



Optionsmodell und Gewerbesteueranrechnung sind keine zufriedenstellenden Lösungen. Die Option ist in der vorliegenden Fassung nur für wenige Personenunternehmen interessant. Für den Mittelstand ist der bürokratische Aufwand fast nicht zu bewältigen. Vor allem die Konsequenz einer drastisch höheren Erbschaftsteuer ist für die Personenunternehmen nicht akzeptabel. Die Anrechnung der Gewerbesteuer mildert zwar in den meisten Fällen die Steuerbelastung. Die Spitzenbelastung der Personenunternehmen bleibt aber bei rund 50 Prozent. Das entscheidende Ergebnis ist, dass eine äquivalente Belastung, die für Kapitalgesellschaften bei rd. 40 Prozent liegt, gerade für die industriellen mittelständischen Personenunternehmen nicht erreicht wird. Hier gibt es nur eine vernünftige Lösung: der Spitzensteuersatz der Einkommensteuer muss sich auf unter 40 Prozent zu bewegen.



Personenunternehmen müssen auch bei Veräußerungsgewinnen den Kapitalgesellschaften gleichgestellt werden. Das Steuerreformkonzept sieht vor, dass bei Kapitalgesellschaften Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften steuerfrei bleiben. Dies ist steuersystematisch völlig richtig. Für diese Steuerfreistellung gibt es darüber hinaus noch andere handfeste ökonomische Gründe, denn auf diese Weise können die verkrusteten Strukturen in der deutschen Unternehmenslandschaft aufgebrochen werden. Für investierende Personenunternehmen ist nichts Vergleichbares vorgesehen. Die Bundesregierung muss konsequent bleiben und auch hier eine materiell vergleichbare Regelung einräumen. Der BDI hat hierzu eine steuerfreie Rücklage vorgeschlagen.



Die Aussage, dass der Mittelstand durch die Reform der Unternehmensbesteuerung um 20 Mrd. DM entlastet wird, ist nicht nachvollziehbar. Die Entlastungen für den Mittelstand werden weitaus geringer ausfallen. Die Ermittlung der auf den Mittelstand entfallenden Tarifentlastung bei der Einkommensteuer beruht nicht auf statistischen Daten, sondern auf groben Schätzungen, die jeglicher Grundlage entbehren. Die Berechnungen des Bundesfinanzministeriums gehen davon aus, dass 25 Prozent der Personenunternehmen im Jahr 2001 und 45 Prozent im Jahr 2004 die Option in Anspruch nehmen, sich wie eine Körperschaft besteuern zu lassen. Angesichts der von der Regierung gesetzten Bedingungen ist dies völlig ausgeschlossen. Das hat auch die Anhörung im Deutschen Bundestag eindeutig ergeben. Selbst die Bundesregierung glaubt inzwischen nur noch an maximal 10 Prozent. Entsprechend hätte das Finanzierungstableau geändert werden müssen. Die Erbschaftsteuerbelastung der Personenunternehmen, die die Option in Anspruch nehmen steigt. Steuermehreinnahmen sind aber in den Berechnungen nicht enthalten. Der Gesetzgeber hat die Unternehmen bereits seit 1999 mit Gegenfinanzierungsmaßnahmen überzogen, die in der laufenden Legislaturperiode rund 30 Mrd. ausmachen. Hinzukommen jetzt massive Verschlechterungen bei den Abschreibungen. In Ihrem offenen Brief ist von diesen auch konjunkturell kontraproduktiven Maßnahmen überhaupt keine Rede. Fest steht auch, dass der industrielle Mittelstand von dem sogenannten Steuer-Entlastungsgesetz nicht entlastet, sondern belastet wurde.



Der Mittelstand kann der geplanten Reform der Unternehmensbesteuerung nur bei erheblicher konzeptioneller und technischer Nachbesserung zustimmen. Der BDI hat in seiner Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf bereits eine ganze Reihe konkreter Vorschläge gemacht. Ich würde mich sehr freuen, wenn die Koalition gemeinsam mit der Opposition, die hierzu konkrete Anträge, insbesondere für die weitere Absenkung des Einkommensteuertarifs gestellt hat, die erhebliche mittelstandspolitische Schieflage beseitigen würde. Da Sie Ihr Schreiben an alle mittelständischen Unternehmen adressiert haben, erlaube ich mir, meine Antwort ebenfalls der Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Mit freundlichen Grüßen Dr. Arend Oetker Vorsitzender BDI-Mittelstandsausschuss

Quelle und Kontaktadresse:
Pressekontakt: BDI, Presse und Information, Tel.: (030) 2028 - 1566, Fax: (030) 2028 - 2566, Email: Presse@BDI-online.de, http://www.bdi-online.de; Quelle: Bundesverband der Deutschen Industrie e.V.

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