Pressemitteilung | Bundesverband WindEnergie e.V. (BWE)

Offshore-Ausbau läuft wieder an - aber längst nicht rund!

(Berlin) - Mit den neuen Ausbauzielen für die Offshore-Windenergie von mindestens 30 Gigawatt (GW) bis 2030, mindestens 40 GW bis 2035 und mindestens 70 GW bis 2045 hat Deutschland endlich die Ambitionen, die die Industrie für den beschleunigten Ausbau braucht. Auch die Bauaktivitäten laufen in diesem Jahr endlich wieder an. Zwar wurden im ersten Halbjahr 2021 noch keine Offshore-Windenergieanlagen errichtet, aber es gab erste Bauaktivitäten in den Offshore-Windenergieprojekten Kaskasi und Arcadis Ost 1. Ein kontinuierlicher, jährlicher Zubau wird künftig entscheidend sein, um Deutschland im Wettbewerb mit anderen Märkten mit Anlagen und Equipment zu versorgen. Doch der gerade mit dem Windenergie-auf-See-Gesetz (WindSeeG) festgelegte Rahmen für den zukünftigen Offshore-Ausbau stellt die Branche vor Herausforderungen.
/ Ausbauziele von mindestens 30 Gigawatt (GW) bis 2030, 40 GW bis 2035 und 70 GW bis 2045 bieten langfristige Perspektiven für Offshore-Windenergie und Zulieferindustrie
/ Im ersten Halbjahr 2022 wurden erste Fundamente in den Offshore-Windenergieprojekten Kaskasi und Arcadis Ost installiert, aber noch keine Windenergieanlagen
/ Neues Windenergie-auf-See-Gesetz droht die Kosten weiter zu erhöhen und so das Erreichen der neuen Ausbauziele zu gefährden
/ Deutsche Offshore-Windenergie-Branche braucht dringend industriepolitische Flankierung und qualifiziertes Personal
"Eine zentrale Schwäche des novellierten Wind-auf-See-Gesetzes ist das neue Ausschreibungsdesign, das den Preis für den Ausbau der Flächen in Nord- und Ostsee an die erste und maßgebliche Stelle stellt", kommentieren die Branchenorganisationen BWE, BWO, Stiftung OFFSHORE-WINDENERGIE, VDMA Power Systems und WAB. "Durch den Ausbaustopp der letzten Jahre ist Deutschland im internationalen Vergleich ins Hintertreffen geraten. Umso wichtiger ist ein funktionierendes System, das im internationalen Wettbewerb um Ressourcen, Fachkräfte und Investoren Hindernisse aus dem Weg räumt." Projektierer müssen künftig - ähnlich wie bei den Versteigerungen der Mobilfunklizenzen - erst Geld auf den Tisch legen, um überhaupt ein Offshore-Windenergieprojekt zu bauen. Statt einem Zuschlag nach den niedrigsten Kosten erhält der Bieter den Zuschlag, der den höchsten Preis für die Nutzungsrechte der Fläche bezahlt.
Um bis zu 21 Euro/MWh könnten die Industriestrompreise laut NERA Economic Consulting durch die neu verankerte Gebotskomponente steigen. "Auch der Kostendruck auf die ohnehin durch den fehlenden Ausbau geschwächte Wertschöpfungskette wird - abhängig von der Ausrichtung der Projektentwickler - zunehmen", kritisieren die Branchenorganisationen. "Grundlegende Fehler im Ausschreibungsdesign können sich Bundesregierung und Offshore-Windindustrie nicht leisten, wenn das erste Etappenziel für 2030 erreicht werden soll. Die Gebotskomponente ist daher schnellstmöglich zu streichen oder wie in den Niederlanden zu deckeln. Nachhaltigkeitskriterien, wie die Integration der offshore-produzierten Energie in unser Stromnetz, praktikable und damit realisierbare Dekarbonisierungsbeiträge von geplanten Offshore-Windenergieprojekten, die wirtschaftliche Produktion von grünem Wasserstoff sowie die Stärkung der europäischen Industrie sollten im Vordergrund stehen. Sie sollten mit der Windenergiebranche konsultiert sowie möglichst europäisch standardisiert eingeführt werden, um unnötige Kosten zu vermeiden. Die nun eingeführten Kriterien müssen in Zusammenarbeit mit der Branche pragmatisch und zielgerichtet angepasst werden, um ihre intendierte Wirkung zu entfalten. Hier sehen wir bei dem aktuellen WindSeeG dringenden Korrekturbedarf."
Positiv bewerten die Branchenorganisationen den im neuen WindSeeG festgelegten Hochlauf der Wasserstoffproduktion durch Offshore-Wind durch sechs jährliche Ausschreibungen von 500 Megawatt (MW) installierter Leistung ab 2023. Die Branche erwartet jedoch, dass sie bei der Entwicklung des Ausschreibungsdesign diesmal frühzeitig und eng einbezogen wird.
Damit die mittel- und langfristigen Ziele realisiert werden können, müssen nun dringend weitere Maßnahmen ergriffen werden. "2030 ist quasi heute", mahnen die Branchenorganisationen. Offshore-Projekte haben lange Vorlaufzeiten. Der de facto Stillstand der letzten Jahre hat, ebenso wie die Corona-Pandemie, tiefe Spuren in der Lieferkette hinterlassen. Nun steigt der Bedarf an Produktionskapazitäten im In- und Ausland deutlich an. Eine besondere industriepolitische Anstrengung mit fairem internationalen Wettbewerb ist notwendig. Die Produktionsstätten von Herstellern und Zulieferern müssen in Europa ausgebaut werden, und es müssen funktionstüchtige Lieferketten gewährleistet sein. Die Ertüchtigung von Werften und Häfen sowie des Spezialschiffbaus ist essenziell und muss politisch unterstützt werden.
"Es braucht außerdem eine große und von der Bundesregierung unterstützte Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive. In den letzten drei Jahren gingen in der deutschen Offshore-Windbranche über 3.000 Arbeitsplätze verloren. Die Branche hat folglich einen hohen Bedarf an gut ausgebildeten Fachkräften - viel gutes Personal ist als Folge des nicht erfolgten Zubaus ins Ausland abgewandert. Es gilt nun, diesen Bedarf durch das gezielte Anwerben von Fachpersonal zu decken. Konkrete Ideen, wie Ausbildungscluster für Windenergie können helfen, den erforderlichen Bedarf an Fachkräften zu decken. Das jetzt im WindSeeG beschlossene Ausbildungskriterium ist an sich ein interessanter Ansatz zur Beförderung von Ausbildung, in der Anwendung für die Auswahl des erfolgreichen Bieters jedoch wahrscheinlich sehr komplex", schließen die Branchenorganisationen.

Quelle und Kontaktadresse:
Bundesverband WindEnergie e.V. (BWE) EUREF-Campus 16, 10829 Berlin Telefon: (030) 212341210, Fax: (030) 212341410

(ss)

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