Pressemitteilung | Bayerischer Lehrer- und Lehrerinnenverband e.V. im VBE (BLLV)

Pensionierungswelle: Bayerns Schulen drohen massiver Lehrermangel und Unterrichtsausfälle / BLLV- Präsident Albin Danhäuser fordert sofortige Maßnahmen, die qualifizierten Lehrernachwuchs sichern, sowie die Ausbildung „flexibler Lehrer“

(München) - Bayerns Schulen drohen massiver Lehrermangel und Unterrichtsausfälle. Davor hat der Präsident des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands (BLLV), Albin Dannhäuser, gewarnt. „Der BLLV schätzt, dass bis zum Jahr 2010 etwa 28.000 Lehrkräfte neu eingestellt werden müssen. Davon sind allein etwa 20.000 Lehrerinnen und Lehrer zu ersetzen, die in Pension gehen. Wenn die Staatsregierung nicht entschieden handelt, könnte der schulische Alltag von Unterrichtsausfällen geprägt werden. Betroffen sind vor allem Hauptschulen, aber auch bestimmte Fächerverbindungen an Realschulen, Gymnasien und Beruflichen Schulen. „Deshalb muss künftig schneller als bisher auf veränderte Schülerströme reagiert werden. Bedarfsprognosen sind der realen Entwicklung anzupassen.“ Der BLLV-Präsident forderte, die Unterrichtsqualität zu verbessern. Rückläufige Schülerzahlen werden den Bedarf an Lehrern nicht kompensieren - im Gegenteil: pädagogische Innovationen wie individuelle Förderung von Schülern, die Einführung von Sprachlernklassen oder Ganztagsschulen sowie die dringliche Reduzierung von Klassengrößen erfordern zusätzliches Personal. Weitere Erhöhungen der Unterrichtspflichtzeit oder eine zeitliche Ausdehnung des Arbeitszeitkontos sind nicht zumutbar. Auch die Notmaßnahme, den aktuellen Lehrermangel durch „Seiteneinsteiger“ zu mildern, darf nicht zur Regel werden. „Anstatt auf Sparmaßnahmen zu setzen, sollte die Politik die Attraktivität des Lehrerberufs steigern. Nötig sind günstigere Lern- und Arbeitsbedingungen für Schüler sowie bessere Aufstiegsmöglichkeiten für Lehrer.“ Der BLLV plädiert für die universitäre Ausbildung „flexibler Lehrer“, die für die Jahrgangstufen 5 mit 10 schulartübergreifend eingesetzt werden können.

Die Schülerzahlen an Gymnasien, Grund- und Realschulen sind in diesem Schuljahr gestiegen - entgegen den ursprünglichen Berechnungen des Kultusministeriums. „Die Lern- und Arbeitsverhältnisse sind teilweise unerträglich“, kritisierte Dannhäuser. Beispiel Realschule: Dort gibt es derzeit über 244 Klassen mit mehr als 34 Schülern. An den Grundschulen müssen rund 1200 Schulanfänger mehr als im Vorjahr beschult werden - Ursache ist der erstmals um einen Monat vorgezogene Einschulungstermin. Am achtjährigen Gymnasium sind mehr differenzierte Angebote nötig, damit die Schüler/innen die um ein Jahr verkürzte Lernzeit bewältigen können. Auch an den Hauptschulen ist deutlich mehr Personal erforderlich, um leistungsschwachen Schülern durch individuelle und gezielte Fördermaßnahmen zu einem Abschluss zu verhelfen. Defizite gibt es auch bei den „Mobilen sonderpädagogischen Diensten“ zur gezielten Betreuung förderbedürftiger Schüler in Regelschulen.

Generell ist festzuhalten, dass der Geburtenrückgang in Bayern seit 1997 bei weitem nicht so drastisch ist, wie lange prognostiziert wurde: Konnten 1997 rund 130.500 Neugeborene gezählt werden, waren es im Jahr 2004 rund 111.200. Die Zahl der Geburten wird nach Angaben des Statistischen Landesamtes auch in den kommenden Jahren nicht unter 107.500 sinken. „Das hat Auswirkungen auf Bayerns Schulen - zumal dort in wenigen Jahren tausende Lehrer/innen in den Ruhestand verabschiedet werden“, erklärte Dannhäuser. Zwischen 2006 und 2010 gehen alleine an den Hauptschulen 4350 Lehrer/innen in Pension. Die Rückgabe des Arbeitszeitkontos erfordert zudem rund 900 Stellen. Diesem Bedarf stehen gegenwärtig bei den Studenten für das Lehramt an Hauptschulen weniger als 2000 Bewerber/innen gegenüber. Selbst wenn die Übertrittsquote an die Hauptschule weiter zurückgehen würde, ist immer noch mit einer Unterdeckung von mehr als 2000 Stellen zu rechnen. Im gleichen Zeitraum werden an den Gymnasien mehr als 2300, an den Realschulen und Beruflichen Schulen jeweils rund 1000, an den Grundschulen rd. 900 und an den Förderschulen rd. 700 Lehrerinnen und Lehrer fehlen.

Der zu erwartende Mangel an Lehrern würde fatale Folgen haben: Schüler/innen aller Schularten könnten nicht optimal gefördert werden. Die Zahl der Wiederholer und Abbrecher würde weiter steigen. – Bereits jetzt wiederholen jährlich über50.000 Schüler eine Klasse, fast 17.000 Schüler verlassen das Gymnasium vorzeitig, 7300 Schüler brechen den Realschulbesuch ohne Mittlere Reife ab und 5600 Hauptschüler erreichen keinen Abschluss.

Der BLLV-Präsident stellte fest: „Seiteneinsteiger“ aus anderen Berufen oder Verwaltungsbereichen dürfen nur eine vorübergehende Notmaßnahme sein. Vor ihrem Einsatz in der Schule müssen diese angemessen nachqualifiziert sein. Ihr Einsatz darf die Profession des Lehrerberufs nicht in Frage stellen. Dannhäuser betonte: „Wer als Lehrer in der Schule tätig sein will, muss über eine wissenschaftlich fundierte, pädagogisch-didaktische Ausbildung verfügen.“ Effizienter wäre es, durch gezielte Werbung, Informations- und Imagekampagnen qualifizierten Lehrernachwuchs zu rekrutieren. Voraussetzung ist jedoch, die Attraktivität des Lehrerberufs zu steigern. Dazu gehört auch die deutliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen: Unterricht in kleineren Klassen oder mehr Unterstützung durch qualifiziertes Fachpersonal wie Förderlehrer, Schulpsychologen und Schulsozialarbeiter. Schulabgänger, die sich für ein Lehramtsstudium entscheiden, brauchen ein gewisses Maß an Planungssicherheit, Aufstiegsmöglichkeiten und eine gerechte Bezahlung. Dannhäuser: „Nur so kann langfristig dafür gesorgt werden, dass sich fähige junge Menschen für den Lehrerberuf entscheiden.“ Der BLLV plädiert für den flexiblen Einsatz von Lehrerinnen und Lehrern. Es sollte künftig möglich sein, dass eine Lehrkraft in den Jahrgangsstufen 5 bis 10 an Gymnasien, Realschulen, Haupt- und Förderschulen unterrichtet. „Dies setzt allerdings die Überwindung einer eng schulartbezogenen Lehrerbildung voraus,“ erklärte Dannhäuser.

Quelle und Kontaktadresse:
Bayerischer Lehrer- und Lehrerinnenverband e.V. im VBE (BLLV) Bavariaring 37, 80336 München Telefon: 089/7210010, Telefax: 089/7250324

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